Im letzten Sommer haben wir uns die vielen negativen Aspekte von China-Engagements schon einmal genauer angesehen in unserem Report „Jetzt in China investieren? Aber sicher!“ und dieser Artikel stellt in gewisser Weise eine Aktualisierung dar. Insofern werde ich vor allem auf die neueren Entwicklungen eingehen. Unverändert bleibt, dass China keine Demokratie ist. Wohlwollend könnte man es „Staatskapitalismus“ nennen. An der Macht ist eine Partei und an deren Spitze steht ein beinahe uneingeschränkt herrschender Führer. Dass die Partei sich „Kommunistische Partei“ nennt, hat nichts weiter zu bedeuten, denn mit Kommunismus oder Sozialismus hat man in China kaum noch etwas am Hut. Es ist ein totalitäres Regime, das sich in ähnlichen Konstrukten überall auf der Welt zuhause fühlen könnte. Zum Beispiel in Russland oder in der Türkei. Und gerade Russland mit seinem Diktator Putin zeigt dieser Tage schonungslos den entscheidenden Nachteil, wenn ein Land von einem einzelnen Willkürherrscher abhängig ist und kaum Kontrolle durch andere Gewalten, wie Justiz, Presse oder die Bevölkerung vorhanden ist, die als Korrektiv gegensteuern könn(t)en. Vor allem die nicht vorhandene unabhängige Justiz und die fehlende Rechtsstaatlichkeit sind dabei eigentlich elementare K.O.-Kriterien. Und doch finden sich genügend Menschen, die dennoch bereit sind, diese (zu) hohen Risiken auszublenden und auf die Chancen zu setzen. Das gilt auch für die größten Anleger der Welt. So warnte Börsen-Legende George Soros vor China-Investments. Die Regulierungsbestrebungen der Regierung in Peking scheinen noch lange nicht abgeschlossen und könnten die Aktien noch weiter belasten. Und er behielt bisher Recht mit seiner Einschätzung aus dem letzten Jahr, Investoren, die sich in die zwischenzeitliche Erholungsrally eingekauft haben, würden ein böses Erwachen erleben. Ray Dalio als Chef des weltgrößten Hedge-Fonds Bridgewater Associates wiederum ist überzeugt, dass die chinesischen Behörden lediglich versuchen, die richtige regulatorische Antwort auf ein sich schnell veränderndes Kapitalmarkt-Umfeld zu finden. Er rät: "Geh davon aus, dass solche Dinge auch in Zukunft passieren und investiere entsprechend. Aber fehlinterpretiere diese Spielräume nicht als Trendwende, und geh nicht davon aus, dass dieser chinesische Staatskapitalismus genauso wie der westliche Kapitalismus ist". Charlie Munger sieht in China eine aufstrebende Gesellschaft und schätzt an der chinesischen Regierung, Handlungsbereitschaft und Konsequenz im Vergleich zum im Westen beliebten Rumlamentieren und Vertagen. Doch es gibt auch Kehrseiten. Das rigorose Durchgreifen des Staates gegen die großen Online-Unternehmen hat eine ganze Branche an den Rand des Abgrunds gebracht. Und das sklavische Beharren darauf, dass der weitgehend wirkungslose chinesische Corona-Impfstoff zur Pandemie-Bekämpfung geeignet sei, so dass die Zulassung der real wirkenden Impfstoffe aus dem Westen weiter verzögert wird, führt zu Total-Lockdowns, die sogar die Weltwirtschaft aus dem Tritt bringen. Dabei sind Corona und der Lockdown in Shanghai nur ein Problem unter vielen, das China heimsucht. Die schwelende Krise um den Immobilien-Konzern China Evergrande ist ein weiteres. Die chinesische Regierung hat ausgeschlossen, den Konzern zu stützen. Andererseits hat sie ihre Regionalregierungen angewiesen, genau dies auf lokaler Ebene zu tun. Der ganz große Zusammenbruch blieb daher bisher aus, trotz steigender Zinsen und galoppierender Preise. Ende der Regulierungs-Wut? Des Weiteren hat China vor einiger Zeit verbal die Zügel bei den regulatorischen Eingriffen wieder etwas gelockert. Und ganz aktuell