Michael Bauchmüller über eine verrückte Woche - und einen Lichtblick beim Bundespräsidenten
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7. Juli 2023
Klimafreitag
Alles zu Klimakrise und Umweltschutz
Michael Bauchmüller
Parlamentsredaktion Berlin
SZ Mail
Guten Tag,

Zu den Besonderheiten meines Berufs zählt es, dass man sich gelegentlich in Räumlichkeiten wiederfindet, die den meisten nur aus dem Fernsehen geläufig sind. Diesen Freitag, zum Ende einer verrückten Woche, fand ich mich im Schloss Bellevue wieder, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier hatte zum „Forum Bellevue“ eingeladen, ein überschaubarer Kreis sollte dort darüber diskutieren, wie eigentlich Klimaneutralität bis 2045 gelingen kann. Das war, nach allem Heizungs-Heckmeck der vergangenen Tage, Wochen und Monate, mal wieder ein Licht am Ende des Tunnels.

Annekathrin Hoppe zum Beispiel war da, die Bürgermeisterin von Schwedt. Das ist jene brandenburgische Stadt an der Oder, deren Raffinerie bis letztes Jahr noch mit russischem Öl lief – und wo die halbe Stadt plötzlich in Zukunftsängste verfiel, weil dieses Geschäftsmodell wegbrach. Die Raffinerie läuft immer noch, jetzt mit anderem Öl – aber all die Ängste aufzunehmen, zu transportieren, das habe sie eine Menge Gespräche gekostet, berichtet Hoppe. Nicht nur mit den Arbeitern, sondern auch mit Rentnerinnen und Rentnern, deren Heizung mit der Abwärme der Raffinerie liefen. Oder mit Einzelhändlern in der Innenstadt, die plötzlich um ihre Kundschaft bangen mussten.

Ihre Schilderungen wirken auf mich wie ein Spiegel der vergangenen Monate. Mit einem einzelnen Gesetz, dem zur Zukunft der deutschen Heizungen, war die leibhaftige Klimapolitik in die Häuser der Menschen vorgedrungen. Der Abschied von fossiler Energie war nicht mehr abstrakt, sondern ganz konkret; eine Anstrengung, die sich teils in Euro und Cent beziffern ließ, teils in diffusen Ängsten mündete. Und letztlich in Abwehr.

Zwischen abstrakten Bekenntnissen und konkretem Handeln, das ist in den vergangenen Monaten noch einmal klar geworden, können Lichtjahre liegen. Überbrücken lässt sich diese Kluft nur mit einer sauberen Herleitung, mit Geduld und – vor allem – mit Gesprächen. Ängste entstehen aus Ungewissheit. Auch der Klimaökonom Ottmar Edenhofer war zu Gast beim Bundespräsidenten, er sagt: „Wir hätten erst über den sozialen Ausgleich reden sollen“ – mit der Betonung nicht nur auf Ausgleich, sondern auch auf reden.

Das Gefühl, dass die Gefahren der Klimakrise mittlerweile allgemein verstanden sind, verleitet leicht zu dem Eindruck, die Antworten auf diese Krise seien es auch. Dieser Eindruck, das hat dieses Frühjahr gezeigt, täuscht. Der klimafreundliche Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft braucht permanent neue Legitimation. Und die findet nur, wer über Ängste nicht hinweggeht, sondern sie aufnimmt.

Insofern ist auch das Ende dieser Woche folgerichtig: der Einspruch des Bundesverfassungsgerichts. Mit der Folge, dass über das Heizungsgesetz nun nicht auf den letzten Drücker, sondern erst nach der Sommerpause entschieden wird. Unabhängig davon, wer innerhalb der Koalition den Zeitverzug zu verschulden hat (und unschuldig war gewiss nicht die FDP): Auf einem Gesetz, dessen Entstehung so viele Menschen mit Misstrauen begleitet haben, das aber zugleich in einem Affenzahn die letzten Hürden nehmen sollte, hätte kein Segen liegen können. Die Sommerpause lässt jetzt zumindest Zeit, noch einmal tief durchzuschnaufen.

Danach aber muss das Gespräch weitergehen, denn jenseits der Heizungen lauern noch jede Menge anderer Baustellen. „Wir leben in so etwas wie einer Schwellenzeit“, hat Frank-Walter Steinmeier in Bellevue gesagt. An der Schwelle zu etwas Neuem aber haben immer die einen Angst, die anderen Neugier oder Hoffnung. Oft überwiegt die Angst. „Wir müssen in dieser Gesellschaft“, sagt Steinmeier, „wieder etwas wie Faszination für Zukunft wecken.“ Recht hat er. Doch gelingen kann das nur, wenn man über die Wege in diese Zukunft redet, ehe man sie absteckt. Wenn man im Gespräch bleibt.

Warum die Streitereien um das Heizungsgesetz da leider nicht gerade in die richtige Richtung weisen, hat meine Kollegin Henrike Roßbach hier erklärt (SZ Plus). Ihre Empfehlung: etwas mehr Gelassenheit – und das Anderssein und Andersdenken ernsthaft respektieren.

In diesem Sinne: auf eine gute Zukunft.
Michael Bauchmüller
Parlamentsredaktion Berlin
SZ Mail
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