Ausgabe vom 30.11.2020

Welche Weihnachtsüberraschung der Dow Jones in petto hat

Welche Weihnachtsüberraschung der Dow Jones in petto hat
von Torsten Ewert

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

sofern heute nichts dazwischenkommt, werden die US-Aktienmärkte an diesem Montag einen ihrer stärksten Anstiege in einem November in die statistischen Geschichtsbücher eintragen. Ein erstaunliches Ergebnis angesichts der Tatsache, dass wir hier seit Wochen die mangelnden Fortschritte an den Börsen beklagen.

Ein starker November geht zu Ende!

Am Freitag ging der Dow Jones bei 29.910,37 Punkten aus dem Handel und hatte damit gegenüber dem Stand von Ende Oktober rund 12,9 % gewonnen. Wenn es dabei bleibt oder der Index sogar noch weiter zulegt (z.B. auf über 30.000 Punkte), dann wäre dies die drittstärkste November-Performance des Dow Jones in seiner Historie, die bis 1885 zurückreicht.

Allerdings braucht der Dow Jones nur wenige Pünktchen verlieren, damit es diesmal nur zu Platz 4 reicht: Im November 1900 legte der Index immerhin um 12,8 % zu. Aber das sind natürlich die berühmten Peanuts – wo sich der November 2020 in dieser sehr speziellen statistischen Rangfolge einordnet, ist letztlich belanglos.

Interessanter ist die eingangs gestellte Frage: Wie kommt es zu der Diskrepanz zwischen der positiven Statistik und dem subjektiven Gefühl, dass die Jahresendrally nicht so recht ins Laufen kommen will?

Die November-Rally – ein Resultat weniger Tage

Die Antwort ist relativ einfach: Die US-Aktienmärkte markierten just am 30. Oktober, also am Monatsultimo des Vormonats, ein Tief nach einer kurzen Korrektur. Danach stiegen die Kurse Anfang November aufgrund der Wahlrally sowie der positiven Nachrichten über die COVID-19-Impfstoffe steil an – bevor sie eben in eine Konsolidierung übergingen, die nun schon mehr als drei Wochen anhält und die wir daher als nervig empfinden.

Immerhin konnte der Dow Jones währenddessen noch leicht zulegen und z.B. auch ein paar Mal über die runde 30.000-Punkte-Marke steigen. Und wenn die Bullen den Statistikern noch einen Gefallen tun wollen, dann krönen sie diesen November-„Erfolg“ heute noch mit einem Schlusskurs über dieser Schallmauer.

Aber wie gesagt, solche statistischen (Nach-)Betrachtungen sind für den weiteren Verlauf belanglos. Wenn man die Statistik bemühen möchte, dann nur, um abzuschätzen, welches Potenzial die Jahresendrally noch im Dezember hat.

Die etwas anderen Kerzen

Die typischen Durchschnittswerte, die der Dow Jones bisher im Dezember erreicht hat, sind allerdings ebenfalls nur wenig aussagekräftig: Im Durchschnitt (= Mittelwert) legte der Index seit 1885 um 1,18 % zu, im Mittel (=Median) war es nur wenig mehr (+1,67 %). Damit gehört der Dezember statistisch zwar zu den besten Monaten, aber „berauschend“ wirken diese Werte nicht.

Aufschlussreicher könnte dagegen schon die folgende Darstellung sein, die den Jahresverlauf des Dow Jones als sogenannte Boxplots zeigt:

Monatsperformance Dow Jones seit 1885

(Quellen: MeasuringWorth, eigene Berechnungen)

Auf den ersten Blick sieht die Darstellung wie ein Kerzenchart aus; es ist aber etwas völlig anderes. Sie sehen hier die statistische Auswertung der Monatsperformance des Dow Jones seit März 1885. Die vermeintlichen „Kerzen“ heißen Boxplots und  repräsentieren die Verteilung der einzelnen Monatswerte während dieser rund 135 Jahre. Dabei markiert der blaue „Körper“ (=Box) der „Kerzen“ den Bereich, in dem genau die Hälfte aller Werte liegen, die am nächsten zum mittleren Wert liegen. Die Spanne dieser Box kann man als „Normalbereich“ der jährlichen Schwankungen ansehen.

