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10 Jahre „Weltnaturerbe“ Wattenmeer – Kinderkram? Posted: 25 Jun 2017 02:48 AM PDT Das UNESCO-“Weltnaturerbe“ Wattenmeer wird zehn Jahre alt. Die UNESCO verleiht den Titel Welterbe Weltnaturerbe für Regionen, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit weltweite Bedeutung haben. Der Vorschlag für diesen Titel wird bei der UNESCO von dem Staat eingereicht, in dem sich die besondere Region befindet. Gedanklicher Vater für die Wattenmeer- Titelverleihung in Deutschland war u.a. der ehemalige Bundestagsabgeordnete und niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP), der auch bis 2014 langjähriger Präsident der deutschen UNESCO-Kommission war. In Deutschland wurden die Wattenmeer-Nationalparke in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen mit dem neuen Etikett 2007 geadelt. Verfolgt man die Vorgeschichte bis zur Ausweisung des Wattenmeeres als „Weltnaturerbe“ und die Entwicklung danach wird eines deutlich: Das Etikett „Weltnaturerbe“ auf dem Wattenmeer dient ausschließlich der Tourismusindustrie und wurde dankbar auf alle möglichen Fremdenverkehrsorte oder Veranstaltungen geklebt. „Weltnaturerbe Wattenmeer“ führt bei Suchmaschinen häufig zu Tourismusanbietern. Auch die Nationalparkverwaltungen sind auf den Tourismuszug aufgesprungen. Besucht man deren Webseiten, fallen die vielen touristischen Angebote auf, Naturschutzmaßnahmen sind eher spärlich anzutreffen. Dabei ist der immer noch steigende Tourismusstrom an der Küste eine der Hauptbelastungsfaktoren für die freilebende Tierwelt, die ein Nationalpark eigentlich schützen sollte. Hier auf den Wattenratseiten wurde über die Versäumnisse im Wattenmeernaturschutz – oder neue Eingriffe – in NIedersachsen schon häufig berichtet. Erinnert sei nur daran, dass kurz nach der Ausweisung als „Weltnaturerbe“ von Cuxhaven bis Emden zahlreiche Kitespots für Kitesurfer im Großschutzgebiet Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer von der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven ausgewiesen wurden, in den Zwischenzonen des Nationalparks, in dem sogar das Steigenlassen von Kinderdrachen gesetzlich verboten ist. Die Genehmigungen wurden in Absprachen mit den Küsten- und Inselkommunen ohne die eigentlich erforderlichen Verträglichkeitsprüfungen nach dem Bundesnaturschutzgesetz erteilt, im EU-Vogelschutzgebiet, das deckungsgleich mit dem Wattenmeer-Nationalpark in Niedersachsen ist. Kritiker bezeichneten das als „Rechtsbeugung“ durch die Nationalparkverwaltung. Der Wattenrat hatte als einzige Naturschutzgruppe öffentlich zunächst auf den Etikettenschwindel „Weltnaturerbe“ und später auf den Missstand der Ausweisung von Kitespots hingewiesen. Von 15 „anerkannten“ und damit klagebefugten Naturschutzorganisation in Niedersachsen, von denen später nur laue Proteste zu hören waren, gab es keine rechtliche Überprüfung der Kitespots durch eine Klage. Wenn man das Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ tatsächlich besser schützen würde, gäbe es ja nichts zu meckern, aber saurer Wein wird bekanntlich durch bunte Etiketten auch nicht genießbarer. Mit behördlichen Inszenierungen wird daher stets ein geschönte Bild der Situation im Wattenmeer gemalt. Pünktlich zum zehnjährigen Bestehen des „Weltnaturerbes“ wurde der Besuch eines Kindes bei der UN in New York mit viel Pressegeschwurbel medial inszeniert, um an höchster Stelle Aufmerksamkeit über das „Weltnaturerbe Wattenmeer“ zu erlangen. „Für den Schutz der Weltmeere nach New York – Wilhelmshavener Junior Rangerin repräsentiert das Weltnaturerbe Wattenmeer bei der UN-Vollversammlung“ titelte die Pressestelle der Nationalparkverwaltung am 16. Juni 2017 auf deren Webseite, „copy and paste“ von vielen Medien übernommen. Das bundesweit tätige „Junior-Ranger-Programm“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von EUROPARC Deutschland e.V., den Nationalen Naturlandschaften, unterstützt vom WWF Deutschland und der Town & Country Stiftung. Der Town und Country Stiftung gehören Firmen der Bauwirtschaft und Immobilienmakler an. So die Selbstdarstellung: „Seit 2008 entwickeln wir gemeinsam das bundesweite Junior-Ranger-Programm, um Kinder für Natur, natürliche Dynamik und die Nationalen Naturlandschaften zu begeistern und ihr aktives Mitwirken zu ermöglichen.“ Dagegen ist nichts einzuwenden. Das praktizieren auch Pfadfinder und das bei Donald-Duck-Lesern bekannte „Fähnlein Fieselschweif“. Nur „Ranger“, die Aufsicht in Nationalparks führen sollen, sind Junior Ranger eben nicht. Ob die politisch instrumentalisierte „Junior-Rangerin“ aus Wilhelmshaven auch die eklatanten Missstände und Versäumnisse im Wattenmeerschutz bei der UN vorgetragen hat? So sieht es im hochgejubelten Weltnaturerbe in Niedersachsen tatsächlich aus: * ständig steigender Massentourismus, z.B. mit freilaufenden Hunden, vielen Freizeitbooten, Kitesurfer in Schutzgebieten, Lenkdrachen, sommerlich Feuerwerke zur Touristenbespaßung * unzureichende Aufsicht im Schutzgebiet. In Niedersachsen sind es 12 hauptamtliche Ranger ohne Kompetenzen und Boote auf 3.500 qkm Nationalpark- und Weltnaturerbefläche. *Hobbyjagd auf Enten und Gänse im Nationalpark * dramatischer Rückgang einiger Brut- und Rastvogelarten * Baggergutverklappungen im Nationalpark * örtlich desolater Zustand der Salzwiesen, entwässert und mit Quecke überwuchert, für Brut- und Rastvögel wenig attraktiv * Überfischung und keine fischereifreie Referenzzonen * Miesmuschelfischerei mit starken Eingriffen in das Wattensediment * hoher Nährstoffeintrag aus landwirtschaftlichen Quellen * Entwertung der Hochwasserrastplätze für Zugvögel im angrenzenden Binnenland – das Biosphärenreservat werden soll! – mit riesigen Windparks * kaum noch intakte Wiesenbrüterlebensräume im angrenzenden Binnenland durch die von der EU subventionierten Intensivlandwirtschaft 2016 stand dieser Satz auf der Webseite der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven: „Jetzt soll in Wilhelmshaven und Friesland eine Junior-Ranger-Gruppe gegründet werden, in der sich die Kids regelmäßig treffen können, um miteinander ihr Wissen zu erweitern und den Schutz der Natur in ihrer Heimat voran zu bringen.“ Das ist bis auf eine Ausnahme nicht zu bemängeln und sogar unterstützenswert, „den Schutz der Natur voranzubringen“ ist aber immer noch fachliche und vor allem staatliche Aufgabe und kein „Kinderkram“! Und genau diese Aufgabe wird in Deutschland immer noch vernachlässigt. |
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