Wirbel im Nahen Osten von Daniel Pipes Washington Times 11. November 2019 http://de.danielpipes.org/19140/wirbel-im-nahen-osten Englischer Originaltext: Middle Eastern Gyrations Übersetzung: H.Eiteneier Wie immer ist der Nahe Osten auf monumentale Weise in Bewegung. Wie üblich sind die meisten Entwicklungen negativ. Hier haben Sie einen Leitfaden dazu: Wasser ersetzt Erdöl als Schlüssel-Flüssigkeit: Öl und Gas liefern immer noch fast 60 Prozent der Energie weltweit, aber diese Zahl ist rückläufig und selbst die reichsten Ölproduzenten verspüren den Druck. ("GCC states look to new taxes as oil revenues remain weak").[1] Dementgegen werden Spannungen um Wasser zu einer wichtigen Quelle internationaler Spannungen (z.B. die Türkei gegen Syrien, Äthiopien gegen Ägypten) und zu einer treibenden Kraft innenpolitischer Veränderungen (die syrische Revolte von 2011). Sie sind zudem eine potenzielle Ursache für massive Migration; ein ehemaliger iranischer Landwirtschafsminister sagt voraus, dass Wasserknappheit bis zu 70 Prozent der Bevölkerung des Landes oder 57 Millionen Iraner dazu zwingen wird auszuwandern. Oman: Wasser, Öl oder Gas? In diesem Fall Wasser |
Anarchie ersetzt Tyrannei: Natürlich verbleiben einige Tyranneien, insbesondere in der Türkei und dem Iran, aber Anarchie ist zum größeren Fluch der Region geworden, darunter in ganzen Ländern (Libyen, Jemen, Syrien) und Teilen von anderen (z.B. im Sinai). Obwohl allgemein weniger bedrohlich für die Welt außerhalb, ist Anarchie eine noch elendere persönliche Erfahrung als Tyrannei, denn ihr fehlen Leitlinien. So vermerkt ein Koran-Gelehrter des 13. Jahrhunderts: "Ein Jahr Tyrannei des Sultans richtet weniger Schaden an als ein Augenblick Anarchie des Volks." Das Scheitern der Bemühungen der arabischen Jugendlichen um Verbesserungen: Um 1970 begann in vielen arabischsprachigen Ländern ein Zeitalter korrupter Herrschaft starker Männer. Beginnend in Tunesien im Dezember 2010 haben Bemühungen die alte Ordnung zu stürzen Regierungen erschüttert, was aber wenig nützliche Folgen hatte. In einige Fällen (Libyen, Jemen, Syrien) führte das zu Bürgerkrieg; in anderen (Ägypten) brachten sie nur einen jüngeren starken Mann an die Macht. Jüngste Aufstände in Algerien, dem Sudan, dem Irak und dem Libanon müssen beendet werden, aber wahrscheinlich werden auch sie schlimm enden. Islamistische Herrschaft endete nicht gut für Ägyptens Mohamed Morsi, der im Gefängnis starb |
Der Niedergang des Islamismus: Nachdem er um 2012 seinen Gipfel erreichte, hat der radikale Versuch islamisches Recht ernsthaft und in vollem Umfang anzuwenden im Nahen Osten an Boden verloren. Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich: Eine Angst vor wild extremistischen Fanatikern wie Boko Haram, Al-Schabaab, ISIS und den Taliban; die trostlose Erfahrung muslimischer Völker, die unter islamistischer Herrschaft gelebt haben (z.B. Ägypten 2012/13); und das Zerbrechen der Islamisten (z.B. in Syrien) in rivalisierende und feindliche Lager. Was nach dem Islamismus kommen könnte, ist unklar, aber nach einem Jahrhundert der Fehlschläge mit ihm und anderen extremistischen Ideologien (einschließlich Faschismus und Kommunismus) könnte ein Zeitalter der Antiideologie vor uns liegen. Der Iran, nicht Israel, ist das am stärksten polarisierende Land: Jahrzehnte lang trieb und teilte das Thema des jüdischen Staats die Nahost-Politik; heute ist es der Iran. Die Islamische Republik dominiert vier arabische Hauptstädte (Bagdad, Damaskus, Beirut und Sanaa), ist an anderen Orten aggressiv aktiv und verbreitet seine radikale Version des Islam. Regierungen, die einst Israel als Erzfeind bedrohten, insbesondere Saudi-Arabien, arbeiten jetzt auf eine Reihe von Weisen mit ihm offen oder verdeckt zusammen. Nebenbei bemerkt: Die globale Linke hat den alten, toxischen Antizionismus der arabischen Staaten übernommen; Israel genießt heute bessere Beziehungen zu Saudi-Arabien als zu Spanien oder Schweden. Der Iran und die Türkei übernehmen den Antizionismus der arabischen Staaten: Die Ära der Kriege arabischer Staaten gegen Israel dauerte 25 Jahre, von 1948 bis 1973 und endete vor 46 Jahren, weil die Politiker feststellten, dass dieser Konflikt zu teuer und zu riskant ist. Stattdessen überließen sie ihn nichtstaatlichen Spielern wie den Palästinensern. Im Eifer die Lücke zu füllen machten Khomeini im Iran und Erdoğan in der Türkei die Gegnerschaft zu Israel zum zentralen Element ihrer Botschaft. Bisher haben sie ihre Aggression auf Worte beschränkt, was sich aber dramatisch ändern könnte. Amerikaner reagieren auf Über-Einmischung: George W. Bush begann fast gleichzeitige Kriege in Afghanistan und dem Irak, die viele Amerikaner übertrieben kostspielig und waghalsig fanden, was eine langfristige Gegenreaktion auslöste. Barack Obama und Donald Trump reagierten jeweils auf ihre charakteristische Art (einer kritisch den USA gegenüber, der andere unbändig nationalistisch), um das militärische US-Engagement in der Region zu reduzieren. Obamas Rot-Linie-Rückzug von 2012 und Trumps Abzug von Soldaten 2019, beide in Syrien, symbolisieren diesen Rückzug. Trump und Obama stimmen in einer Kleinigkeit überein: Abzug aus dem Nahen Osten. |
Russland macht Lärm, aber China baut: Wladimir Putin scheint überall zu sein – schließt Handelsabkommen, verkauft Waffen, schickt Truppen, beruft Konferenzen ein – aber das ist die Pyrotechnik einer Macht im Niedergang. Derweil bau Xi Jinpings China in aller Stille seine wirtschaftliche Infrastruktur, ein Netzwerk politischer Bündnisse und militärischer Macht in der Region auf, auf das zurückgegriffen werden kann, wann immer Beijing beschließt seinen Willen wirken zu lassen. Beijing, nicht Moskau, stellt die große Gefahr dar. Eine nicht verschämte gute Nachricht sticht aus diesen vielen sich hinziehenden Problemen heraus – der Niedergang des Islamismus. Die Illustration der Washington Times zu diesem Artikel |
[1] Golfstaaten suchen nach neuen Steuern, weil Öl-Erträge schwach bleiben Verwandte Themen: Politik im Nahen Osten |