Eine dieser Regeln lautet, nur in Unternehmen zu investieren, deren Geschäft er versteht. Eine weitere, niemals in IPOs zu investieren, sondern nach dem Börsengang den Unternehmen erstmal genügend Zeit zu geben, sich als „anlagetauglich“ zu beweisen. Im Klartext: Die oftmals zu vollmundigen Versprechungen bei der Aktien-Ausgabe sollen einige Quartale lang den Zusammenprall mit der Realität schadlos überstehen, bevor die Aktie auf dem Radar erscheint. Und nun das... demnächst wird ein junges Unternehmen an die Börse gebracht, das ein „cloud-based data warehouse“ betreibt. Und Berkshire Hathaway, Buffetts Investment-Firma, investiert mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar in dieses Unternehmen. Kaum vorstellbar, dass der soeben 90 Jahre alt gewordene Buffett sich mehr unter den Buzz-Schlagworten vorstellen konnte, als wir. Jemand, der den ganzen Tag in seinem Büro Geschäftsberichte, Zeitungen, Finanzjournale liest – in Papierform. Und so jemand soll urplötzlich Kernkompetenzen entwickelt haben für cloudbasierte Anwendungen? Klingt nicht wirklich plausibel, doch die Fakten sind nicht zu ignorieren: Berkshire steigt bei Snowflake ein und das Unternehmen geht demnächst an die Börse. Beides hat das Unternehmen in einer Meldung an die US-Börsenaufsicht SEC bekannt gegeben. Es muss also mehr dahinter stecken, sofern Buffett nicht „einfach“ alle seine Erfolgsprinzipien über Bord geworfen hat und in seinem letzten Lebensabschnitt nochmal was völlig Verrücktes anstellen wollte. Buffett meidet IPOs Kürzlich meinte Buffett, Berkshire habe in den vergangenen 54 Jahren an keinem einzigen IPO teilgenommen. Er sucht nach herausragenden Unternehmen, die er zu günstigen Preisen kaufen kann. Firmen, die frisch an die Börse streben, müssen sich erst noch beweisen. Wenn sie in einer gerade angesagten Branche aktiv sind, treibt die Gier die Anleger in Scharen in die Akte und der Kurs explodiert. Das war nie Buffetts Spiel. Buffett bleibt in seinem „Circle of Competence“ Des Weiteren rät Buffett dazu, sich ausschließlich innerhalb seines Kompetenzbereichs zu engagieren. Zunächst muss man diesen definieren und erkennen, von welchen Dingen man keine Ahnung hat. In diesem Bereich braucht man nie wieder nach Investments zu suchen. So reduziert man die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen erheblich. Cloudbasierte Anwendungen liegen mit Sicherheit nicht in Buffetts Kompetenzbereich. Damit meine ich nicht, dass er nicht den Vorteil erfassen könne, den die Cloud gegenüber zentralen Rechenzentren und Datenträgern wie DVDs oder USB-Sticks bietet, sondern die dahinter stehende Technologie und ihre Anwendung in der Praxis. Das nicht-so-Offensichtliche Es deutet also alles darauf hin, dass das Investment in Snowflake nicht auf Buffett selbst zurückgeht oder auf den nochmal einige Jahre älteren Charlie Munger, sondern auf einen der „Investment-Leutnants“ Ted Weschler oder Todd Combs, die beide inzwischen eigene milliardenschwere Budgets von Berkshires Anlage-Portfolio verwalten. Damit ist nicht gemeint, dass die beiden die ehernen Value Investing-Prinzipien, die Berkshires Erfolg über mehr als 50 Jahre ausgemacht haben, nicht befolgen. Doch sie haben durchaus ihren eigenen Investment-Stil, der sich auch von Buffetts unterscheidet; so war Ted Weschler ein Hedgefonds Manager, bevor er bei Berkshire anheuerte. Und beide sind natürlich auch Jahrzehnte jünger als Buffett und Munger, so dass sie einen ganz anderen Zugang zu neuen Technologien haben als die beiden. Der Deal Werfen wir mal einen Blick auf die Vorgänge. Berkshire wird rund 7,1 Millionen A-Aktien von Snowflake erwerben. 3,1 Millionen kauft man außerhalb des IPOs in einer privaten Platzierung, aber zum IPO-Preis, und weitere vier Millionen stammen aus dem Bestand des ehemaligen CEO Robert Muglia. Auch für diese wird der Ausgabepreis bezahlt, der bei 80 Dollar liegen dürfte, so dass Berkshire insgesamt rund 550 Millionen US-Dollar in Snowflake investiert. Allerdings würde das Unternehmen bei diesem IPO-Preis auch bereits mit mehr als 20 Milliarden US-Dollar bewertet. Streng genommen nimmt Berkshire also gar nicht am IPO teil, aber wir wollen nicht haarspalterisch werden. Neben Berkshire beteiligt sich übrigens auch Salesforce Ventures am Kauf der Ex-CEO-Anteile; dabei war man jedoch bereits bei früheren Finanzierungsrunden bei Snowflake eingestiegen und kann auf eine lange Historie erfolgreicher Venture Capital-Finanzierungen verweisen, wie