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Liebe/r Leser/in,

ja, es klingt verrückt: Deutschland benötigt Hunderttausende neue Wohnungen pro Jahr, Millionen Altbauwohnungen müssten energetisch saniert werden, und bei Schienen sowie Straßen bzw. Brücken gibt es auch jede Menge zu tun – doch die Bauindustrie verzeichnet einen massiven Einbruch bei den Auftragseingängen, Firmen und Handwerker der Branche plagen Existenzsorgen.

Die Gründe für diese disparate Entwicklung liegen in Frankfurt und Moskau: Die Europäische Zentralbank (EZB) bekämpft die Inflation mit höheren Zinsen, und der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Preise für Energie sowie für viele Bau­materialien drastisch verteuert. 2022 schossen die Baupreise für Wohngebäude um 16,4 Prozent nach oben – ein Rekordwert seit 1958! Und die monatlichen Kosten für Immobilienkredite haben sich annähernd verdoppelt.

Wohin das führt, hat der Wohnungsbaukonzern Vonovia jüngst vorgerechnet: Bei einem Preis von 5000 Euro für einen Quadratmeter Neubauwohnung müsse man eine Kaltmiete von 20 Euro verlangen. Solche Mietpreise aber seien in weiten Teilen Deutschlands illusorisch. Die Konsequenz: Marktführer Vonovia hat alle für 2023 geplanten Neubauvorhaben abgesagt. Und nach Erkenntnissen des Gesamtverbands der deutschen Wohnungswirtschaft (GdW) wird jede dritte für dieses und nächstes Jahr geplante Neubauwohnung nicht gebaut. Die Beratung Barkow Consulting, die sich auf Zahlen der EZB und der Bundesbank stützt, hat jetzt ermittelt, dass die Nachfrage nach Immobiliendarlehen durch Privathaushalte und Selbstständige im Dezember im Vergleich zum Vorjahresmonat um satte 43 Prozent eingebrochen ist – der vierte Negativrekord in Folge.

Der deutsche Wohnungsmarkt steuert erkennbar auf eine Katastrophe zu: Schon jetzt fehlen 700.000 Wohnungen, durch die Flüchtlinge nur aus der Ukraine werden zusätzlich mehr als eine halbe Million Haushalte auf den Wohnungsmarkt drängen. In diesen Zahlen sind die mehr als 200.000 Flüchtlinge u. a. aus Syrien und Afghanistan, die 2022 Asyl in Deutschland beantragt haben, noch gar nicht enthalten.

Gleichzeitig verfehlt die Regierung ihr Ziel von 400.000 neuen Wohnungen nicht nur in diesem Jahr in sechsstelliger Höhe. Menschen und Familien mit geringem Einkommen wird der Wohnungs­mangel am härtesten treffen, denn an Sozialwohnungen mangelt es am meisten. Und um die wenigen Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten konkurrieren die Einkommensschwachen mit der stetig steigenden Zahl von Flüchtlingen, die dauerhaft bei uns bleiben. Nicht wenige befürchten, dass daraus ein erheblicher sozialer Sprengstoff entstehen kann.

Mich erinnert die Situation fatal an die verkorkste Energiewende, die uns nach all den Jahren politischer Interventionen unter Einsatz von gut einer Billion Euro Steuergeld Spitzen-Energiepreise beschert hat; bei künftiger stetiger Verfehlung der Klimaziele. Der Wohnungsbau ist, wie dargelegt, hierzulande für private und häufig sogar für öffentliche Auftraggeber zu teuer geworden. Es werden viel zu wenige Wohnungen gebaut, wie eben auch immer noch zu wenige Windräder entstehen. Und die Klimaziele des Wohnungsbaus sind so unerreichbar wie derzeit die Ausbauziele der erneuerbaren Energien.

In dieser Situation reicht es nicht, die Verlängerung der Mietpreisbremse zu betreiben und die Koppelung von Mieten an die Inflation (Indexmiete) infrage zu stellen. Olaf Scholz hat im Wahlkampf offensiv mit seinen Erfolgen beim Hamburger Wohnungsbau geworben, bezahlbares Wohnen als DIE soziale Frage der Gegenwart bezeichnet und nach der Bundestagswahl das Wohnungsbauministerium wiederbelebt, das Gerhard Schröder abgeschafft hatte. Ministerin wurde seine Vertraute Klara Geywitz, mit der zusammen er einst die SPD-Führung erobern wollte. Das sich abzeichnende Scheitern der Ampel in der Wohnungsbaupolitik wäre daher ein ganz persönliches Scheitern des Bundeskanzlers, der sich zudem auch in der Flüchtlingspolitik wegduckt.

Der bislang eher hilflos wirkenden Bauministerin kann man nur den Rat geben, sich von Klimaminister Robert Habeck in­spirieren zu lassen. Denn bei allen Parallelen im Negativen hält die Energiepolitik neuerdings auch Hinweise für einen Ausweg aus der Misere für den Wohnungsbau bereit. In seiner Verzweiflung über den lahmenden Ausbau der Windenergie brachte Habeck nämlich jüngst die Umsetzung einer EU-Notfallverordnung durchs Kabinett, die es ermöglichen soll, für den Bau von Windkrafträdern künftig in vielen Fällen auf Umweltverträglichkeitsprüfungen und artenschutzrechtliche Prüfungen zu verzichten. Genau darauf käme es im Wohnungsbau auch an: weniger staatliche Gängelung, weniger Bürokratie. Den Mut von Habeck, sich mit den entsprechenden Lobbyisten anzulegen, müssten Geywitz und Scholz freilich aufbringen.

Dass Deutschland auch schnell kann, gehört zu den Lieblingserzählungen des Kanzlers. Olaf Scholz verweist dann gerne auf die neuen Flüssiggasterminals an der Küste. Mir gefällt die neue Giga-Factory von Tesla in Brandenburg als Beispiel noch besser, denn da ging es um den Bau einer handfesten Fabrik und nicht um schwimmende Terminals. In Grünheide bei Berlin hat es vom Baubeginn Anfang 2020 bis zur Auslieferung der ersten Autos sensationelle zwei Jahre gedauert.

Scholz und Geywitz leben beide in Potsdam. Sie könnten sich also ohne großen Aufwand vom brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke und seinem Wirtschaftsminister Jörg Steinbach – beide SPD-Mitglieder übrigens – erläutern lassen, wie „Deutschland-Tempo“ bei großen Bauvorhaben geht. Für die Behebung der Wohnungsnot wäre das wichtiger als staatliche Investitionsprogramme, Mietpreisbremsen oder eine Teilverstaatlichung von Konzernen wie Vonovia zusammengenommen.

Herzlich Ihr

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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