Newsletter, 06.06.2020 Wenn eine Immobilie auf die Kinder übertragen werden soll – Rechtsanwalt Dr. Otto N. Bretzinger zum Thema |
Vorweggenommene Erbfolge – wenn eine Immobilie auf die Kinder übertragen werden soll Interview mit Rechtsanwalt Dr. Otto N. Bretzinger Dr. Otto Bretzinger ist Jurist und Journalist. Er hat mehrere Bücher für die Verbraucherzentrale geschrieben, unter anderem die Ratgeber „Meine Immobilie verkaufen, verschenken oder vererben“, „Richtig vererben und verschenken“ und „Handbuch Testament“.
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Vorab: Häufig übertragen Eltern ihr Eigenheim im Hinblick auf die künftige Erbfolge noch zu Lebzeiten auf ihre Kinder. Man spricht in diesem Zusammenhang von der vorweggenommenen Erbfolge. Im Rahmen eines Übergabevertrags geht dann die Immobilie in das Eigentum der Kinder über. Letztlich handelt es sich dabei um eine Schenkung. Und diese ist für die Eltern mit gravierenden Rechtsfolgen verbunden. Schließlich verlieren sie Vermögen bereits zu Lebzeiten und tragen damit das Risiko, wie sich ihre Lebensumstände künftig entwickeln.
Herr Bretzinger, was halten Sie davon, Vermögen bereits zu Lebzeiten auf die Kinder zu übertragen? Ich rate dazu, die Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Es gibt sicherlich gute Gründe, bereits zu Lebzeiten Vermögenswerte, auch ein Eigenheim, auf die nächste Generation zu übertragen. In der Praxis stehen dabei nicht zuletzt steuerliche Motive im Vordergrund. Davon allein sollte man sich aber auf keinen Fall leiten lassen. Von Bedeutung sind vielmehr neben der konkreten und künftigen Vermögens- und Einkommenssituation vor allem auch die persönlichen und familiären Verhältnisse und nicht zuletzt die eigenen Interessen des Eigentümers.
Was spricht für und gegen eine vorzeitige Übertragung des Eigenheims an die Kinder? Wenn das selbst bewohnte Familienheim über den eigenen Raumbedarf hinausgeht, auf der anderen Seite jedoch ein Kind zur Gründung einer Familie entsprechenden Bedarf hat, kann es sinnvoll sein, die Immobilie vorzeitig – unter Umständen gegen Einräumung eines Wohnrechts – auf das Kind zu übertragen. Auch wenn eine umfassende Renovierung ansteht und man in größerem Umfang Fremdkapital benötigt, ist die Übertragung der Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge überlegenswert. Aber auch die mit einer Immobilie verbundenen Unterhaltungs- und Instandhaltungsarbeiten können Anlass sein, sich mit den Kindern zusammenzusetzen und eine vorzeitige Übertragung in Erwägung zu ziehen.
Kann man die Übertragung des Eigenheims von Gegenleistungen des Kindes abhängig machen? Ja, Gegenleistungen sind in der Praxis sogar die Regel. Das betrifft insbesondere Nutzungsvorbehalte des Übergebers in Form eines Nießbrauchs- oder Wohnungsrechts. Daneben werden auch Rentenzahlungen oder Pflegeverpflichtungen als Gegenleistung vereinbart. Und wenn die vorzeitige Übergabe eines Eigenheims an ein Kind im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt, wird regelmäßig ein Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbart, sodass sich das Kind die Schenkung auf seinen Erb- und Pflichtteil anrechnen lassen muss.
Auf was sollten Eltern achten, wenn sie ihr Haus zu Lebzeiten an ein Kind weitergeben, im Haus aber wohnen bleiben wollen? Zunächst müssen Sie zwischen dem Nießbrauchsrecht und dem reinen Wohnrecht unterscheiden. Das Wohnrecht beschränkt sich – wie der Name schon sagt – auf das reine „Wohnen“. Der Nießbrauch geht aber darüber hinaus. Der Nießbraucher muss die Wohnung nämlich nicht selbst bewohnen. Er kann sie auch vermieten. In diesem Fall steht ihm dann die monatliche Miete zu. Dem Übergeber würde ich raten, im Übergabevertrag ein lebenslanges Nießbrauchsrecht zu vereinbaren, das ins Grundbuch eingetragen wird. Wichtig ist, dass im Vertrag festgelegt wird, wer welche Kosten zu tragen hat. Kraft Gesetzes muss der Nießbraucher Ausbesserungen und Erneuerungen vornehmen, die zur gewöhnlichen Unterhaltung gehören, also beispielsweise eine zerbrochene Fensterscheibe austauschen. Er muss allerdings nicht für Verschlechterungen aufkommen, die bei ordnungsgemäßer Nutzung des Niesbrauchgegenstands entstehen, wie beispielsweise die Abnutzung eines Treppengeländers. Der Nießbraucher muss auch keine Maßnahmen durchführen, die über das gewöhnliche Maß hinausgehen. Er ist also beispielsweise nicht verpflichtet, Modernisierungsmaßnahmen an der Wohnung in Auftrag zu geben. Andererseits darf er keine großen Änderungen an der Gebäudesubstanz vornehmen.
