| Sollte der Newsletter nicht korrekt angezeigt werden, klicken Sie bitte hier |
| | | | | "Tiere essen" von Jonathan Safran Foer. Foto: Ratz |
|
| | Guten Tag, vor etwa drei Jahren hörte ich zum ersten Mal davon, dass der Welt eine Pandemie bevorsteht. Ich erfuhr davon nicht in einem Zelt voller Räucherstäbchen und auch nicht in einem Science-Fiction-Roman, sondern las in einem Sachbuch davon, das vielen bekannt sein dürfte: „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer (erschienen bei Kiepenheuer&Witsch, als Taschenbuch bei Fischer). Ich muss zugeben, dass ich damals late to the party war. Viele meiner Freundinnen und Freunde hatten das Buch gleich oder zumindest bald nach seinem Erscheinen 2009 gelesen, mir fiel es erst ein paar Jahre später in die Hände. Das Buch nahm mich mit, im Wortsinn, weil Jonathan Safran Foer nicht moralisiert, sondern auf einer sehr persönlichen Recherchereise viele Fragen stellt, immer wieder zögert, Argumente überdenkt, noch dazu alles akribisch dokumentiert und jede Behauptung belegt. Er kommt letztlich zu dem Schluss, dass er in dieser Welt, unter diesen Umständen, kein Fleisch mehr essen wird. Ich musste jetzt an einen der vielen Gründe für seine Entscheidung denken, zu finden auf Seite 148, die ich mir damals glücklicherweise mit einer kleinen Ecke markiert hatte: „Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagte ganz schlicht: ‚Wir wissen, dass eine Pandemie unvermeidlich ist… Sie wird kommen.‘“ (…) In der jüngeren Geschichte brachen im Durchschnitt alle 27,5 Jahre Pandemien aus, und jetzt sind seit der letzten schon über 40 Jahre vergangen. (…) Die WHO hat heute die größte Menge wissenschaftlicher Daten zur Verfügung, die je über eine mögliche neue Grippeepidemie gesammelt wurde. Und da ist es ziemlich beunruhigend, dass diese hochoffizielle Anzug-und-Laborkittel-Institution, die normalerweise eher die Devise 'keine Panik' ausgibt, folgende Liste 'Was man über Grippepandemien wissen muss' für ihre Klientel, also für jeden, bereithält: ‚Die Welt steht vor einer weiteren Pandemie. Alle Länder werden betroffen sein. Es wird zu Massenerkrankungen kommen. Die medizinische Versorgung wird unzulänglich sein. Es wird viele Tote geben. Die ökonomischen und sozialen Schäden werden immens sein.‘“ Jonathan Safran Foer schreibt an dieser Stelle nicht allgemein von Pandemien, sondern von Grippepandemien. Aber er erklärt ziemlich gut, warum die Haltung von Nutztieren, wie wir sie heute kennen, gefährliche Seuchen begünstigt. Zum Beispiel, weil neue Viren entstehen können, wenn sich ein Tier mit zwei Viren gleichzeitig ansteckt und diese Viren dann ihre Gene tauschen. Foer schreibt: „Menschen schaffen die Bedingungen für die Entstehung des ultimativen Supererregers.“ Nach diesem Kapitel folgen dann noch 160 Seiten, und ich kann Ihnen sagen, mit jeder Seite sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie danach noch einmal ein zartrosa Steak auf dem Teller haben möchten. Als ich zum ersten Mal von den bevorstehenden Pandemien las, war ich verwundert, dass ich noch nie von dieser Gefahr gehört hatte, obwohl sie doch so akut zu sein schien, und vor allem, dass nicht mehr Politikerinnen und mehr Wissenschaftler unseren Fleischkonsum grundlegend infrage stellten. Heute, in diesen Wochen, in denen ja nicht nur viel über die Gegenwart, sondern schon auch über die Zukunft gesprochen wird, frage ich mich einmal mehr, warum zwar über viele mögliche gesellschaftliche Konsequenzen dieser Pandemie debattiert wird, nicht aber über das Fleisch – sondern im Internet munter weiter Rezepte für gebratene Hühnerschenkel ausgetauscht werden. Klar, noch ist nicht erforscht, wo und wie das neue Virus Covid-19 entstanden ist. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten gerade daran, seinen Ursprung nachzuweisen, vermutlich spielt ein Wildtiermarkt in Wuhan eine Rolle. Hat also doch nichts mit Massentierhaltung zu tun, entgegnen die Verteidiger des Steaks. Dabei ist nun einmal sicher, dass das Virus von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist, und alleine das reicht als Anlass, finde ich, um zu hinterfragen, wie wir mit Tieren umgehen. Das Problem sind ja nicht nur die Wildtiermärkte und die riesigen Tierfabriken. Sondern schon auch, dass der Mensch vielen Tieren immer mehr Lebensraum nimmt - und sich Mensch und Tier dadurch zwangsläufig näher kommen, wie mein Kollege Christoph von Eichhorn in diesem Artikel aufgeschrieben hat. Man muss sich nur einmal die Krankheiten ansehen, die in den vergangenen Jahren von Tieren auf den Menschen übergangen sind: HIV, Ebola, Zika, Schweinegrippe, Vogelgrippe. