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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 19.10.2023 | Morgens leichter Regen, tagsüber bedeckt bei frischen 7°C. | ||
+ Pro-Palästina-Demos in Berlin eskalieren erneut + Der Deal mit Boateng: Sprangers Sohn in der Innenverwaltung + Was kostet die Wahl? + |
von Anke Myrrhe und Lotte Buschenhagen |
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Guten Morgen, „es darf in der deutschen Hauptstadt nie wieder passieren, dass Jüdinnen und Juden wieder in Angst leben. Wir werden mit aller Härte und Konsequenz gegen den Antisemitismus und Volksverhetzung auf unseren Straßen vorgehen“, sagte der Regierende Bürgermeister am Dienstagabend bei Markus Lanz. Gleichzeitig stand eine Hundertschaft der Polizei vorm Holocaust-Mahnmal. Auch am Mittwochabend war das so: Behelmte Polizisten bewachten das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Es ist ein Bild, das diese Stadt so schnell nicht vergessen wird. Die für das Mahnmal zuständige Stiftung geht derzeit von einem ausreichenden Schutz aus. Ob das auch für die jüdischen Menschen in dieser Stadt gilt, ist so unsicher wie lange nicht mehr. Und die Polizei bereitet sich darauf vor, dass die Ausschreitungen noch lange so weitergehen könnten. Pro-palästinensische Demonstrationen eskalierten auch in dieser Nacht wieder. Steine und Flaschen werden auf Polizisten geworfen, Feuerwerk willkürlich über die Straße geschossen, Müllcontainer angezündet. Es handele sich dabei, um einen „Mix aus justizerfahrenen Islamisten, gewaltgeneigten Jugendlichen und immer noch zahlreichen, zumeist verständnisvollen Vertretern aus der Zivilgesellschaft“, sagte ein erfahrener Beamter. Die Sicherheitsmaßnahmen an Orten des jüdischen Lebens wurden noch einmal verstärkt, Hilfe aus anderen Bundesländern wird geprüft, die Bundespolizei ist bereits im Einsatz. In den Sicherheitsbehörden wächst die Angst vor einer Lage, die auf Dauer nicht mehr zu bewältigen ist. Auf die Synagoge in der Brunnenstraße wurden in der Nacht zu Mittwoch Molotowcocktails geworfen. Als Kai Wegner am Nachmittag dort eintrifft, hört er vereinzelte „Free Palestine“-Rufe aus vorbeifahrenden Autos. „Wir werden alles daran setzen, um das jüdische Leben in der Stadt zu schützen“, sagte Wegner. „Das haben wir uns sehr fest vorgenommen.“ Eine Formulierung, aus der man auch Verunsicherung heraushören kann: Hat die Polizei die Lage wirklich im Griff? Kann man dieses Versprechen überhaupt einhalten? „Juden und Jüdinnen in unserer Stadt fühlen sich trotz allem nicht mehr sicher“, sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe. „85 Jahre nach der Reichspogromnacht sollen in Deutschlands Hauptstadt Synagogen wieder brennen. Hier liegt es nun auch an der Zivilgesellschaft, sich mit der jüdischen Gemeinschaft zu solidarisieren.“ Doch wo bleibt sie, die große Gegenprotestwelle der Zivilgesellschaft? Passiert die Solidarisierung dieser Tage aus Angst im Stillen, im Herzen – oder gibt es sie vielleicht gar nicht? Es ist unerträglich. | |||
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Die Solidarisierung im Abgeordnetenhaus jedenfalls, wo Wegner heute eine Regierungserklärung abgeben will, läuft derweil nicht ganz so gut. Grüne und Linke hätten gern gemeinsam mit allen demokratischen Parteien eine Resolution gegen Antisemitismus und für Israel verabschiedet – doch das scheiterte offenbar daran, dass die CDU nicht gemeinsam mit der Linken stimmen will. Zumindest stellen das die Grünen so dar. „Die Fraktion findet es sehr bedauerlich, weil wir ein gemeinsames Signal der demokratischen Parteien gegen Antisemitismus in diesen Tagen wichtig gefunden hätten“, sagte Fraktionssprecher Sebastian Brux dem Checkpoint am Abend.Linken-Fraktionschef Carsten Schatz ergänzt: „Wenn die CDU nicht will, dass wir die Resolution mittragen, bringen wir sie trotzdem wortgleich ein, um in dieser Sache ein Zeichen zu setzen.“ Und die CDU? Sieht gar kein Problem: „Wir als Koalitionsfraktionen bringen gemeinsam eine Resolution ein. Ob andere Fraktionen Anträge einbringen, weiß ich nicht“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner. „Aber ich würde mich freuen, wenn die anderen Fraktionen sich uns anschließen würden.“ Ergebnis: Es gibt heute zwei wortgleiche Resolutionen. Und statt der großen Geste verstrickt sich Berlin mal wieder im peinlichen Kleinklein. | |||