Auf was sollte man als Übergeber achten, wenn die Übergabe der Immobilie gegen eine Rentenzahlung des Kindes an die Eltern erfolgt? Regelmäßig erfolgt in diesem Fall die Übergabe gegen eine sogenannte Leibrente. Das ist eine in der Höhe gleichbleibende Rente, die bis zum Lebensende des Berechtigten zu zahlen ist. Im Übergabevertrag müssen die Höhe der Rente, der Beginn der Leistungspflicht und die Fälligkeit geregelt werden. In jedem Fall sollte die Rentenhöhe an die allgemeine Preissteigerung gekoppelt sein. Denn nur dann bleibt die vereinbarte Rente für die gesamte Dauer wertbeständig. Im Interesse des Berechtigten sollte es auch liegen, dass er sich im Übergabevertrag das Recht vorbehält, die Rückübertragung der Immobilie zu verlangen, wenn der Übernehmer seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt.
Was halten Sie von einer Pflegeverpflichtung als Gegenleistung für die Schenkung der Immobilie? Um ehrlich zu sein: nicht viel. Der Übergeber sollte sich darüber bewusst sein, dass man Pflegeleistungen letztlich nicht erzwingen kann. Ferner sollte berücksichtigt werden, dass ohnehin ein gesetzlicher Anspruch auf Pflegeleistungen der sozialen Pflegeversicherung besteht. Wer dennoch im Rahmen eines Übergabevertrags den Übernehmer zu Pflegeleistungen verpflichten will, sollte darauf achten, dass insbesondere der Anlass (Alter, Krankheit) und der Ort der Pflege sowie der Umfang der Pflegeleistungen (zum Beispiel häusliche Pflege) geregelt werden. Dies sollte so konkret wie möglich formuliert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Sinnvoll kann es unter Umständen auch sein, eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass ein Dritter (zum Beispiel der behandelnde Hausarzt) verbindlich über den Eintritt des Pflegefalls und den Umfang der notwendigen Pflegeleistungen entscheidet. Zweckmäßig ist es, vertraglich auch die Folgen zu regeln, wenn der Pflegeverpflichtung nicht entsprochen wird.
Können Eltern einem Kind Wohneigentum zu Lebzeiten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge steuerfrei übertragen? Steuerfrei ist nur die schenkweise Überlassung des selbst genutzten Familienheims durch einen Ehegatten an den anderen, nicht jedoch die unentgeltliche Übertragung an die Kinder. Allerdings kann ein Kind bei der lebzeitigen Übertragung des Wohneigentums den ihm zustehenden allgemeinen Steuerfreibetrag von 400.000 Euro geltend machen. Sind die Eltern je zur Hälfte Miteigentümer der Immobilie, steht dem Kind dieser Steuerfreibetrag gegenüber jedem Elternteil zu. Und wenn den Eltern als Gegenleistung ein Wohnrecht eingeräumt wird, vermindert sich der Wert des steuerpflichtigen Erwerbs.
Kann man die Schenkung einer Immobilie gegebenenfalls wieder rückgängig machen? Die Übergeber sollten bedenken, dass eine Schenkung kraft Gesetzes nur in Ausnahmefällen zurückgefordert werden kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Schenker nach der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt selbst zu bestreiten. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich im Übergabevertrag vertragliche Rückforderungsansprüche vorzubehalten. Als denkbare Anlässe für die Rückforderung der Immobilie kommen insbesondere der Tod des Beschenkten vor dem Ableben des Übergebers, ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beschenkten und die Veräußerung des Wohneigentums durch den Beschenkten ohne Zustimmung des Übergebers in Betracht.
Muss bei der Übergabe der Immobilie an die Kinder eine bestimmte Form beachtet werden? Die Übergabe einer Immobilie im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge stellt rechtlich eine Schenkung dar. Dieser Schenkungsvertrag muss notariell beurkundet werden. Und wenn die Eltern weiterhin im Haus wohnen bleiben sollen, sollten sie sich dieses Wohnrecht unbedingt dinglich absichern und im Grundbuch eintragen lassen. Lieber Herr Dr. Bretzinger, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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