Liebe Leserin, lieber Leser,
wer ist Mitte? Und wo und was ist diese Mitte überhaupt? Immerhin donnert vor allem die SPD neuerdings ja, Union und FDP hätten „die demokratische Mitte verlassen“. Ich bin mir allerdings nicht sicher, wer sich da von wem verabschiedet hat.
Für wahrscheinlicher halte ich, dass der Sozialdemokratie inzwischen sehr viel Mitte abhandenkam. Wenn man die Ergebnisse der Europawahl 2024 mit der Bundestagswahl nur drei Jahre davor vergleicht, hat die einstige deutsche Arbeiterpartei fast die Hälfte ihrer Wähler verloren:
550.000 ans BSW, 580.000 an die AfD, 1,4 Millionen an die CDU. Also ausgerechnet an jene Parteien, gegen die man nun aus dem Brandmauern-Bauen gar nicht mehr herauskommt.
„Mitte statt Merz“, wirbt die Sozialdemokratie trotzdem auf ihrer Homepage. Unvergessen, als SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der personifizierte Magenbitter seiner Partei, vergangene Woche im Bundestag erklärte: „Der Sündenfall wird Sie für immer begleiten.“
Mehr ging kaum noch, als dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz vorzuwerfen, er habe mit der AfD „das Tor zur Hölle“ geöffnet. Immerhin wird diese Hölle mittlerweile – wie gerade dargelegt – von vielen Ex-SPD-Wählern bewohnt bis bewirtschaftet.
Ich wage übrigens zu behaupten, dass ich mehr echte Mitte kenne als Herr Mützenich. Das sind ganz normale Leute und gute Demokraten, die früher gern SPD gewählt haben. Aber da hießen SPD-Kanzler auch noch Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder. Sozialer Aufstieg und Wohlstand waren wichtig. Leistung und Fleiß. Ich als Boomer darf das sagen, weil ich in jungen Jahren selbst SPD gewählt habe. |