Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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17. März 2024
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
ein Scanner ist ein Abtaster, ein Datenerfassungsgerät. Das Gesetz zwingt derzeit jeden, der einen Personalausweis beantragt, die Kuppen seiner beiden Zeigefinger amtlich scannen zu lassen. Seine Fingerabdrücke werden dann auf einem Chip seines Personalausweises gespeichert. Es handelt sich um ein biometrisches Merkmal, das einen Menschen sein Leben lang kontrollierbar macht. So ist es in Deutschland seit dem 2. August 2021 geltendes Recht, so steht es in Paragraf 5 Absatz 9 des Personalausweisgesetzes – weil eine EU-Verordnung das so vorgeschrieben hat. Es könnte aber sein, dass das in Kürze nicht mehr gilt. Der Europäische Gerichtshof entscheidet nämlich am kommenden Donnerstag darüber, ob die Speicherpflicht für Fingerabdrücke mit den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Verstößt die Speicherei gegen den Schutz personenbezogener Daten? Ist sie verhältnismäßig? Sind die Daten ausreichend vor Missbrauch geschützt?

Es kann sein, dass das Gericht in Luxemburg die ganze Speicherei für grundrechtswidrig hält und daher die EU-Verordnung für ungültig erklärt. Dann sind die nationalen Gesetze, die die Verordnung in allen EU-Ländern umsetzen, nicht mehr haltbar. Das wäre ein gewaltiger Sieg für den Datenschutz und die Aktion Digitalcourage, die die Klage eingefädelt hat. Warum? Die seit bald drei Jahren geltende Fingerabdruckpflicht ist ein Symbol und ein Instrument des Sicherheits- und Präventionsstaats. Ist sie ein Beitrag zur Totalerfassung der Bürgerinnen und Bürger, wie sie das Bundesverfassungsgericht verboten hat? Die Sicherheitspolitiker kontern solche Kritik mit dem Hinweis darauf, dass die Fingerprints nicht in einem Zentralspeicher landen, sondern nur auf dem Personalausweis selbst festgehalten werden.

Die Begehrlichkeiten des Präventionsstaats

Ist das wirklich so? Bleibt das wirklich so? Zu erwarten ist jedenfalls, dass der Europäische Gerichtshof Vorkehrungen verlangt, die die Sicherheit der gespeicherten Fingerabdruckdaten gewährleisten und Zweckentfremdung ausschließen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht am 14. März 2023 waren Sicherheitslücken ein großes Thema. Das Fingerabdruck-Gesetz dient, so auch sein Name, der „Stärkung der Sicherheit“: Straftaten, die unter Identitätstäuschung begangen werden, sollen so ausgeschlossen werden. Aber wer gibt die Sicherheit, dass die Daten nicht alsbald ganz andere Begehrlichkeiten wecken? Wer garantiert, dass die Daten nicht irgendwann zur Kontrolle von behördlichen Auflagen, also zu Überwachungszwecken eingesetzt werden? Es gilt der Erfahrungssatz: Wenn Daten da sind, werden sie auch genutzt – auch zu Zwecken, die heute noch als undenkbar erscheinen. Indes: Der Gier nach immer mehr Erfassung muss Einhalt geboten werden.

Der vor zehn Jahren verstorbene Winfried Hassemer (er war der erste Strafrechtsprofessor, der zum Bundesverfassungsrichter gewählt wurde und dann bis 2008 in Karlsruhe wirkte) hat diese Gefahr eindrucksvoll so beschrieben: „Sicherheitsbedürfnisse sind strukturell unstillbar.“ Und er begründete das so: „Es ist gegen das Argument ‚Morgen kann vielleicht etwas passieren‘ kein Kraut gewachsen. Aber es muss ein Kraut dagegen gewachsen sein.“ Vielleicht findet der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am kommenden Donnerstag das Kraut, von dem der große Rechtsgelehrte sprach.
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Millionen Argusaugen
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Die Schlüsselblume ist eine krautige Pflanze mit einem vielversprechenden Namen. Sie blüht jetzt überall, in Luxemburg auch. Ich wünsche Ihnen einen hoffnungsvollen Frühlingsanfang.

Ihr
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Auf den stillen Feldern träumt das Mondlicht
Der Kindermann-Verlag hat ein wunderbar poetisches Kinderbuch in die Buchhandlungen gelegt; es ist ein Bilderbuch mit schön ausgewählten Frühlingsgedichten; ein Buch zum Schauen und zum Vorlesen, ein Buch, das die Omas und Opas beim Osterbesuch mitbringen und dann ausprobieren können, ob sie die Gedichte so vortragen können, dass die Enkel vergessen, den Schokohasen auszuwickeln. Ich selber habe in diesem Buch eine Entdeckung gemacht: ein Gedicht von der mir bisher unbekannten Schriftstellerin Maria Janitschek, geboren 1859 in Mödling/Österreich, gestorben 1927 in München. Es beginnt so: „Auf den stillen Feldern träumt das Mondlicht / seinen weißen Traum und küsst die Blumen / bis sie blass und blässer werden …“. Dazu, auch eine Entdeckung, ein Poem von Amanda Ullmann (1860-1895): „Es stand ein junger Blütenbaum“. Der Gedichtband ist nämlich, so bemerkt der Verlag, eine „ausgeglichene Sammlung mit Werken bedeutender Dichter und Dichterinnen der deutschen Literatur“. Frauen und Männer dichten hier schön gequotet. Zum Einstieg gibt es natürlich den fast zweihundert Jahre alten Klassiker von Eduard Mörike: „Frühling lässt sein blaues Band / wieder flattern durch die Lüfte“. Zum Ausstieg dichtet Wilhelm Busch den neckischen Zweizeiler: „Es ist das Osterfest alljährlich / Doch für den Hasen sehr beschwerlich“.  Günther Jakobs hat das Buch so fröhlich illustriert, dass das Herz beim Schauen hüpft und alte Gedichte ganz jung werden.

Poesie für Kinder: Er ist’s. Die schönsten Frühlingsgedichte. Mit Bildern von Günther Jakobs. Das Buch ist im Kindermann-Verlag Berlin erschienen, der gerade dreißig Jahre alt wird. Das Hardcover hat 32 Seiten und kostet 20 Euro.
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Frieden suchen, Frieden stiften
Die katholische Laiengemeinschaft Sant'Egidio ist eine Expertin für Friedensinitiativen und für erfolgreiche Friedensverhandlungen. Ihr bedeutendster diplomatischer Erfolg war der Friedensvertrag für Mosambik, der 1992 einen sechzehnjährigen Bürgerkrieg und ein millionenfaches Morden beendete. Der Kollege Marc Beise hat in der SZ-Samstagsausgabe mit Andrea Riccardi, dem Gründer von Sant'Egidio, ein wohltuend ruhiges Interview über den Krieg in der Ukraine geführt, in dem Riccardi Friedensverhandlungen fordert und Papst Franziskus verteidigt. Riccardi äußert seine Angst davor, „dass wir in der Ukraine eine Verewigung des Krieges erleben, ein zweites Afghanistan“. Das Interview ist ein kleines großes Plädoyer gegen das kriegerische Maulheldentum in den Talkshows, gegen die Gehässigkeiten und hysterischen Unterstellungen, von denen die Debatten dort geprägt werden. Man darf aus gegebenem Anlass und kurz vor dem fünfundsiebzigsten Grundgesetzjubiläum darauf hinweisen: Auch die Suche nach den Wegen zum Frieden ist vom Friedensgebot der Präambel des Grundgesetzes geschützt.
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