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Tägliche Post aus der Chefredaktion

Stimme
des Westens

Moritz Döbler

18. März 2020

Liebe Frau Do,

heute starten wir nicht mit Corona, sondern mit einem herzlichen Willkommensgruß: Viele Leserinnen und Leser, die sich für unser Digitalangebot RP+ registriert haben, bekommen den Newsletter „Stimme des Westens“ heute zum ersten Mal. Danke, dass Sie dabei sind! Was Sie erwartet, ist ein persönlicher, manchmal pointierter Einstieg in den Tag. Den Titel „Stimme des Westens“ verstehe ich nicht nur als geographische, sondern weltanschauliche Verortung – für die Vernunft, für Aufklärung, Markt und Europa, vor allem aber für die Werte einer freien Gesellschaft. Die regelmäßigen Leserinnen und Leser kennen das schon, aber ich wollte es nochmal sagen. Wenn Sie den Newsletter heute zum ersten Mal bekommen, dann schreiben Sie mir gerne Ihre Meinung. Alle anderen machen davon schon regelmäßig Gebrauch. Also nochmals: Seien Sie willkommen!

„Die Renten sind sicher“: Erinnern Sie sich an diesen Satz von Norbert Blüm? Man kann bei aller Wertschätzung für den schwer erkrankten Politiker im Rückblick sagen, dass sein Versprechen nicht gehalten wurde. Oder: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“ Der Satz stammt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, damals ging die Finanzkrise so richtig los. Auch dieses Versprechen hatte keinen Bestand: Dank der anhaltenden Niedrigzinspolitik sind die Spareinlagen in ihrem realen Wert dramatisch geschrumpft, waren also alles andere als sicher. Es kann einen also argwöhnisch stimmen, wenn behauptet wird, dass etwas sicher sei. Gestern hat Bundesagrarministerin Julia Klöckner gesagt: „Die Lebensmittelversorgung ist gesichert.“ Und die Bundesbank sagt, die Bargeldversorgung sei gesichert. An beidem haben die Menschen offenbar Zweifel, wie die leeren Nudelregale in den Supermärkten und der Run auf Geldautomaten zeigen. Ich bin da gelassener: Die Lebensmittel- und Bargeldversorgung erscheint mir ziemlich sicher, jedenfalls um ein Vielfaches sicherer als die Renten und das Ersparte. Die aktuellen Nachrichten rund um die Corona-Krise können Sie in unserem Liveblog verfolgen.

Womit wir bei der Frage der politischen Verantwortung wären. Ich glaube, wir müssen langsam darüber nachdenken, ob unsere Krisenmanager im Bund und in NRW eigentlich einen guten Job machen. Dass es ein schwerer Job ist und man im Rückblick immer vieles besser weiß – geschenkt. Aber war es wirklich eine gute Idee, den Landkreis Heinsberg nicht abzuriegeln? Ich habe mir in meinem Leitartikel ein paar Gedanken dazu gemacht, und ich gehe davon aus, dass wir uns solche Fragen noch lange stellen werden. Es scheint jedenfalls so zu sein, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der angeblich nicht Kanzler werden will, in Sachen Corona beherzter zur Sache geht als NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der das sehr gerne werden will. Friedrich Merz, sein Kontrahent in der CDU, der das ebenfalls werden will, wurde derweil positiv auf das Virus getestet. Wir von der Rheinischen Post haben ihm unsere Genesungswünsche übermittelt, eigentlich waren wir für morgen zum Telefoninterview verabredet. Ich hätte mich brennend dafür interessiert, wie er das Krisenmanagement in NRW und im Bund beurteilt – hoffentlich gesundet er bald und können wir das nachholen.

Zum Corona-Krisenmanagement gehört ein Verständnis von exponentiellen Kurven, dem für Pandemien typischen, sehr steilen Verlauf. Das Ziel muss sein, sie möglichst flach zu halten, und das geht am besten am Anfang. Die politische Frage ist also, ob am Anfang genug getan wurde, siehe oben. Journalisten sind häufig nicht so gut in Mathe, unser Politik-Chef Dr. Martin Kessler allerdings schon, und deswegen hat er sich eingehend mit der mathematischen Grundlage des exponentiellen Wachstums beschäftigt. Vielleicht hätte er seinen Beitrag vor drei Wochen schreiben und ins Bundesgesundheitsministerium und in die Staatskanzlei in Düsseldorf schicken sollen? In jedem Fall verstehen Sie nach der Lektüre besser, was noch vor uns liegt, denn die Kurve steigt noch. Falls Sie das wissen wollen, aber Ihnen Mathe gar nicht liegt, empfehle ich Ihnen das Interview, das unsere stellvertretende Chefredakteurin Eva Quadbeck mit dem Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery geführt hat. „Da wir ja davon ausgehen müssen, dass uns das Virus noch lange begleiten wird, frage ich mich, wann wir zur Normalität zurückkehren“, sagt er.

Gute Frage. Heute nicht, so viel ist sicher. Ich hoffe, dass Sie diesen Newsletter noch lange begleiten und es sich dabei um eine positive Erfahrung handelt. Und das wünsche Ihnen auch für den heutigen Tag: positive Erfahrungen trotz alledem. Bleiben Sie gesund und gelassen.

Herzlich

Ihr

Moritz Döbler

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