soll die Regierung „den Regulierungssturm auf Big Tech beenden und dem Sektor eine größere Rolle bei der Ankurbelung der sich verlangsamenden Wirtschaft zugestehen“, berichtet die „South China Morning Post“. Es soll ein gemeinsames Treffen der Regulierungsbehörden stattfinden, in dem sich alle Regulierungsbehörden über die neue Entscheidung Pekings abstimmen. Anschließend sei ein Symposium geplant, an dem auch chinesische Großunternehmen teilnehmen sollen, um den Wirtschaftsführern die neue Richtung zu erläutern. Eingeladen seien die wichtigsten Big-Tech-Unternehmen des Landes, darunter die E-Commerce-Plattform Alibaba, der Social-Media- und Videospielriese Tencent, die Online-Liefer- und On-Demand-Serviceplattform Meituan und der TikTok-Eigentümer ByteDance. Der Bericht weckt Hoffnungen, dass Peking seine umfassenden regulatorischen Maßnahmen gegen den Technologie-Sektor einstellt oder zumindest deutlich reduzieren wird und den Internet-Plattformen eine größere Rolle zuweist, um die schwächelnde Wirtschaft zu stützen. Nun ist das nur eine Zeitungs-Meldung, aber der Eigentümer dieser Zeitung ist Alibaba, so dass man davon ausgehen kann, dass der Wahrheitsgehalt relativ hoch ist. Massive Kapital-Abflüsse Diese Kehrtwende kommt nicht ganz überraschend. Immerhin erleidet die chinesische Wirtschaft, vor allem der digitale Sektor, einen bisher noch nicht gekannten Kapitalabfluss. Ausländische Investoren ziehen seit Monaten massiv Geld aus dem Land, was den Einbruch der Kurse mit befeuert hat. Grund sind die regulatorischen Eingriffe der Regierung, aber auch der Streit mit den USA über Datenschutz und Datenkontrolle, die zur Widerrufung von Börsen-Listings führen kann und Investoren daher abschreckt. Hinzu kommt der ohnehin schwache Zustand der Technologie-Werte, die seit einem Jahr enorme Kursverluste einfahren. Nicht wenige der ehemals beliebten Wachstums-Werte haben ihren Anlegern seit den Höchstkursen Kurseinbrüche von 75% oder mehr eingebrockt. Auch und insbesondere in China. Es fließt aber nicht nur Geld ab, es kommt auch kein frisches mehr nach. Zu den großen Startup-Investoren der letzten Jahre gehörten Tiger Global Management und Softbank Group. Beide haben ihre Investments in China stark heruntergefahren, beide haben ihre Strategie geändert und setzen nicht mehr auf „späte“ Investorenrunden, sondern wollen sich lieber wieder in jungen Ventures engagieren. Die späten Finanzierungsrunden waren bei steigenden Börsenkursen lukrativ, weil man kurz vor dem Börsengang noch einmal Geld in ein Unternehmen stecken konnte, das kurze Zeit später dann an der Börse zu deutlich höheren Preisen notiert war. Doch diese Zeiten sind vorbei, die IPOs floppen oder werden erst gar nicht mehr in Betracht gezogen. Und die Bewertungen implodieren. Das betrifft nicht nur kleine Klitschen, sondern auch respektable Unternehmen. So wie die Alphabet-Tochter Waymo, die mal mit 150 Mrd. US-Dollar bepreist wurde, doch in der jüngsten Finanzierungsrunde auf 30 Mrd. US-Dollar zusammenschrumpfte. Das Unternehmen ist in diesen anderthalb Jahren nicht etwa weniger erfolgreich geworden; es hat nur reichlich heiße Luft verloren. Und so geht es der gesamten Branche. Die Softbank Group hatte bereits Ende 2021 verkündet, erstmal keine neuen Engagements mehr in China eingehen zu wollen. Ihr Exposure im Reich der Mitte bleibt allerdings auch so sehr hoch. Denn man hält nach wie vor 26% an Alibaba und hat reihenweise chinesische Start-ups im Portfolio – zumeist über seine beiden Vision Funds. Auch der Kurs der Softbank Group hat sich seit dem Höchstkurs im Frühjahr 2021 halbiert. Damals war der höchste Quartalsgewinn eines japanischen