Die roten „Antennen“ (=Whisker) sind in jede Richtung maximal 1,5-mal so lang wie die Spanne der Box und können als größerer, aber noch nicht außergewöhnlicher Schwankungsbereich angesehen werden. Die roten Punkte markieren alle Werte, die außerhalb dieser Spanne liegen. Die schwarz gepunktete Linie verbindet die jeweiligen Monatsmittelwerte und kann als Durchschnittsverlauf angesehen werden (der hier natürlich aufgrund der Darstellung stark gestaucht ist).

Was der Dezember noch bringen kann

Die statistische Stärke des Dezember wird noch durch einen weiteren Wert untermauert: In fast 69 % aller Fälle endete der Dezember positiv. Allerdings zeigt ein Blick auf die Grafik, dass diese Statistiken ihre Tücken haben. Denn die meisten Ausreißer hat der Dezember auf der Unterseite, und viele davon liegen sogar im zweistellig negativen Bereich. Zuletzt erlebten wir einen solchen Ausreißer im Jahr 2018.

Immerhin nimmt die Wahrscheinlichkeit eines freundlichen Verlaufs im Dezember leicht zu, je stärker zuvor der November verlief. Damit haben die Märkte doch in diesem Jahr beste Voraussetzungen, um noch einen versönlichen Jahresabschluss zu schaffen.

Der Dow Jones nach der Target-Trend-Methode

Aber Statistik hin oder her – charttechnisch muss der Dow Jones über die 30.000-Punkte-Marke hinweg, wenn die Jahresendrally im Dezember weitergehen soll. Doch die 30.000er Marke ist nicht das einzige Hindernis, dass der Index überwinden muss:

Dow Jones - Tageschart seit Februar 202

Der Target-Trend-Chart zeigt, dass zurzeit auch eine Rechteckkante knapp unterhalb dieser runden Marke den Kurs bremst. Immerhin konnte der Dow Jones schon sein Hoch vom Februar (rote durchgezogene Linie) überwinden und bestätigte in diesem Kampf zwei wichtige Unterstützungen (hellgrüne Linien/Pfeile). Aus charttechnischer Sicht ist damit der Weg in dem grünen Aufwärtstrend frei, den der Dow Jones seit März neu gebildet hat.

Üblicherweise kommen die Kurse über neuralgische Marken, wie es die 30.000er Marke im Dow Jones ist, nur schwer hinweg. Der Kampf darum dauert oft Wochen oder Monate. Und daher könnte hier nun tatsächlich der Zeitpunkt gekommen sein, diese Hürde zu nehmen – schließlich drehte der Dow Jones schon im Februar knapp unterhalb von 30.000 Punkten wieder nach unten und nach der erneuten Annährung im August driftete der Kurs vor dieser Marke wochenlang seitwärts.

Ein charttechnisches Schmankerl zu Weihnachten

Als charttechnisches Schmankerl gibt es sogar noch ein Target (gelb) obendrauf, dass der Dow Jones innerhalb von 17-18 Handelstagen, also pünktlich bis Weihnachten, erreichen könnte. Voraussetzung ist natürlich, dass der Kurs demnächst über die 30.000-Punkte-Marke und in das blaue Rechteck steigt. Erst dann wäre das Target aktiviert. Möglich ist das, schließlich ist auch die Anlegerstimmung entsprechend positiv (siehe Börse-Intern vom 23.11.2020).

Aber selbst, wenn diese Weihnachtsüberraschung nicht gelingt – solange der Dow Jones in dem grünen Kanal läuft, bleibt das Chartbild bullish. Und damit wahren die Bullen ihre Chancen, nach einem überragenden November auch einen positiven Abschluss im Dezember in einem außergewöhnlichen Jahr zu schaffen.

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert



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