Plus: Warum die Moderatorin Mo Asumang das Gespräch mit Rassisten und Frauenhassern sucht.
szmtagiomb_np
Sollte der Newsletter nicht korrekt angezeigt werden, klicken Sie bitte hier
Illustration: iStock / by Malte Mueller
Guten Tag,

ich habe einen Bekannten, der die Süddeutsche Zeitung Â»Alpen-Prawda« nennt. Er weiß, dass ich dort arbeite.  Die SZ hat mit der russischen Zeitung Prawda natürlich ungefähr so viel Ähnlichkeit wie die BRD mit der UdSSR. Man könnte jetzt auch an Begriffe wie »Gulag« und »Stalinsche Säuberungen« erinnern, oder an den 17. Juni 1953 denken, dann wird aus dem absurden Vergleich eine Unverschämtheit. Andererseits schenkt mir dieser Bekannte oft Gemüsesetzlinge und grüßt immer nett. Wir haben mal darüber diskutiert, ob es den menschengemachten Klimawandel gibt (raten Sie, was seine Position war), aber fanden keinen gemeinsamen Nenner. Inzwischen meide ich alles Politische und wir reden übers Wetter, Autoreparaturen, den besten Hochbeet-Dünger.  

Mein Kollege Thomas Bärnthaler hat einen ähnliche Fall erlebt, aber mit einem sehr engen Freund, »der anscheinend mein politischer Feind geworden ist«, wie Bärnthaler bedauernd schreibt. Anfangs konnte er noch über den Furor des Freundes lachen, als der etwa Robert Habeck und Windräder verteufelte. »Ich kenne seinen Hang zur halb ironischen Provokation. (...)  Er schwimmt gern gegen den Strom und ist von Haus aus misstrauisch, eine Eigenschaft, die ich immer an ihm geschätzt habe. Vielleicht ist es auch ­seine Art, sich ein bisschen interessant zu machen. Langweilig ist es jedenfalls nie mit ihm«, so Bärnthaler. 

Dann wurden die Verschwörungstheorien des Freundes aber immer wilder, abstruser und bedenklicher. »Reden, habe ich bald gemerkt, hilft nur bedingt. Je mehr ich versuchte, seine Thesen zu widerlegen, desto schneller kamen neue Thesen zurück. Je mehr ich an seine Vernunft appellierte, für desto naiver hielt er mich«, schreibt Bärnthaler. Was nun? 

Kann man mit Menschen befreundet sein, deren Weltsicht man nicht teilt?
Zum Artikel
Bärnthaler und sein Freund haben »eine Art Modus Vivendi ge­funden, um das Trennende spielerisch zu umschiffen«. Sie ziehen sich gegenseitig auf, etwa: »Heute noch gar keinen Habeck-Diss von dir bekommen, was ist los?« Das nehme den Konflikten die Emotionalität, hofft Bärnthaler. Es nimmt der Freundschaft aber auch die Tiefe. »Eine gewisse Reserviertheit hat Einzug gehalten, auf beiden Seiten, die es vorher nicht gegeben hatte und die sich wie ein Schatten über eine Freundschaft legen kann.«

Ich vermute, auch Sie kennen solche Fälle im Freundes-, Bekannten- oder Familienkreis. Die Krisen der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass unsere Gesellschaft politisch auseinanderdriftet. Das hohe Gut der Demokratie – im gesamten Spektrum politischer Ansichten streitlustig aber tolerant und kompromissbereit zusammenzuleben – ist gefährdet wie lange nicht mehr.

Warum es sich lohnt, in Kontakt zu bleiben – für den Kopf und für das Herz –, wo aber auch Grenzen der Toleranz sind, und was dann nötig ist, erklärt Thomas Bärnthaler sehr lesenswert.  
 
Ein schönes Wochenende,
Ihr Marc Baumann

PS: Wir verlosen diese Woche übrigens ein schickes Reisegepäck ohne Plastik und Rollen. Also ein typisches Alpen-Prawda-Gewinnspiel, wie mein Bekannter sagen würde.
ANZEIGE
desktop timertrk_px
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Zum Lesen

»Die Menschlichkeit findet manchmal ihren Weg nicht, da muss man nachhelfen«
Mo Asumang wurde mit der Erotik-Sendung »Liebe Sünde« bekannt – und zu einer der ersten ­afro-deutschen Frauen im Fernsehen. Heute sucht sie für eine TV-Show das Gespräch mit Rassisten und Frauenhassern. Ein Gespräch über Sex, Einsamkeit und ihre Oma, die bei der Waffen-SS war.
Zum Interview

Kleine Enttäuschung
Als vor 25 Jahren der »Smart Fortwo« auf den Markt kam, sollte er die Mobilität grundlegend verändern. Heute sind die Straßen ­verstopfter denn je – und der »Fortwo« wird eingestellt. Über die verpasste Chance auf eine Revolution.
Zum Artikel

Wie man bayerischer Ministerpräsident wird
Wie hat es Markus Söder nur geschafft, Bayerns jüngster Ministerpräsident zu werden? Seine Instagram-Posts verraten es: 26 Lektionen über Söders Weg zur Macht.
 
Zum Artikel

Ein Text über, äh, dings …
Unser Autor vergisst im Alltag ständig alles Mögliche. Aber ist das eigentlich schlimm? Und: Warum will man sich überhaupt an so viel erinnern? Eine Gedächtnisprobe.
Zum Artikel
Das Beste fürs Wochenende
Von Wolfgang Luef

Mehr Tipps von Luef und den anderen Redaktionsmitgliedern finden Sie unter
sz-magazin.de/wochenendtipps
Für den BAUCH
Mehr Curry wagen
Manchmal sind es Zufallsfunde, die den Alltag verändern: Bei mir zum Beispiel ein Kochbuch von Anjum Anad in einem Second-Hand-Buchladen. Der Name, »I love Curry«, klingt ganz schön generisch. Aber die Rezepte finde ich fantastisch. Ich habe jedes probiert, fünf haben es in meinen regelmäßigen Kochzyklus geschafft. Dank diesem Buch hat sich mein Gewürzregal verdoppelt. Ich empfehle besonders das Erdnusscurry mit Schwarzkümmel und Muskatblüte. 
ANZEIGE
desktop timertrk_px
Haben Sie Anregungen? 
Kontaktieren Sie uns unter online@sz-magazin.de
Alle Newsletter im Überblick
Folgen Sie uns hier:



Impressum: Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München
Tel.: +49 89 2183-0, Fax: +49 89 2183 9777
Registergericht: AG München HRB 73315
Ust-Ident-Nr.: DE 811158310
Geschäftsführer: Dr. Karl Ulrich, Dr. Christian Wegner
Copyright © Süddeutsche Zeitung GmbH / Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH. Hinweise zum Copyright
Sie erhalten den Newsletter an die E-Mail-Adresse newsletter@newslettercollector.com.
Wenn Sie den SZ-Magazin-Newsletter nicht mehr erhalten möchten, können Sie sich hier abmelden.
Datenschutz | Kontakt