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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Mittwoch, 03.05.2023 | sonnig mit einzelnen Wolken, 4 bis 15°C. | ||
+ Weniger Spargel rund um Berlin + Hochhäuser mit heimischem Holz + Bundesstiftung: DDR war nicht nur eine SED-Diktatur + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, wir stechen heute früh nicht in die See, sondern in die Erde. Und was entdecken wir da in der frostigen Frühlingssonne? Rund um Berlin wird immer weniger Spargel angebaut. Die vielfach mit Folie umwickelten Stängel-Spaliere bei Beelitz haben sich innerhalb von drei Jahren von 2000 auf 1500 Hektar reduziert. Jürgen Jacobs, der Chef des örtlichen Anbauvereins, gibt zu: „Es gibt vor allem eher Jüngere, denen Spargelessen zu aufwendig ist.“ Beliebter wird grüner Spargel, etwa auf dem Grill, im Salat oder in Bowls. Weißer Spargel dagegen hält durchs Schälen, Schnibbeln und Schneiden viel zu sehr auf, glaubt Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder: „Es soll schnell gehen, vielleicht sogar ‚to go‘, und in erster Linie unfallfrei zu essen sein. Auch ohne zu viel Besteck. Da sind ganze Stangen, die man schneiden muss, unpraktisch. Es passt nicht dazu, dass man beim Essen mit dem Handy spielt.“ Bitte legen Sie also beim weiteren Lesen dieses Checkpoints das Messer aus der Hand. Berlin lässt sich sowieso am besten auslöffeln. | |||
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Kaum hat die kurze Arbeitswoche angefangen, ist schon ihre Mitte erreicht. Ist vier bald das neue fünf? Nicht für Berlins neuen Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der durch seine neue Sieben-Tage-Woche sprintet – gestern leitete er bereits die dritte Senatssitzung in vier Tagen. Dazwischen lag noch der frühere Krawallfeiertag 1. Mai, der diesmal bei viel Weg- und Stehrumbier nahezu friedlich verlief, was Wegner bei seiner ersten Senatspressekonferenz als „ausgezeichnet“ bezeichnete. Die alte und neue Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erkannte ihre Stadt kaum wieder und rief erstaunt: „Berlin kann nicht nur Wahlen, Berlin kann auch den 1. Mai.“ Bei einer eher rüden Räumung der Oranienstraße oder der beengten Ballung von Menschen vorm Demo-Ende am Kottbusser Tor kann die Polizei allerdings noch hinzulernen. Und Berlins Politik hat Nachholbedarf, was die Ausstattung der Wachen und Wehren betrifft. „In einem Keller habe ich mir die Duschen der Einsatzkräfte angesehen und habe mich geschämt“, räumte Spranger ein. Berlin bleibt also doch Berlin. Zumindest an vier von fünf Tagen. | |||
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Berlin soll nicht mehr nur auf märkischem Sand gebaut sein, sondern auch auf brandenburgischem Holz. Deshalb wird die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge nun 20 Hochhäuser mit 15 bis 19 Stockwerken errichten, in denen viel heimisches Holz verbaut wird. „Holz in Außenwänden dämmt die Wärme. Beton wird aber für Hochhäuser noch für Statik und Brandschutz gebraucht“, sagt Architekturforscher Eike Roswag-Klinge von der Technischen Universität am Checkpoint-Telefon. Bisher werden nur fünf bis sieben Prozent der Geschossbauten in Deutschland mit Holz gebaut, noch seien die Investitionskosten höher als bei Beton. Andererseits erzeugt Zement hohe Emissionen, schädigt so weltweit das Klima. Zwar kann der Baustoff gut Schall dämmen und Wärme speichern - bei längeren Hitzephasen entlädt sich diese aber nicht. Global und auch rund um Berlin geht zudem langsam der Bausand aus, führt Roswag-Klinge aus: „Wir müssen uns den Beton für Straßen und Brücken aufsparen und Holz nutzen für den Wohnungsbau.“ Innovative Holzbau-Projekte in der gesamten Stadt finden sich im Berliner Holzbauatlas, auch der ehemalige Flughafen Tegel wird nachhaltig neu gezimmert. Berlin klopft auf Holz. Zumal der märkische Sand langsam verrinnt. | |||
