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Wochenende Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Samstag, 09.10.2021 | Sonnenklar bei bis zu 14°C. | ||
+ Rot-Grün-Gelb-Rot: Im Wartebereich der Senatsbildung + Kultusministerkonferenz lässt Gebärdensprache als reguläres Schulfach zu + Ungeimpfte Hertha-Spieler müssen Corona-Tests in Zukunft selbst zahlen + |
von Anke Myrrhe |
Guten Morgen, bitte warten…. bitte warten…. tut tut tut tut tut. Noch jemand da? Bitte warten Sie… Tschuldigung, es geht gleich los mit dem Samstags-Checkpoint, wir müssen hier nur noch die Leitung klarkriegen, sondieren und sortieren, was wir eigentlich wollen. Und vor allem: mit wem. Aber das Warten haben Sie ja lange erlernt in dieser Stadt, da müssen wir jetzt gar nicht erst mit irgendwelchem Flughafen-Getöse anfangen (auch wenn das an diesem Herbstferienanfangswochenende vermutlich wieder etwas lauter wird) oder mit Berghain-Gemüsedöner-Folklore (die Schlangen bilden sich neuerdings eh vorm Wahllokal, dazu gleich mehr). Insofern wird es Sie nicht überraschen, dass Sie jetzt noch ein wenig auf die Verleihung unserer Berlin-Medaillen warten müssen (die Schuld dafür tragen auf jeden Fall andere!), wir lümmeln hier so lange noch ein bisschen im farbenfrohen Wartebereich der Senatsvorsondierungsentscheidungungsfindung herum. SPD und Grüne wollen zwar miteinander, können sich aber noch nicht einigen, wer die Dritte am Senats-Tisch sein soll. Rot will Gelb, Grün will das andere Rot, und nachdem wir gestern den ganzen Tag auf die Verkündung des dritten Herzblatts gewartet hatten, traten Franziska Giffey und Bettina Jarasch getrennt voneinander vor die Kameras und sagten: beides. FDP und Linken gefällt das nicht. Was daraus folgt? Bleibt abzuwarten. | |||
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In zähen Doppelsondierungsrunden hat sich wenigstens der Checkpoint-Wahlvorstand gestern eine Entscheidung abgerungen. Aufgrund der äußerst fragwürdigen Abstimmungsbedingungen (lange Schlangen, falsche Wahlzettel, fehlende Kugelschreiber) kann die Wahl der Berlinerinnen und Berliner der Woche allerdings noch angefochten werden, weshalb wir Ihnen hier den schonungslosen Auswahl-Prozess dokumentieren müssen. Bronze Ganz oben auf der Liste für Bronze stand diesmal Marcel Luthe, der es wie immer genau wissen will. 44 Fragen zum Wahlablauf hat der parteilose Abgeordnete dem Senat gestellt, hier ein paar Auszüge: + Wie viele Sätze Briefwahlunterlagen sind in den einzelnen Berliner Bezirken an welchen Tagen ausgegeben/verschickt worden? + Mit welchem Postdienstleister wurden diese verschickt? + Wie viele Fälle von versandten, aber laut Adressaten nicht angekommenen Briefwahlunterlagen hat es in den jeweiligen Berliner Bezirken gegeben? + Wie viele Wahlbriefe mit Briefwahlunterlagen sind in den einzelnen Berliner Bezirken an den jeweiligen Tagen – noch fristgerecht – und an den Tagen nach der Wahl eingegangen? + Wie viele Fälle einer (vermeintlichen) doppelten Stimmabgabe (also gleichzeitige Brief- und Urnenwahl) hat es in den einzelnen Berliner Bezirken gegeben? + Wie viele Wahllokale sind dem Senat bekannt, die während des Wahltages geschlossen wurden, weil nicht ausreichend Stimmzettel vorhanden waren? + Wie viele Wähler haben nach Schätzung des Senats wegen einer zeitweisen Schließung von Wahllokalen oder der immens langen Wartezeiten (...) nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können? + Wie viele wahlberechtigte Bürger, die wegen Organisationsmängeln nicht bei einer Wahl ihre Stimme abgeben können, erachtet der Senat noch als tolerabel? ... und so weiter und so weiter. Da sich viele der Fragen auf Checkpoint-Beiträge beziehen, ersparen wir Ihnen die Details und dokumentieren hier demnächst die Antworten. Von denen will Luthe abhängig machen, ob er die Wahl formell anficht. Aber auf die muss er natürlich noch ein