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Liebe/r Leser/in,

die Verständigung der EU-Energieminister diese Woche auf einen Gas-Notfallplan für den Winter ist allgemein als Erfolg und als Bestätigung der Handlungsfähigkeit Europas bewertet worden. Unser zuständiger Minister Robert Habeck sprach von einem „starken Zeichen gegen alle Spötter und gegen alle Verächter“ der EU. Zu denen zählt ohne jeden Zweifel der russische Präsident Wladimir Putin. Große Zweifel habe ich allerdings, dass der Kriegstreiber im Kreml vom Brüsseler Signal der Stärke sonderlich beeindruckt ist. Denn dafür enthält der Plan zu viele Ausnahmeregeln und Aufweichungen – ein typischer Brüsseler Kompromiss eben, dessen größter Erfolg darin besteht, ein Scheitern der EU verhindert zu haben. Ohnehin passen für mich die Begriffe „Erfolg“ und „Notfall“ nicht wirklich zusammen. Denn wenn ein Notfall eingetreten ist, hat man eher keinen Erfolg gehabt, zum Beispiel bei der Sicherung ausreichender Energielieferungen für das eigene Land. Konkret geht es darum, dass die EU-Staaten national und freiwillig 15 Prozent beim Gasverbrauch einsparen. Für Deutschland peilt Habeck sogar 20 Prozent an. Da Erdgas in Deutschland nicht nur zum Heizen, sondern auch als Rohstoff, etwa bei der Herstellung chemischer Produkte, aber ebenso von Milch, zum Einsatz kommt, bedeutet weniger Gas zwingend weniger Wachstum. Und auch die von der Europäischen Zentralbank eingeleitete Verteuerung des Geldes (Stichwort Zinswende) kostet wirtschaftliches Wachstum.

Weniger Gas, höhere Zinsen und höhere Energiepreise bedeuten für die Bürger der viertgrößten Industrienation der Welt: WENIGER WOHLSTAND! Es geht also um mehr als um dickere Pullover und Socken ab Herbst oder etwas kühleres Badewasser. Und deshalb finde ich es irritierend, mit welcher Inbrunst uns immer neue Energiesparvorschläge gemacht werden und wie wenig von Bemühungen zu hören ist, Ersatz für die zu befürchtenden Ausfälle beim Erdgas aus Russland zu beschaffen. Deutschlands größter Öl- und Gasproduzent Wintershall Dea könnte zehn Prozent mehr Gas und Öl hierzulande fördern, wenn die dafür erforderlichen Genehmigungsprozesse entsprechend beschleunigt würden. Oder ein anderes Angebot aus dieser Woche: Frankreich würde, so ein „Handelsblatt“-Bericht, Deutschland über bestehende Pipelines Gas zur Verfügung stellen. Das Problem: In Frankreich wird Gas bereits für den Transport in den Fernleitungen mit Geruchsstoffen versehen, damit man Leckagen bemerkt. In Deutschland geschieht das dezentral im Verteilernetz. In den Fernleitungen ist odoriertes Gas verboten und daher der Import aus Frankreich leider nicht möglich.

Mein Vorschlag: Minister Habeck nimmt zeitnah Kontakt mit seinem Amtskollegen in Paris auf, um das Genehmigungsproblem zu lösen. Das Gas ist da, die Fernleitung ist da, es braucht nur noch politischen Willen. Und ein runder Tisch mit den Öl- und Gas-Produzenten in Deutschland kann sicher auch nicht schaden. Möglicherweise findet das alles bereits statt, aber man erfährt nichts darüber. Das nährt den Verdacht, dass mancher von den Grünen und in der SPD die Wachstumseinbußen infolge von Energiemangel und -verteuerung schon deshalb nicht als Katastrophe empfindet, weil man so vielleicht doch noch die eigenen Klimaziele einhalten kann (wie in der Corona-Krise). Klimarettung durch Verzicht auf Wirtschaftswachstum – das ist bei Rot-Grünen tief verwurzelt.

Diese Haltung – ich unterstelle sie nicht Bundeskanzler Olaf Scholz und auch nicht Robert Habeck, aber vielen ihrer Parteifreunde und ihren Wählern – ist in der aktuellen Lage brandgefährlich. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht die Weltwirtschaft schon jetzt kurz vor einer Rezession und Deutschland als den größten Verlierer unter den führenden Wirtschaftsnationen. Besser als erwartet schlägt sich ausgerechnet Russland, nicht zuletzt wegen der gestiegenen Preise für Öl und Gas sowie der stabilen Konsumnachfrage der Russen. Die Konsumlaune der Deutschen hat hingegen ein Allzeittief erreicht.

Inflation und Kursverluste an den Börsen zersetzen gerade Ersparnisse, Altersvorsorge und Vermögen der Deutschen, Energiemangel bedroht Wachstum und damit Jobs in Deutschland. Und die überbordenden sozialen Sicherungssysteme belasten den Standort Deutschland zusätzlich und könnten schon bald den Bundeshaushalt sprengen. In der Entrüstung über die Warnung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor „Volksaufständen“ ist ein anderer Teil ihrer Botschaft unverdient untergegangen: Wenn Deutschland kein Gas mehr bekomme, „dann können wir überhaupt gar keine Unterstützung mehr für die Ukraine leisten, weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind“. Das war überspitzt formuliert, wie sie selbst später sagte, enthält aber nach meiner Überzeugung ein nicht ganz kleines Korn Wahrheit: Die deutsche Politik muss nicht zuletzt deutsche Interessen wahren, um anderen helfen zu können. Das wird mir in Berlin und Kiew zu wenig bedacht.

mit vielen Grüßen,

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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