Unternehmens aller Zeiten vermeldet worden. Dieses Mal dürfte es genau anders herum sein, denn die deutlich zweistelligen Kurs- und Wertverluste der vielen Beteiligungen werden zu zweistelligen Milliarden-Verlusten für die Softbank Group führen. Nach dem China-Schock hat sich Softbank auf andere Regionen fokussiert, auf Asien, Südamerika und Afrika. Doch auch dort haben die Börsen-Verwerfungen im Tech-Sektor die Bewertungsniveaus kräftig gesenkt und damit auch die Softbank-Investitionen deutlich unter Wasser gedrückt. Angesichts der Zinswende werden es Technologie-Werte in den nächsten Jahren schwerer haben. Insbesondere jene, die noch weit von der Profitabilität entfernt sind. Zurzeit ist noch reichlich freie Liquidität im Markt unterwegs, die auch die Alternativen Asset Manager wie Blackstone, Apollo Global und KKR weiter massiv einsammeln, aber die Notenbanken wollen ihre Bilanzen verkürzen – was nichts anderes heißt, als dass sie die Liquidität zurückfahren und die Geldmenge reduzieren werden. In solchen Phasen sucht sich das Geld dann profitable Unternehmen, die Rendite abwerfen, und kehren verlustbringenden Wachstums-Unternehmen den Rücken. Für Venture-Finanzierer wie Tiger Global und Softbank Group sind das nicht unbedingt positive Aussichten. Softbank Corp. (ISIN: JP3436100006) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20/21/22e | Kurs | 891624 / SFT | 67,4 Mrd. EUR | 3,6 / 12 / 9 | 39,61 EUR |
Alternativ in China investieren Wer unbedingt sein Glück in China versuchen will, kann sich an einem ETF versuchen. Angesichts der vielen Unwägbarkeiten dürfte dies eine der aussichtsreicheren Möglichkeiten sein, auf chinesisches Wachstum zu setzen, und dabei die Risiken im Zaum zu halten. Wir hatten von 9 Monaten zwei China-ETFs vorgestellt und nutzen die Gelegenheit für ein kurzes Update: 1. iShares China Large Cap UCITS ETF (ISIN: IE00B02KXK85 / WKN: A0DK6Z / Ticker: IQQC) Per 31.03.2022 machen die 10 größten Positionen des ETFs zusammen 58,24% aus: 1. Alibaba Group Holding, 10,29% 2. Tencent, 8,47% 3. Meituan, 7,94% 4. China Construction Bank, 7,22% 5. ICBC 4,97% 6. JD.com, 4,61% 7. Ping An Insurance, 4,23% 8. Baidu, 4,08% 9. Bank of China, 3,26% 10. China Merchants Bank, 3,17% Der börsengehandelte Indexfonds (Exchange Traded Fund, ETF) soll die Rendite des FTSE China 50 Index als seinem Referenz-Index widerspiegeln. Er besteht aus 50 der nach Gesamtmarkt-Kapitalisierung auf Freefloat-Basis größten und liquidesten Unternehmen, die an der Hong Kong Stock Exchange notiert sind. 2. iShares MSCI China A UCITS ETF (ISIN: IE00BQT3WG13 / WKN: A12DPT / Ticker: 36BZ) Die 10 größten Positionen des ETFs machen zusammen 20,26% aus und sind: 1. KWEICHOW MOUTAI, 5,55% 2. CONT. AMPEREX TECH, 3,07% 3. China Merchants Bank, 2,48% 4. WULIANGYE YIBIN, 1,55% 5. PING AN INSURANCE, 1,35% 6. CHINA YANGTZE POWER, 1,29% 7. INDUSTRIAL BANK, 1,10% 8. BYD CO. LTD, 1,07% 9. LONGI GREEN ENERGY, 1,01% 10. SHENZHEN MINDRAY, 0,96% Der börsengehandelte Index-Fonds (Exchange Traded Fund, ETF) bildet die Wertentwicklung des MSCI China A International Index ab und investiert in die im Index enthaltenen Wertpapiere. Der MSCI China A International Index besteht aus der A-Aktien-Komponente des MSCI China All Shares Index. Er dient der Abbildung der Wertpapiere von Unternehmen mit hoher und mittlerer Marktkapitalisierung, die in der Volksrepublik China (VRC) ihren Sitz haben und an den Börsen in Shanghai und Shenzhen in Renminbi gehandelt werden. Beide ETFs investieren also in chinesische Aktien, die in Shenzhen oder Hong Kong gelistet sind und umschiffen damit eines der größten Probleme für ausländische Investoren, die