z.B. bei DocuSign, Dropbox oder Twilio. Was (be-) treibt Snowflake eigentlich? Wichtiger als die Begleitumstände des Einstiegs ist natürlich, was Snowflake so besonders macht. Snowflake bietet ein cloudbasiertes Datawarehouse an. Das Besondere daran ist, dass es mit den gängigen Cloud-Diensten AWS von Amazon, Azure von Microsoft und Google Cloud zusammenarbeitet und die Daten für den Kunden so auswirft, als würden sie aus einer einzigen Quelle stammen. Der Snowflake-Kunde kann also auf alle seine Daten zugreifen, egal in welcher Cloud sie liegen und welches seiner Anwenderprogramme gerade darauf zugreift. Für den Kunden bedeutet dies eine viel größere Flexibilität im Umgang mit den unterschiedlichen Cloud-Services und eine Vereinfachung der Arbeitsabläufe. Snowflake bietet Big Data fürs Home Office und ermöglicht es, enorme und eigentlich unstrukturierte Datenmengen für den täglichen Arbeitsablauf nutzbar zu machen. Bisher scheint Snowflake mit seinem Ansatz noch keiner wirklichen Konkurrenz ausgesetzt zu sein, was auch erklärt, weshalb das Unternehmen zu den drei am schnellsten wachsenden Cloud-Unternehmen zählt. Der Umsatz stieg im vergangenen Geschäftsjahr um 174 Prozent und im 1. Halbjahr dieses Geschäftsjahres um nochmals 133 Prozent. Das Unternehmen hat jetzt insgesamt 3.117 Kunden, von denen 56 einen Umsatz von über einer Million US-Dollar innerhalb der letzten 12 Monate erzielten. Diese Zahl dieser „Big Spender“ hat sich im vergangenen Jahr, als es noch 22 waren, mehr als verdoppelt und unterstreicht das rasante Wachstum. Burggraben Snowflake ist innovativ, aber grundsätzlich kann jeder das Produkt kopieren. Der First Mover-Effekt ist allerdings nicht zu unterschätzen und wenn sich Unternehmen erst einmal an die Vorzüge gewöhnt haben, gibt es eigentlich keinen Grund mehr zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Für Snowflake eröffnen sich zwei Wachstumspfade: Zunächst durch die Akquise von Neukunden und dann, wenn Bestandskunden mehr von ihrem Workflow in die Cloud verlagern. Snowflake wächst dann mit seinen Kunden und ihren cloudbasierten Daten-Mengen und Anwendungen automatisch mit. Da man die gängigsten Cloud-Services bespielt, wird man auch nicht von möglichen Wechselambitionen der eigenen Kunden bezüglich ihres Cloud-Anbieters tangiert. Berkshire Hathaway Inc. (ISIN: US0846707026) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A0YJQ2 / BRK.B | 520 Mrd. USD | neg. / 22 / 19 | 218,75 USD | Mein Fazit Bei einem Cash-Bestand von 147 Milliarden US-Dollar hat das Snowflake-Investment kaum Auswirkungen auf das Berkshire-Portfolio. Völlig bedeutungslos ist es aber nicht. Im Gegenteil. Betrachtet man alle Aspekte, ist dies kein Buffett-Move. Ein eklatanter Widerspruch zu Buffetts bewährten Investment-Prinzipien liegt allerdings ebenso wenig vor. Vielmehr ist es positiv zu bewerten, dass sich Berkshire weiter entwickelt und breiter aufgestellt hat. Nicht mehr Buffett und Munger alleine entscheiden, sondern ein größerer Kreis. Und diese Personen ergänzen sich und bringen unterschiedliche Kompetenzen mit ein, so dass sich Berkshires Kompetenzbereich insgesamt vergrößert hat. Dabei werden die grundsätzlichen und bewährten Value Investing-Prinzipien weiterhin befolgt, was Anleger beruhigen sollte. Andererseits zeigt die Entwicklung auch, dass Berkshire für die Zeit nach Munger und Buffett durchaus gerüstet ist. Auch die bewährtesten Erfolgsprinzipien haben ihre Zeit und wenn sich die Umstände ändern, muss man sie an die neuen Gegebenheiten anpassen, ohne dabei ihren Kern aufzugeben. Diese Neukalibrierung erleben wir gerade bei Berkshire Hathaway und das Investment in Snowflake ist eine der interessanteren Entwicklungen davon. Aber vermutlich nur ein erster Schritt, dem noch viele weitere folgen werden. Berkshire Hathaway ohne Buffett ist kaum vorstellbar aber nicht undenkbar. Zum Glück für uns alle... Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs iNTELLiGENT iNVESTiEREN. Autorenprofil Michael C. Kissig studierte nach Abschluss seiner Bankausbildung Volks- und Rechtswissenschaften und ist heute als Unternehmensberater und Investor tätig. Neben seinem Value-Investing-Blog „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“ verfasst er regelmäßig eine Kolumne für das „Aktien Magazin“. | | Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Berkshire Hathaway & Salesforce. Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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