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Liebe/r Leser/in,

nicht selten werden in Berlin Fragen gestellt, deren Antworten ziemlich egal sind. Weil
man ihnen nicht trauen kann. Weil es eher um den Gedanken der Fragenden als um die Antwort der Befragten geht.

Wieso fällt Ihnen, Herr Graichen, Staatssekretär in Habecks Haus, erst nach Recherchen von Journalisten ein, dass der auch von Ihnen ausgewählte neue Chef der Deutschen Energie-Agentur Ihr Trauzeuge und damit Ihre enge private Beziehung „aktenkundig“ ist?

Und haben Sie, lieber Herr Wissing, Verkehrsminister mit vielen Baustellen, einfach übersehen, dass in Ihrem Ministerium laut Medienberichten 18 Posten hübsch freihändig, also ohne vorgesehene Ausschreibung vergeben wurden?

Und hätten Sie, Herr Bundeskanzler, nicht viel lieber Barack Obama zum transatlantischen Gegenüber oder – besser noch! – seine kluge Frau Michelle als den 80-jährigen Joe Biden, bei dessen letzter Kandidatur man sich schon Hoffnung auf die Amtsübernahme seiner Vizepräsidentin Kamala Harris machte?

Was auch immer die Damen und Herren antworteten – es wäre nicht wichtig, denn es wäre nicht wahr. Könnte ja nicht. In Pressestellen gilt: Man darf nicht lügen, doch die Differenz zwischen Lüge und Wahrheit, dieses Gebiet des Ungefähren, nennt man „politische Kommunikation“.

Zu dieser Art Fragen zählt auch jene, die derzeit wieder gern in Berlin diskutiert wird: Will’s der bayerische Ministerpräsident Markus Söder im Bund noch mal wissen? Zugegeben, eine alte Frage, doch fünf Monate vor der bayerischen Landtagswahl, bei der es um nicht weniger als die absolute Mehrheit für die CSU gehen wird, spürt man den anschwellenden Geltungsdrang aus dem Süden bei jedem politischen Zwist. Von Atomkraft über Heizkessel bis Zuwanderung. An diesem Wochenende nun trifft sich die CSU in Nürnberg zum Parteitag. Man wird die Krüge heben und feiern, die Kraft des Landes, der Partei und ihres Gebieters. Wenn der zu seinen Berlin-Ambitionen befragt wird, erklärt er: „Mein Platz ist in Bayern.“ Dazu streicht er sich dann die Krawatte glatt. Aber – glauben wir ihm? Passt Zurückhaltung zu diesem Mann? Und – könnte er überhaupt eine andere Antwort geben als diese?

Auch diesen Gedanken geht Felix Heck in seinem Stück „Der Söder und sein General“ ab Seite 30 nach. In den Reihen der CDU jedenfalls trauen sie dem Bayern alles zu. „Der lacht, dreht sich um und verrät dich“, heißt es. Oder auch: „Der will alles. Immer!“ Und tatsächlich gibt es weiterhin keinen deutschen Politiker, der so raumgreifend und selbstbewusst seinen Machtanspruch postuliert wie Markus Söder. Wenn spekuliert wird, dass sich der nette Herr Günther oder der schicke Herr Wüst in den Kampf ums Kanzleramt werfen könnten, möchte man rufen: Stopp! Welpenschutz! Fragt Armin Laschet! Doch zum Glück steht da ja ohnehin erst einmal ein anderes kampferprobtes Alphatier bereit. Friedrich Merz. In dieser Woche betonte Markus Söder wieder einmal, wie vertrauensvoll man zusammenarbeite. Nun ja. Bis Oktober bestimmt.

Wir werden weiter Fragen stellen. Und die Antworten auf Wahrheitsgehalt prüfen.

Herzlich Ihre

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Franziska Reich,
Chefredakteurin FOCUS-Magazin

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