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Und gleichzeitig surren die Maschinen der Schlachthöfe immer weiter, werden innerhalb eines Jahres auf der Welt noch immer mehr als 330 Millionen Tonnen Fleisch produziert. Erst in dieser Woche hat die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft mitgeteilt, dass jede Deutsche und jeder Deutscher in einem Jahr noch immer knapp 60 Kilogramm Fleisch verzehrt, wobei die Deutsche Gesellschaft für Ernährung im Übrigen nur die Hälfte als gesund erachtet. Die Zahl ist kaum zurückgegangen, und das trotz der großen Debatten ums Klima im vergangenen Jahr. Denn unser Fleischkonsum begünstigt ja leider nicht nur Pandemien, sondern auch die globale Erwärmung (die Produktion von einem Kilo Rindfleisch zum Beispiel verursacht dem Umweltbundesamt zufolge zwischen sieben und 28 Kilogramm Treibhausgase, während Obst und Gemüse bei weniger als einem Kilogramm liegen). Auf unseren Tellern also zeigt sich, wie eng die großen Krisen der Welt miteinander verwoben sind. Vielleicht haben Sie ja auch ein Buch, dass Ihnen in diesen Wochen wieder ins Gedächtnis gekommen ist, in dem Sie schon vor längerer Zeit ein paar Ecken umgeknickt haben und das Sie nun unter ganz neuen Voraussetzungen wieder aus dem Regal genommen haben. Lassen Sie uns das gerne wissen (klimafreitag@sueddeutsche.de) – und uns zusammen eine kleine Leseliste erstellen, mit neuen Ideen für die Zukunft. Denn wenn es in diesen Zeiten etwas braucht, dann wohl Hoffnung: Gerade werden so viele Überzeugungen erschüttert, dass neue Ideen es nach der Krise womöglich leichter haben werden. Sagen wir: hoffentlich.
|
| | | Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, Pia Ratzesberger PS: Als man noch reisen konnte, haben meine Kollegen Till Krause und Lorenz Wagner viele Monate „Fridays for Future“ begleitet und stellen in ihrer lesenswerten Titelgeschichte des SZ-Magazins nun die Frage, wie eine Protestbewegung, die auf große Demonstrationen setzt, ohne Menschenansammlungen fortbestehen kann. |
|
|
| | | | | Aus der SZ und aus dem WEb | Diese Woche Klimafreitag |
|
| | |
| Der Schock hat System | Wir müssen uns Gedanken um Umwelt und Klima machen. Sonst droht schon bald Sars-CoV-3, schreiben drei Co-Autoren der Leopoldina-Stellungnahme. | | |
|
---|
|
|
| | | |
| Isoliert im Eis | Die Nordpol-Expedition "Mosaic" wäre schon in normalen Zeiten eine Herausforderung. Durch die Corona-Pandemie wird die Mission noch heikler. | | |
|
---|
|
|
| | | |
| SZ-Magazin | Stiller Protest | Kaum jemand redet im Moment vom Klima, Demonstrationen sind unmöglich. Was bedeutet das für die Zukunft von Fridays for Future? Einblicke in das Innere der Bewegung.
| |
|
---|
|
|
| | | | | | lange Lesestücke Aus der SZ | #langstrecke: Klimafreitag |
|
| | |
| Anatomie einer Katastrophe | Die Klimakatastrophe verstehen: Über ihre Ursachen und wie unsere Zukunft aussieht - bei 1,5 bis vier Grad. | | |
|
---|
|
|
| | | |
| Bis zum Umfallen | 4,1 Millionen Milchkühe, 26 Milliarden Euro Umsatz: Deutschlands Milchindustrie ist die größte in der EU. Aber wie geht es eigentlich den Tieren? Eine Leistungsbeschreibung. | | |
|
---|
|
|
| | | |
| Unser täglich Brot | Ein Drittel aller Lebensmittel landet im Müll. Darunter auch der Liebling der Deutschen: das Brot. Wer ist schuld und was kann man dagegen tun? Auf der Suche nach einem Rezept. | | |
|
---|
|
|
| | | |
| Hinab in die Dunkelheit | Viele Geheimnisse der Unterwasserwelt sind ungelüftet - und die Menschen hinterlassen immer mehr Spuren. Eine Reise zum Meeresgrund. | | |
|
---|
|
|
| | | |
| Auf die sanfte Tour | Reisen mit gutem Gewissen wollen viele. Aber was tut sich im Tourismus gerade tatsächlich in Sachen Nachhaltigkeit?
| | |
|
---|
|
|
| | | | | | | | | Entdecken Sie unsere Apps: | | | |
| |
---|
| | | Impressum: Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München Tel.: +49 89 2183-0, Fax: +49 89 2183 9777 Copyright ©Süddeutsche Zeitung GmbH. Artikel der Süddeutschen Zeitung lizenziert durch DIZ München GmbH. Weitere Lizenzierungen exklusiv über www.diz-muenchen.de Sie erhalten den Newsletter an die E-Mail-Adresse newsletter@newslettercollector.com. Wenn Sie den „Klimafreitag“-Newsletter nicht mehr erhalten möchten, klicken Sie bitte hier. | Datenschutz | Kontakt | Abmeldung | |
|
|
|