Plus: Die Schriftstellerin Irene Dische im großen Interview
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Illustration: iStock / by Malte Mueller
Guten Tag,

heute vor 79 Jahren wurde Auschwitz befreit. Am Vormittag des 27. Januar 1945 erreichten die Soldaten der Roten Armee das Konzentrationslager und durchbrachen mit einem Panzer das Tor mit der Inschrift »Arbeit macht frei«. Etwas später kamen sie ins drei Kilometer entfernte Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Historiker schätzen, dass in den Gaskammern dort rund 900.000 Menschen ermordet wurden. Mindestens 200.000 weitere Häftlinge starben in Auschwitz an Hunger, Krankheiten, Exekutionen, medizinischen Experimenten oder wurden schlicht zu Tode geschunden. Macht also 1,1 Millionen Opfer, vielleicht noch viele mehr. Damit niemand versehentlich über diese grauenerregende Zahl hinweg liest, wiederhole ich sie noch einmal: 1,1 Millionen Opfer. Mehrere tausend Häftlinge lebten allerdings noch, als die Befreier eintrafen, unter ihnen ein Mann namens Erwin Valentin. Um ihn soll es nun hier gehen.

Erwin Valentin, geboren 1883, lebte als angesehener Arzt in Berlin, bis er von den Nazis als »Halbjude« verhaftet und in mehreren Konzentrationslagern inhaftiert wurde. Nachdem er Auschwitz und den Krieg überlebt hatte, heiratete er eine Frau namens Irmgard Alberti, die sich schon während der Nazizeit unter großer persönlicher Gefahr für ihn eingesetzt hatte. Diese Irmgard war die Großmutter des SZ-Magazin-Redakteurs Lars Reichardt, Erwin Valentin somit sein Stiefopa. Als kleiner Junge erlebte mein Kollege seinen Opa Erwin als kauzigen Griesgram, der lieber in seinem Arbeitszimmer Zigarren rauchte, als sich mit Kindern abzugeben. Nachdem Valentin 1969 hochbetagt gestorben war, dachte mein Kollege nur noch selten an ihn und der unnahbare ältere Herr wurde bald zu einer fernen Kindheitserinnerung.

Bis zum Jahr 2012. Da gelangte nämlich auf verschlungenen Wegen ein Dokument in Reichardts Hände, das alles auf den Kopf stellte, was er bisher über seine Großeltern zu wissen glaubte. Nicht nur, dass er nun zum ersten Mal Genaueres über Opa Erwins Lagerhaft in Auschwitz erfuhr. Reichardt konnte dort außerdem lesen, dass Erwin Valentin das Hitler-Regime – anders als die meisten Deutschen – nicht nur nicht unterstützt, sondern abgelehnt hatte und den Nazis mit Anstand und Heldenmut entgegentreten war. Und dass er bereits wenige Tage nach seiner Befreiung wichtige Informationen über die Mordmaschinerie in Auschwitz zu Protokoll gegeben hatte und somit maßgeblich an der Dokumentation dieses Menschheitsverbrechens beteiligt war.

Was Reichardt sonst noch über die erstaunlichen Taten seines Großvaters erfuhr, hat er vor einigen Jahren fürs SZ-Magazin aufgeschrieben. So entstand eine höchst bewegende Geschichte, aus der man viel über persönlichen Mut lernen kann, über die Liebe – und über die Schatten der Vergangenheit, die oft länger sind, als man auf den ersten Blick glauben mag. Lars Reichardts Artikel ist sicherlich an jedem Tag spannend zu lesen, hat aber, so denke ich doch, am heutigen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus eine ganz besondere Resonanz.

Ein Mann mit Vergangenheit
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Ein paar Jahre nach Erscheinen der Geschichte über Erwin Valentin gab es dann übrigens noch eine überraschende Fortsetzung. Eine Berliner Historikerin, die im Auftrag des Fußballvereins Hertha BSC die Lebensgeschichte des jüdischen Sportarztes Hermann Horwitz recherchierte, meldete sich bei Reichardt, weil sie in seinem Artikel einen wichtigen Hinweis entdeckt hatte. Was Hertha mit Auschwitz und dieser Hermann Horwitz mit Erwin Valentin zu tun hatte, erfahren Sie aus einem weiteren spannenden Artikel von Lars Reichardt, den ich etwas weiter unten verlinkt habe.

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende!

Ihr Johannes Waechter

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