Liebe Leserinnen und Leser,
 

wenn ein Verbandspräsident seinen eigenen Vize mit dem berüchtigten NS-Richter Roland Freisler vergleicht, ist das für sich genommen schon äußerst bemerkenswert. Wenn es sich bei diesem Verbandspräsidenten aber um dem Chef des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) handelt und bei dem von ihm beschimpften Stellvertreter um einen Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht München (der noch dazu SPD-Mitglied ist), dann haben wir es mit einem handfesten Skandal zu tun.
 

Was sich da jüngst zwischen DFB-Boss Fritz Keller und dem DFB-Vizepräsidenten Rainer Koch zugetragen hat, ist aber in erster Linie ein Politikum. Denn der Deutsche Fußball-Bund zählt mit mehr als sieben Millionen Mitgliedern zu den größten Sportverbänden der Welt und ist zudem Pate der deutschen Nationalmannschaft. Also nicht mehr und nicht weniger als ein Aushängeschild der Bundesrepublik mit weltweiter Strahlkraft. Jedoch arbeiten die Verbandsfunktionäre sehr erfolgreich daran, den Ruhm (und den Erfolg) ihrer eigenen Organisation nachhaltig zu beschädigen – der Freisler-Vergleich war da nur eine weitere Episode in der erbärmlichen DFB-Story, deren Autor seit September 2019 Fritz Keller heißt. Seine Rolle im deutschen Fußball-Drama beschreibt mein Kollege Thomas Dudek in einem lesenswerten Beitrag.
 

Der furchtbare NS-Richter Roland Freisler war es übrigens, der auch Hans und Sophie Scholl nach ihrer Flugblatt-Aktion an der Münchener Universität 1943 zum Tode verurteilte. Am nächsten Sonntag wäre Sophie 100 Jahre alt geworden, sie gilt zurecht als deutsche Heldenfigur. Allerdings sind auch viele Legenden über sie im Umlauf, die insbesondere von ihrer älteren Schwester Inge Scholl in die Welt gesetzt wurden.
 

Tatsächlich war Sophie Scholl vor ihrem Gang in den Widerstand gegen das NS-Regime selbst glühende Nationalsozialistin. Darüber und über viele andere biografische Details hat meine Kollegin Antje Hildebrandt mit dem Autor Robert Zoske gesprochen, der sich intensiv mit dem Leben Sophie Scholls beschäftigt hat. Seine Forschung gewährt neue Einblicke in das kurze Leben der Widerstandskämpferin, die trotz mancher Wirrungen immer noch ein Vorbild bleibt.
 

Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur

 
 
 
 
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