ADR-Struktur (im Falle des Hongkong-ETFs nicht aber die Variable Interest Entity (VIE)-Struktur bei denen westliche Investoren sich nur indirekt am Unternehmen über eine Holding mit offiziellem Sitz in einem Steuerparadies wie den Cayman Islands beteiligen, eine Struktur die von der chinesischen Regierung nur geduldet wird, aber nicht abgesegnet ist; Anm. Armin). Der Aufpreis für beide ist nicht allzu hoch, denn beide ETFs weisen Total Expense Ratios (TER) von 0,74% bzw. 0,40% pro Jahr auf, so dass sich die Kostenbelastung im vertretbaren Rahmen hält. Darüber hinaus sind beide ETFs sparplanfähig, so dass Anleger mit ihnen auch schrittweise in China-Aktien investieren können. Der China Large Cap ist schon länger investierbar und weist in den letzten fünf Jahren eine deutliche Underperformance gegenüber dem MSCI World-Index auf. In fünf Jahren erzielte er -13,8%, auf Sicht von einem Jahr -28,5%. Der iShares MSCI China A-ETF konnte anfangs mit dem MSCI World-Index mithalten. Zuletzt jedoch nicht mehr. In fünf Jahren erzielte er 33,4%, auf Sicht von einem Jahr -10,5% (Zum Vergleich: iShares MSCI World ETF mit einer 1 Jahres-Performance von +10,3% und einer 5-Jahres-Performance von +56%; eine große Rolle spielte dabei zuletzt aber auch der starke US-Dollar ggü. dem Euro, während die chinesische Währung Renminbi tendenziell schwächelte; Anm. Armin). Mein Fazit China weist höhere Wachstumsraten auf als die USA oder Europa. Auch weil sich die chinesische Mittelschicht noch herausbildet und deutlich wächst. Seine Unternehmen sind wachstumsstark und deutlich günstiger bewertet als ihre US-Pendants. Noch profitiert China von vergleichsweise günstigen Energieträgern und setzt auf russisches Öl und Gas. Und auf Kohle. China steht inzwischen für 54% des weltweiten Kohleverbrauchs und während die Weltgemeinschaft insgesamt über die letzten 20 Jahre hier einen eher konstanten Verbrauch aufweist, hat China seinen Verbrauch massiv ausgeweitet. Das rächt sich durch Luftverschmutzung und Atemwegserkrankungen. Auch deshalb forciert China den Wandel zu regenerativen Energien und Elektromobilität. Bei den Risiken und Nebenwirkungen muss man unbedingt staatliche Willkür und fehlende Rechtsstaatlichkeit anführen. Die stehen nicht auf der Packungsbeilage, sind aber finanziell durchaus gesundheitsgefährdend. Nimmt man Russland als Vorbild und die Verstaatlichung von Yukos und anderen Konzernen ohne angemessene Entschädigung der (westlichen) Anleger, dann bisweilen auch tödlich. So wie Arsen. Doch auch das kann man in geringen Dosen konsumieren, ohne daran zugrunde zu gehen. Und so kann man es durchaus auch mit China-Aktien halten. Auf eigene Gefahr und entsprechend der eigenen Risikoneigung.
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“. | |
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: Apollo Global Management, Blackstone & KKR Weitere Informationen dazu findest Du hier... Meine neuesten Videos
Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen & ein schönes Wochenende wünscht Dir Dein Armin Brack Chefredakteur Geldanlage-Report >> Die nächste Ausgabe erscheint am 7. Mai Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen. Gerne kannst Du uns auch Themenvorschläge unterbreiten. Fragen und Anregungen bitte per Mail an redaktion@geldanlage-report.de TradingView© ist eine eingetragene Marke der ICE Data Services. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten! Hier kommst Du zu TradingView©. Geldanlage-Report weiterempfehlen! Wir würden uns freuen, wenn Du den Geldanlage-Report Deinen Freunden und Kollegen weiterleiten würdest! Kostenlose Anmeldung unter www.geldanlage-report.de |