paar Wochen, klar, warten. Klage einreichen will im Zweifel aber auch der Innensenator selbst, wie er gestern dann doch – knapp zwei Wochen nach dem Gar-nicht-so-super-Wahltag – in einer Pressekonferenz erläuterte. Von „individuellen Fehlern“ vor Ort sprachen sowohl Andreas Geisel als auch der ebenfalls anwesende Regierende Bürgermeister. Die beiden SPD-Politiker schienen sich aber bei der Bewertung der Gesamtlage nicht ganz einig zu sein. Während Müller im Namen des Senats alle Betroffenen um Entschuldigung bat, kündigte Geisel zwar Aufklärung durch eine Expertenkommission an, wand sich aber sichtlich um die eigene Verantwortung – schließlich ist er auch der Einzige der alten SPD-Riege, der in dieser Stadt noch etwas werden möchte (nämlich Innensenator). Jedenfalls sehen sowohl Geisel als auch Müller nach jetzigem Stand („wir betonen das ausdrücklich“) keinen Grund für eine Wiederholung der Wahl (höchstens in einem bis drei Wahlkreisen). Dafür hatte Müller noch eine überraschende Erkenntnis mitgebracht: „Eine Wahl ist insgesamt kein Hexenwerk.“ Na, wunderbar, dann können wir ja weiter vom Zauber einer funktionierenden Stadt träumen. Und Bronze verleihen wir dann doch lieber den vielen freiwilligen Helferinnen und Ehrenamtlern, die am Wahltag unter schwierigsten Bedingungen stundenlang ihr Bestes gegeben haben. | |||
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Silber wollten wir eigentlich dem Bundesrat verleihen, der gestern endlich die Erhöhung der Bußgelder im Verkehr beschlossen hat. Wir erinnern uns: Weil Bundesverkehrsminister Andi Scheuer (CSU) sich verfahren hatte (offiziell: Verfahrensfehler) wurde die Erhöhung monatelang nicht vollzogen. Zwar ist in der Überarbeitung merkwürdigerweise der Schnellfahrparagraf entschärft worden, dafür kostet jetzt immerhin Parken im Halteverbot 55 statt bisher 15 Euro, Feuerwehrzufahrt zuparken 100 Euro und Blockieren des Geh- oder Radwegs 110 Euro. Und ja: Das gilt auch für Schutzstreifen und zweite Reihe. Wäre ich ein Bußgeldkatalog, ich hätte heute auf dem dreiminütigen Weg zur Kita mindestens 485 Euro verdient (1 Zufahrt, 3 Mal Halteverbot, 2 Mal Gehweg). Müsste dann nur auch mal jemand kontrollieren. Deswegen bekommen die Silbermedaille lieber diese Kinder, die sich mit dem neuen Poller am Lausitzer Platz hochfahren lassen und sich freuen wie Poller. (Ton an!) Gold Für die Goldmedaille gab es in dieser Woche so viele Bewerberinnen, dass sich die Pressestatements der Jury um mehrere Stunden verzögerten. Heiße Kandidatin war Ute Bonde, Leiterin der BVG-Rechtsabteilung, die all die Querelen um ihre Person (neueste Wendung hier) stoisch erträgt und einfach weiter ihren Job macht. Oben auf der Liste für Gold war auch die Bildungsverwaltung, auf deren Anregung hin die Kultusministerkonferenz gestern Gebärdensprache als reguläres Schulfach zugelassen hat. Ein kleiner Schritt für die KMK, ein großer für jene, die darauf angewiesen sind. Den Titel bekommt heute aber Hertha BSC (die sollen schließlich auch mal was gewinnen). Der Verein lässt seine ungeimpften Spieler in Zukunft die Corona-Tests selbst zahlen (Q: BZ). Die rund 1600 Euro im Monat werden den Profis zwar nichts ausmachen, aber Symbole haben bekanntlich auch ihren Wert: im Fußball wie in der Politik. Blech Nicht ganz so smart agiert die Bildungsverwaltung in Sachen Corona-Politik und zeigt einmal mehr: Gold und Blech sind oft nur zwei Seiten einer Medaille. „Für Berliner Kinder und Jugendliche gilt der Schülerausweis in den ab Montag beginnenden Herbstferien als Nachweis für einen Corona-Test“, teilte die Bildungsverwaltung in dieser Woche mit. „Damit können über Zwölfjährige etwa Veranstaltungen besuchen.“ Weil Schülerinnen und Schüler bekanntlich zwei Mal pro Woche in der Schule getestet werden, ergibt das durchaus Sinn – es sei denn, es sind Ferien. | |||
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