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Auf welcher Grundlage leben wir? In Berlin auf einer sehr historischen. Viele Institutionen kümmern sich hier um die Bewertung der Geschichte für unsere heutige Zeit. Eine wichtige feiert nun ihren 25. Geburtstag: die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Seit der Gründung 1998 förderte sie 4000 Projekte mit insgesamt 32 Millionen Euro – um die DDR-Geschichte besser zu begreifen und für Jüngere greifbarer zu machen. Aber wie sollte man die DDR heute begrifflich greifen? Anna Kaminsky, Direktorin der Stiftung, will dazu eine neue Debatte anstoßen und sich von der bisher geläufigen Bezeichnung SED-Diktatur lösen. „Der Begriff reduziert die kommunistische Herrschaft in Ostdeutschland auf die SED und löst sie aus der Geschichte des Kommunismus. Die DDR war immer Teil des kommunistischen Weltsystems und des sowjetischen Herrschaftsbereichs“, sagt Kaminsky im Checkpoint-Gespräch. In Polen oder Tschechien sei der Begriff „kommunistische Diktatur“ selbstverständlich. Spannend an dieser neuen Debatte um die DDR ist, dass sie bei der Gründung der Stiftung noch ganz anders lief: Ende der Neunzigerjahre war trotz des Wissens um die Mauer und die Geheimpolizei Stasi nicht mal überall Konsens, dass die DDR eine Diktatur gewesen sei. „Es war die Zeit der DDR-Nostalgie, als vor dem Hintergrund der Belastungen und Traumatisierungen, die die Transformation mit sich brachte, der Diktaturaspekt hinter der schönen Erinnerung an ein eben auch gutes Leben zurücktrat“, erinnert sich Kaminsky. Bis heute wird in Ostdeutschland allzu gerne der Westen als Schuldiger der hastigen Einheit begriffen, wie der aktuelle Bestseller von Dirk Oschmann „Der Osten – eine westdeutsche Erfindung“ zeigt. Kaminsky sagt dazu: „In den aktuellen Debatten bekommt man zuweilen den Eindruck, der Westen habe den Osten kaputt gemacht und die ‚blühenden Landschaften‘ zerstört. Dass das Erbe der kommunistischen Herrschaften überall eine zerrüttete Wirtschaft, zerstörte Umwelt und verfallende Städte waren – von den seelischen und geistigen Schäden gar nicht zu reden – wird dabei vergessen.“ Die Sicht auf die europäische Diktaturgeschichte unterliegt ständigen Veränderungen, gerade durch den postsowjetischen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Spannend, dass nun das Hinterfragen der DDR als SED-Diktatur von einer Institution ausgeht, die selbst diesen Titel im Namen trägt. Sollte sich also die Bundesstiftung mit Sitz in Mitte umbenennen? „Das wäre natürlich sinnvoll, liegt aber nicht in unserer Hand“, sagt Kaminsky. „Dafür müsste der Bundestag, der uns gegründet hat, einen entsprechenden Beschluss fassen.“ Selbst im Rückblick auf die eigene Geschichte kann man Neues entdecken. Besonders in Berlin. | |||
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Diese ganz gegenwärtigen Geschichten lesen Sie heute bei Tagesspiegel Plus: Liebe in Grenzen: Markus und Rebekka wollten eines dieser Paare sein, das sich selbst nicht einengt. Bis beide merken, dass sie genau das brauchen – und ihre offene Beziehung beenden. Die aktuelle Liebeskolumne „Ins Herz“, diesmal von Julius Heinrichs Arbeit in Grenzen: Eine Vier-Tage-Woche erhöht die Attraktivität vieler Berufe. Die Beschäftigten arbeiten motivierter, produktiver und gesünder. So weit, so schön. Und wer macht die ganze Arbeit? Ein Kommentar zur aktuellen Debatte von Alfons Frese Bio in Grenzen: Mario Federicos Mutter betrieb eine Trattoria, er ist heute Chef von McDonald’s Deutschland. Der 59-Jährige spricht über veganes Fast Food, seine liebsten Burger – und was wirklich in Chicken Nuggets steckt. Ein Interview von Heike Jahberg | |||
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