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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 30.09.2021 | Feuchte und wolkenverhangene 16 °C. | ||
+ Wahlchaos in Berlin: Landeswahlleiterin Michaelis tritt zurück + In manchen Bezirken gab es mehr abgegebene Stimmen als Wahlberechtigte + Pankow 3 zählt seine Erststimmen neu + |
von Nina Breher |
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Guten Morgen, ein Sturm zieht auf – nicht nur über Berlin gewitterte es gestern Nachmittag ordentlich, auch in der Stadt wurde es ungemütlich: Landeswahlleiterin Petra Michaelis ist wegen der Pannen am Wahlsonntag zurückgetreten (und das ausgerechnet am Michaelistag!). Das Drama in fünf Zitaten: – „Als einer der Wahlhelfer zum Rathaus Pankow fuhr, kam er mit neuen Stimmzetteln wieder – allerdings den falschen.“ (Jobst Knigge, Wahlhelfer, zitiert von meiner Kollegin Anna Thewalt, Abo) – „Man sagte uns, dass wir die Stimmen auf den Zetteln, die eigentlich für den anderen Bezirk gedacht waren, nicht zählen und für ungültig erklären sollten.“ (anonymer Wahlhelfer über Stimmen auf falschen Wahlzetteln, „vielleicht acht oder neun“) – „Die Zahlen stimmten hinten und vorne nicht. Ich bin dann um 22.00 Uhr gegangen, es reichte mir.“ (Wahlhelfer, zitiert von der dpa) – „Es ist möglich, dass die Wahl ungültig ist.“ (Staatsrechtler und Wahlhelfer Christian Waldhoff im Interview mit Landespolitik-Reporter Christian Latz, Abo) – „Ich übernehme die Verantwortung im Rahmen meiner Funktion als Landeswahlleiterin für die Umstände der Wahldurchführung am 26.09.2021.“ (Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis) Zwar schlägt die Anzahl der ungültigen Stimmen im Vergleich zu den Wahlen 2016 nicht erkennbar aus (30.464 in 2021 vs. 25.694 in 2016 bei einer damals leicht niedrigeren Wahlbeteiligung, jeweils Zweitstimmen Abgeordnetenhauswahlen, via Alex Fröhlich). Aber weitere Chaos-Berichte laufen auf. Der RBB etwa zählt in einer Analyse viele ungültige Stimmen in einzelnen Wahllokalen. | |||
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Wir haben uns das auch nochmal angeguckt und so viel ist klar: Wir leben in einer einzigartigen Stadt. Nur hier gibt es mehr Wähler:innen als Wahlberechtigte, können also mehr Leute wählen als wählen dürfen. Äh, Moment, wie bitte? In mindestens 16 Wahlbezirken (Brief- und Urnenwahlbezirke zusammengerechnet) könnte es nach Berechnungen des Tagesspiegel Innovation Labs bei den Berliner Wahlen mehr abgegebene Stimmen als Wahlberechtigte gegeben haben. Drei Beispiele: Reinickendorf, Wahlbezirk 124J (gebildet aus Urnenwahlbezirk 417 + (Brief-)Wahlbezirk 4J), Volksentscheid: insgesamt 1382 Wahlberechtigte, aber 2146 abgegebene Stimmen. Wahlbeteiligung demnach: 150 Prozent. Tempelhof-Schöneberg: Briefwahlbezirk 077I kommt mysteriöserweise sowohl bei der AGH-Zweitstimme als auch beim Volksentscheid auf 126 Prozent Wahlbeteiligung (je 1120 Wahlberechtigte, 1414 Wählende). Neukölln, Briefwahlbezirk 083P, Volksentscheid: 2147 Wahlberechtigte, 2170 Wähler:innen. Fast eine Punktlandung mit etwas über 100 Prozent Wahlbeteiligung. Grundlage der Berechnung ist das vorläufige amtliche Endergebnis, das am Wahlmorgen versandt wurde. 16 kombinierte Brief- und Urnenwahlbezirke würden zwar statistisch gesehen das Wahlergebnis nicht gravierend verändern, die betroffenen Stimmbezirke enthalten nur je zwischen 1000 und 2500 Stimmberechtigte. Aber es könnte auf mögliche Fehler hinweisen. Es ist aber auch möglich, dass in den Listen der Wahlleiterin nur falsch definiert wurde, was „abgegebene Stimmen“ bedeuten, dass die Stimmen woanders eingerechnet wurden. Oder dass die Briefwahlbezirke nicht zu den Urnenwahlbezirken passen, denen sie in den Daten der Landeswahlleiterin aber explizit zugeordnet sind. Was genau schiefgelaufen ist, wissen wir heute Morgen noch nicht – dass in mehreren Fällen irgendetwas schiefgelaufen sein könnte, darauf weisen die Daten hin, die von David Meidinger, Helena Wittlich und Manuel Hirzel sorgfältig geprüft worden sind. | |||
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Ein weiterer Hinweis auf Unstimmigkeiten dieser Art: Tempelhof-Schöneberg hat gestern bereits bekanntgegeben, neu öffentlich auszuzählen, und zwar drei Wahllokale in Marienfelde, Gründe unbekannt (via Kollegin Sigrid Kneist). Vielleicht gar keine schlechte Idee: Der Briefwahlbezirk, dem sie zuzuordnen sind, hat unseren Berechnungen zufolge die höchste AGH-Wahlbeteiligung von 159 Prozent, beim Volksentscheid immerhin 115 (davon unseren Berechnungen zufolge 8,9 Prozent ungültig, eine ungewöhnlich hohe Quote). Auch Pankow 3 zählt seine Erststimmen neu – wohl aber eher wegen des knappen Ergebnisses. In seinem Wahlbezirk unterlag Kultursenator Klaus Lederer (Linke) seiner Konkurrentin Oda Hassepaß (Grüne) um nur 30 Stimmen. | |||
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Während es im Berliner Zettelkasten ganz schön unübersichtlich wird, sind die Bundespolitiker:innen viral gegangen – auf Instagram teilten die Grünen-Chef:innen Baerbock und Habeck sowie FDP-Chef Lindner und sein Generalsekretär Wissing ein Selfie von Vorsondierungen, Habeck sogar ohne Filter („sheer hipster authenticity“, Thomas Escritt/Twitter). Nicht nur das Internet hatte jede Menge Spaß bei „Rathaus of Cards“, auch Grünen und FDP schien es gefallen zu haben: Am Freitag will man sich zu Sondierungen treffen. Zaudert die Union derweil („noch hat die CDU keinen festen Gesprächstermin mit uns vereinbart“, FDP/Wissing)? Aber zurück zum Thema: Das Politiker:innen-Selfie schaffte es in die Nachrichten (Deutschlandfunk). Es kommentieren die vier frischgebackenen Social-Media-Stars: „Spannende Zeiten.“ Ich weiß ja nicht, ob Sie abergläubisch sind (ich bin es nicht), aber derzeit ist wohl der Merkur rückläufig, was angeblich für Verwirrung, Streit, misslingende Kommunikation steht (Quelle: Drag Queen Pansy, Instagram). Es bleibt also spannend. | |||
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