Liebe Frau Do, es war ein guter Tag für Europa. Die Wahlen zum Europäischen Parlament, immerhin die wichtigste Institution in dem immer noch beeindruckenden Projekt Europäische Union, haben keinen Rechtsruck mit sich gebracht. Die Vertreter der rechtspopulistischen und nationalistischen Parteien bilden im neuen Parlament zwar eine unschöne und sichtbare Minderheit mit etwa 15 Prozent der Stimmen, aber eben doch eine Minderheit. Die ganz große Mehrheit der europäischen Wähler hat pro-europäische Parteien gewählt. Die Zukunft Europas liegt für Millionen Menschen auf diesem Kontinent eben trotz aller Krisen und Konflikte in einem engen Miteinander der Staaten und nicht in Rückzugsgefechten. Das beruhigt und erfreut mich. Dass die große Koalition in Berlin bei der ersten bundesweiten Wahl eine so heftige Klatsche erlitten hat, muss uns deswegen nicht grundsätzlich sorgen. Dies hat vor allem innenpolitische Gründe, denn die kopf- und führungslose SPD ist in diesem Land inzwischen so beliebt wie Automobilmanager, und die CDU sucht nach dem Wechsel im Parteivorsitz auch noch ihr Profil. Die Grünen haben sich dagegen ihren Höhenflug durch eine konsequente Klimapolitik verdient. Bei diesem Thema ist ihre Glaubwürdigkeit hoch, und den Umgang der Menschen mit diesem Planeten konnte ich gerade wieder auf einer Dienstreise nach New York beobachten, der Hauptstadt des Plastikmülls und der Luftverschmutzung. Mir gehen die Regulierungswut und die Heuchelei mancher grüner Verkehrs- und Umweltpolitiker gelegentlich ziemlich auf die Nerven. Aber dass Union und SPD beim Klimaschutz viel versprochen und wenig eingehalten haben, haben zuletzt viele junge Menschen am Küchentisch ihren Eltern klargemacht. Auch durch die Kritik ihrer Kinder dürfte manch ein treuer SPD- oder CDU-Wähler nachdenklich geworden sein. Die Grünen sind die erste Wahl nicht nur bei der jungen Generation, sondern auch in den liberalen Großstädten. In Köln, Dortmund oder Münster sind die Grünen bei der Europawahl stärkste Partei geworden, von der FDP sprach gestern kaum noch einer. Der neue Status als Volksliebling bedeutet allerdings auch mehr Verantwortung. Und diese sollten die Grünen in Bremen übernehmen, wo erstmals nach 70 Jahren ein SPD-Bürgermeister bei der Bürgerschaftswahl abgewählt wurde. Dort wollen einige Grünen trotz dieses Ergebnisses lieber ein Linksbündnis schmieden als mit dem Wahlsieger CDU und der FDP zusammenzugehen. Meinen Kommentar zu den Europawahlen lesen Sie hier. Eva Quadbeck und Kristina Dunz haben die Konsequenzen der Wahlen für Union und SPD zusammengefasst, Matthias Beermann analysiert die Europawahl. Wie es in Bremen weitergeht, hat Kristina Dunz aufgeschrieben. Dieter Hecking hat als Trainer die Borussia aus Mönchengladbach in den Europacup geführt und trotzdem nach zweieinhalb Jahren im Amt als Chefcoach die Kündigung zum Saisonende bekommen. Verstehen kann er das nicht wirklich. „Das war die schmerzhafteste Zeit meines Trainerlebens“, sagt Hecking im Gespräch mit meinem Kollegen Karsten Kellermann. Herzlichst Ihr Michael Bröcker Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |