Liebe Leserin, Lieber Leser,
ist Donald Trump irre oder cleverer, als wir denken? Entschuldigen Sie meine saloppe Ausdrucksweise, aber so ist das mit spontanen Gedanken. Sie sind nicht immer nobelpreisverdächtig. Um Ihnen zumindest eine seriöse Antwort liefern zu können, habe ich gestern einen Experten angerufen: Moritz Schularick, renommierter Ökonom und Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft.
Also, Herr Professor: irre oder clever? Immerhin drohte Trump ja zunächst, am 1. Juni Strafzölle von 50 Prozent auf alle europäischen Produkte zu starten. Heute Nacht dann der Rückzieher. Er habe mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen telefoniert – super Gespräch. Man lasse sich jetzt einen Monat länger Zeit. Bis 9. Juli.
Das mit den Zöllen bleibt bei Trump eine eher erratische Sache. Das Muster ist, dass man sich auf ihn nicht verlassen kann. Nachdem er gegen China zuerst 145 Prozent Einfuhrgebühren verhängt hatte (und Peking mit 125 Prozent antwortete), einigten sich die beiden größten Wirtschaftsmächte der Erde flugs auf 30. Zumindest für die nächsten 90 Tage. Können Sie noch folgen?
Uns Europäern misstraut er eh. Weil wir mit seinem Land bisher viel mehr verdienen als seines mit uns, was stimmt (das Handelsdefizit lag 2024 bei 235 Milliarden US-Dollar). Auch weil wir angeblich eine total unfaire Mehrwertsteuer haben, was nicht stimmt. Denn die zahlen ja nicht nur US-Firmen, sondern auch noch die letzten hiesigen Imbissbudenbesitzer. Also: Irre oder clever? „Schlauer, als wir alle denken, ist er jedenfalls nicht“, sagte mir Herr Schularick.
Trumps Strategie sei, „anderen Ländern Angst zu machen und die unbestreitbare Stärke der USA auszunutzen für ‚Deals‘, die er für sinnvoll hält. Genialität sehe ich da keine“, so der IfW-Kiel-Chef kühl. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Denn die beiden wichtigsten Verbündeten von Trump sind zugleich seine größten Risiken: die US-Wähler und die Finanzmärkte. |