Außerdem: Über eine Bäckereifamilie, die heute zwei Söhne mehr hat
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Illustration: iStock / by Malte Mueller
Guten Tag,

Hunderttausende Menschen haben in den vergangenen Wochen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Ich stand auf dem Bonner Marktplatz, beziehungsweise in einer der Seitenstraßen, natürlich gab es längst kein Vorwärtskommen mehr. Später sah ich auf meinem Handy Luftaufnahmen aus München und Berlin, sah Fotos aus Leipzig, las über Demonstrierende in Chemnitz und Erfurt.

Es war einer der wenigen Tage, an denen mein mulmiges Bauchgefühl etwas besser war. Sonst war es fast immer präsent. Zum Beispiel, wenn ich in den vergangenen Wochen von Plänen für »Remigration« las. Wenn ich sehe, dass in Bayern gerade zwei AfD-nahe Verfassungsrichter gewählt wurden, und mich frage, wie manche Mitglieder der Partei zu den demokratischen Grundwerten stehen. Wenn ich mir nur einmal kurz vorstelle, wie die Welt aussähe, wenn sich solche Meinungen und Stimmen durchsetzen könnten. »Die Demokratie ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern der Sittlichkeit«, hat Willy Brandt einmal gesagt.

Ich möchte Ihnen deswegen heute nur Geschichten empfehlen, die Hoffnung machen, von Mut erzählen und dem Wunsch, ein Zusammenleben zu gestalten, das auf Toleranz und Respekt beruht. An eine Geschichte muss ich sofort denken, weil sie so große Folgen hatte. Das irische Parlament hat vor einigen Jahren einen Versuch gestartet: eine Bürgerversammlung, die das Parlament bei der Suche nach einer neuen Verfassung berät. Mit 66 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern.

Die berührende Reportage meines Kollegen Bastian Berbner erzählt die Geschichte eines Briefträgers, der jedes Vertrauen in die Politik verloren hatte. »Finbarr O'Brien war die irische Version des wütenden, alten, weißen Mannes. Gut möglich, dass er für Trump gestimmt hätte, wäre er Amerikaner. Oder für die AfD, wäre er Deutscher«, schreibt Berbner. Heute ist O’Brien stolzer Besitzer einer ledergebundenen Verfassung, an der er als Teil der Bürgerversammlung mitgearbeitet hat.

Die Reportage erklärt nicht nur, wie ein Politikverdrossener zu einem Verfechter der Demokratie wurde. Sondern erzählt auch die berührende Geschichte einer Freundschaft – zwischen dem einst homophoben O’Brien und dem schwulen Chris Lyons, der auch an der Versammlung teilnimmt. Am Ende, so viel sei verraten, stimmt O’Brien für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe im eigentlich so konservativen Irland:

Ich und der ganz andere
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Die Reportage ist nicht nur für sich lesenswert, sondern hatte auch reale Folgen für die deutsche Politik. Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wurde durch den Text auf das Experiment des irischen Parlaments aufmerksam – und stieß einen deutschen Bürgerrat an. Welchen Unterschied das im Leben der ausgewählten Bürgerinnen und Bürger machte, können Sie wiederum in dieser Reportage unserer SZ-Kollegen nachlesen.


Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Ihre
Dorothea Wagner

P.S. Noch eine schöne Hausmeldung: Unser langjähriger Kochkolumnist Hans Gerlach hat in dieser Woche sein Kochbuch mit den beliebtesten Rezepten der »Probier doch mal«-Kolumne veröffentlicht. Den im Brandstätter-Verlag erschienenen Band können Sie zum Beispiel im SZ-Shop bestellen. Ich bin schon seit Jahren Fan seiner Rezepte, seine Zitronencreme habe ich allein in den letzten Tagen zwei Mal zubereitet. Schnelleres Küchenglück geht nicht. Das Rezept finden Sie hier.
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