| Eine der schlimmsten Baustellen Berlins ist die Schule – es fehlen qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer, es gibt zu viele Schulabgängerinnen und -abgänger ohne Abschluss, beim Lesen, Schreiben und Rechnen landen die Schülerinnen und Schüler der Stadt verlässlich auf einem Abstiegsplatz. Da schauen wir uns doch mal an, ob den künftigen Koalitionären bei den Sondierungen dazu etwas Neues eingefallen ist (vollständige Liste): + „Chancengerechtigkeit ist unser gemeinsames Ziel in der Bildungspolitik. Wir werden Investitionen im Bildungsbereich weiter vorantreiben, Qualität in der Bildung weiter erhöhen und die Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule erhalten.“ + „Die Digitalisierung, der Ausbau und die Sanierung von Gebäuden und die Gewinnung von Fachkräften stehen im Mittelpunkt unserer Bildungspolitik. Deshalb gilt: Die Berliner Schulbauoffensive setzen wir fort.“ + „Wir wollen die Schulreinigung schrittweise rekommunalisieren.“ + „Zur Gewinnung, Aus- und Fortbildung von pädagogischem Fachpersonal werden wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die einen nachhaltigen Personalaufwuchs ermöglichen. Dazu gehört auch eine Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern. Zum Nachteilsausgleich wird ein Lösungsmodell für diejenigen entwickelt, die nicht verbeamtet werden können oder wollen.“ + „Wir wollen Jugendlichen Teilhabechancen und Zukunftsperspektiven auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen. Deshalb wollen wir eine Ausbildungsplatzgarantie umsetzen.“ Angesichts der mangelhaften Bilanz der vergangene Schulpolitikjahre klingt „Qualität in der Bildung weiter erhöhen“ geradezu besorgniserregend – derartige Realitätsverweigerung wäre jedenfalls keine Basis für eine bessere Schulpolitik. Tatsächlich beschreiben die Vorhaben, genau gelesen, ja vor allem die Probleme, die nach einem Viertjahrhundert sozialdemokratischer Experimentalpolitik in diesem Fach zu bewältigen sind: + Chancengerechtigkeit als Ziel zu beschreiben bedeutet, dass es keine Chancengerechtigkeit gibt. + Investitionen weiter vorantreiben zu wollen bedeutet, dass die bisherigen nicht gereicht haben (obwohl kein anderes Land mehr für Bildung ausgibt als Berlin). + Die Schulbauoffensive fortsetzen zu wollen bedeutet, dass sie im märkischen Sand feststeckt (die Beteiligten spielen derweil Behörden-Pingpong) + Die Digitalisierung und Gewinnung von Fachkräften in den Mittelpunkt stellen zu wollen bedeutet, dass beides bisher dort nicht stand. + Die Schulreinigung rekommunalisieren zu wollen bedeutet allerdings nicht, dass es überall stinkt – es klingt nur gut. Neu ist, neben der Schulreinigung, zweierlei: 1) Die Ausbildungsplatzgarantie ist eine Konsequenz der katastrophalen Abbrecherquote (13% eines Sekundarschul-Jahrgangs verlassen die Schule ohne Abschluss), aber eine Ignoranz gegenüber der Ursache von Jugendarbeitslosigkeit (40% eines Jahrgangs verfehlen in den grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen die Mindeststandards). 2) Die Rückkehr zur Verbeamtung ist die erzwungene Konsequenz eines verlorenen Kampfes: Die Gewerkschaft war gegen eine Verbeamtung, weil nur Angestellte streiken können; der Finanzsenator war gegen eine Verbeamtung, weil Beamte länger krank sind (42,5 Tage im Jahr gegenüber 32 Tagen bei Angestellten) und hohe Pensionen bekommen (die tatsächlichen Kosten für das Land Berlin sind allerdings umstritten); die Schulsenatorin war gegen die Verbeamtung, weil die SPD gegen die Verbeamtung war. Die Folgen sind dramatisch: Das Land Berlin verliert immer mehr ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, weil sie in jedem anderen Bundesland verbeamtet werden. Offene Stellen muss die Bildungsverwaltung mit immer mehr Quer- und Seiteneinsteigern besetzen, und das auch noch zumeist in den Brennpunktschulen (dass die Berliner Unis viel zu lange viel zu wenige Studierende fürs Schulamt ausbildeten, kommt noch dazu). Vor allem deswegen ist „Chancengerechtigkeit“ in Berlin noch immer kein Zustand, sondern ein Ziel. Und deswegen kommt jetzt die Verbeamtung zurück. Eine exakte Übersicht der Fehltage von Beamten und Angestellten über alle Bereiche und Altersgruppen im Öffentlichen Dienst haben wir hier für Sie aufbereitet. Und eine mögliche Berechnung der Verbeamtungskosten finden Sie hier. | |