Plus: Welche Gesundheits-Mythen stimmen – und welche nicht?
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Illustration: Chiara Brazzale
Guten Tag, 

eine gute Freundin von mir geht seit Jahren mindestens alle zwei Wochen ins Kino, und zwar allein. So wie andere das Fitnessstudio oder die Stammkneipe besuchen, hat sie diese regelmäßige Verabredung mit sich selbst. Ganz am Anfang unserer Freundschaft, als ich sie noch nicht gut kannte, habe ich einmal gefragt, ob ich sie begleiten dürfe, weil ich Ich, Daniel Blake von Ken Loach auch unbedingt sehen wollte sehen. »Nimms mir nicht übel«, sagte sie, »aber ich gehe lieber ohne Begleitung. Ich will unbeobachtet weinen.«

Der dunkle Kinosaal ist bis heute ihr geschützter Ort, an dem sie allen Gefühlen – im wahrsten Sinne des Wortes – freien Lauf lassen kann. Etwas, das ihr im Alltag als erwerbstätige Mutter zweier Kinder sonst zu selten gelingt, weil entweder kein Raum, keine Zeit oder kein Verständnis dafür da ist.

Wenn mir mal wieder zum Schreien zumute ist, weil Krieg ist, Pandemie, Stress oder Kleinkind-Überforderung, ich mich aber zusammenreiße, um irgendwie weitermachen zu können, denke ich oft an die emotionale Überlebensstrategie meiner Freundin. An diesen gezielten Gefühlsaderlass, damit sich so wenig Frust, Trauer oder Wut wie möglich anstaut.

Ich glaube nicht, dass regelmäßige Solo-Kinobesuche ein Allheilmittel gegen weggeschobene Gefühle sind. Aber sie sagen doch viel aus über eine Gesellschaft, in der von Erwachsenen in den meisten Fällen noch immer erwartet wird, sich emotional »im Griff zu haben« – was aus Sicht der Psycholinguistin Carlotta Welding häufig durch klassische Verdrängung passiert. Verdrängung sei eine kluge Überlebensstrategie des Gehirns, um mit traumatischen Erfahrungen umgehen zu können, sagt Welding. Aber sie sei kein Mechanismus, um grundsätzlich besser durchs Leben und den Alltag zu kommen.

Unsere Autorin Helena Ott hat mit Welding darüber gesprochen, warum es so wichtig ist, sämtliche Gefühle zuzulassen und zu durchleben, auch die weniger schönen: »Verdrängung ist auf Dauer sehr anstrengend und bedeutet viel Stress. Und dann gehen etwa Traurigkeit oder Angst dadurch ja nicht weg. Die negativen Gefühle können sich mit der Zeit aufstauen, kanalisieren und wieder an die Oberfläche treten. Das passiert dann unkontrolliert bei Wutausbrüchen, Angstzuständen, in einer Depression«, sagt sie.

Die Expertin erklärt, wo der Unterschied zwischen Verdrängung und Gefühlsblindheit liegt, wie man es schafft, tief verbuddelte Gefühle auszugraben und mit ihnen konstruktiv umzugehen, und wie man Kinder schon früh dabei unterstützen kann, mit der ganzen Bandbreite ihrer Emotionen klarzukommen. Ich empfehle Ihnen dieses Interview sehr – gerade in dieser schönen, aber manchmal auch mühsamen Zeit zwischen den Jahren, in der viele Menschen mit Gefühlen oder Beziehungen konfrontiert werden, die in den restlichen 51 Wochen des Jahres eine eher untergeordnete Rolle spielen.

»Manche Menschen haben große Angst, negative Gefühle hochzuholen«
Zum Interview
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die letzten Tage dieses Jahres!
Herzlich,
Sara Peschke
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