Liebe Leserinnen und Leser,
 

die Pandemie zerstört nicht nur Existenzen, sondern auch so manche Gewissheit. Zum Beispiel den Glauben daran, dass unser föderalistischer Staatsaufbau effizientes Regieren ermöglicht. Noch vor einem halben Jahr hieß es allenthalben, Deutschland sei vor allem deswegen so glimpflich durch die erste Corona-Welle gekommen, weil die einzelnen Bundesländer mit ihren jeweiligen Maßnahmen besser auf die Infektionslage vor Ort hätten reagieren können als ein zentralistisch organisierter Staat wie etwa Frankreich. Ein bisschen sonderbar kam es einem zwar schon vor, dass man als Berliner noch Anfang Januar nur ein paar Kilometer zu fahren brauchte, um in Brandenburg Hallentennis spielen zu können (was in der Hauptstadt längst untersagt war). Aber bitte.
 
Inzwischen wird allerdings deutlich, dass das Virus sich von solchen Prinzipien nicht beeindrucken lässt. Der deutsche Föderalismus erweist sich als störungsanfällig – zumindest in einer Situation wie dieser. Während der Ministerpräsident eines nördlichen Bundeslandes schon laut über Lockerungsszenarien nachdenkt, bringt einer seiner Kollegen weiter südlich eine Verlängerung bis Ostern ins Spiel. Oder macht den Bundesgesundheitsminister für ein Impfstoff-Debakel verantwortlich, an dem er selbst beteiligt war. Währenddessen fragen sich die Bürger, ob in diesem Land überhaupt noch jemand für irgendetwas verantwortlich sein will. Oder ist. Oder vielleicht sein könnte.

Eine erhellende Analyse

„Auslaufmodell – Warum Deutschland in der Corona-Krise versagt“ lautet der Titel unserer heute erschienenen Februar-Ausgabe. Es geht um die Frage, warum wir in der Bundesrepublik nicht mehr hinbekommen, wofür wir im Ausland einst neidvoll belächelt wurden: zielführende Organisiertheit. Die absolut erhellende Analyse stammt übrigens von jemandem, der sich wirklich auskennt – weil er das System nämlich als langjähriger Minister von innen kennengelernt hat. Lassen Sie sich überraschen.
 
Der ehemalige Bundesbank-Chef (und heutige UBS-Präsident) Axel Weber stößt im Cicero-Interview ins gleiche Horn, wenn er mit Blick auf unseren föderal angelegten Sozialstaat von Effizienzverlusten spricht, „gerade dann, wenn schnelles gemeinsames Handeln notwendig wäre“. Auch darüber, so Weber, müsse eine echte Reformdiskussion geführt werden: „Das ist nach einer solchen Krise wichtig.“ Die Diskussion wird es geben. Dass sie auch zu Reformen führt, darf bezweifelt werden.
 

Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur

 
 
 
 
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