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Wie heißt es so schön im Sport: Dabeisein ist alles. Mittendrin statt nur dabei ist derzeit Iris Spranger, Sportsenatorin und bestens vernetzt in der Berliner SPD. Zuletzt aufgefallen durch den plötzlichen Rauswurf ihrer Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini – die Entlassung wurde am Dienstag offiziell vollzogen, ihre Nachfolgerin Franziska Becker 15 Minuten später offiziell verkündet. Dass Spranger beim Verfahren mindestens schlechten Stil gezeigt hat, darauf deuten folgende Vorgänge hin, die dem Checkpoint am Mittwoch berichtet wurden: Spranger soll am Tag der Entlassung Böcker-Gianninis eigenhändig (zusammen mit einem Mitarbeiter) Ordner aus dem Büro der Staatssekretärin geholt und in einem Safe gesichert haben, und … … nicht weniger als vier Stunden nach dem Entlassungsbeschluss des Senats am Dienstag fuhr ein Referatsleiter ohne vorherige Anmeldung zur Privatadresse von Böcker-Giannini, klingelte (immerhin peinlich berührt), und überreichte der nun Ex-Staatssekretärin die Entlassungsurkunde an der Türschwelle. Die Behörde teilte gestern mit, man habe „schnellstmöglich Rechtsklarheit für Frau Dr. Böcker-Giannini“ schaffen wollen. Stil, stilvoll, SPD. Aber die Olympiade der Peinlichkeiten geht noch weiter: In Reinickendorf wird die SPD bekanntlich regiert vom Ehemann der Senatorin, Jörg Stroedter (Geschäftsführender Kreisvorstand), der in der Innenverwaltung ein- und ausfährt, seit seine Frau dort Chefin ist. Seine Beisitzerin in Reinickendorf ist eben jene Böcker-Giannini, die nun ihren Job als Staatssekretärin los ist. Doch auch in Reinickendorf begeistert das nicht alle: Der Ortsverein Heiligensee-Konradshöhe-Tegelort (sic!), ehemals Stroedters Abteilung, hat nun per Mehrheitsbeschluss die Art und Weise der Entlassung missbilligt, wörtlich: „Es ist ein politischer Schaden für die Reinickendorfer und die Berliner SPD entstanden.“ Dem Vernehmen nach war Stroedter bei der Abstimmung sogar anwesend, konnte den Beschluss aber nicht verhindern. | |||
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Sportlich geht es weiter, denn das ist nicht die einzige familiäre Angelegenheit, die Spranger gern in der Senatsverwaltung klärt. Auch ihr Sohn Eric Spranger kommt gern mal in der Klosterstraße vorbei, zum Beispiel mit Kevin-Prince Boateng. Der ist Ende 2022 offiziell zum Botschafter der EM 2024 in Berlin ernannt worden, bei der Vertragsunterzeichnung in der Innenverwaltung war (angeblich auf Einladung von Boatengs Berater) auch Eric Spranger dabei. Der ist einer der Chefs von Eric Pepe Invest Creations UG, tätig in den Bereichen Immobilienverwaltung und Sportmanagement. Im Auswahlverfahren mit Zuschlag für Boateng war mindestens am Schluss auch Iris Spranger beteiligt (Zustimmung zur Empfehlung). Eric Spranger hat laut Innenverwaltung nichts mit dem Auswahlprozess zu tun gehabt, er sei lediglich „mit dem Berater von Herrn Boateng seit Jahren freundschaftlich verbunden“. So freundschaftlich, dass die beiden auch gemeinsam zu einer Weihnachtsfeier in die Senatsverwaltung kamen, Boateng mit einem Sack voller Hertha-Devotionalien. Ha-Ho-Ho. Bei so einem freundschaftlichen Verhältnis hilft man einander natürlich gern: Am 1. August hat die Senatorin laut Innenverwaltung eine „Bürgeranfrage“ erhalten, mit der Bitte um Nachmeldung für den Berlin-Marathon. Die Anmeldefrist war da bereits seit neun Monaten verstrichen, keine Chance für Hobby-Läufer, da noch reinzukommen. Es sei denn, man kennt die richtigen Leute: Dass es Nachmeldungen gab, bestätigt der Veranstalter. Nur die Namen behält der SCC aus Datenschutzgründen ebenso wie die Innenverwaltung lieber für sich. Nach Checkpoint-Informationen war einer der beiden auf Sprangers Drängen nachgemeldeten Läufer José Maria Monar Alvarez, Geschäftsführer der Eric Pepe Invest Creations UG von Sprangers Sohn Eric. Zufälle gibt’s… Blick in die Ergebnisliste: Ein José Alvarez kam immerhin mit einer Zeit von 4:33:18 ins Ziel. Aber hey: Dabeisein ist alles. | |||
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