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Wirecard: Bestandsaufnahme!

Lieber Geldanleger,

 

langsam aber sicher dämmert es Anlegern wie Analysten, dass hinter der Financial Times-Attacke auf Wirecard mehr steckt als Fake-News. Als solche hatte Commerzbank-Analystin Heike Pauls ja den neuerlichen Wirecard-kritischen Artikel in der Financial Times bezeichnet.

Dieser hatte am 30. Januar den jähen Absturz der Aktie ausgelöst. Inzwischen haben sich Commerzbank-Manager für den Kommentar entschuldigt!

Damit nicht genug haben nun zwei weitere Analysten ihre Kursziele für Wirecard deutlich reduziert und US-Anwaltskanzleien wie Hagens Berman gar Sammelklagen gegen Wirecard eingereicht. Letzteres ist nicht unbedingt ein Indiz für die Schuld Wirecards. In den USA wird quasi pro forma geklagt, auch wenn nur ein kleiner Verdacht auf Unregelmäßigkeiten vorliegt.

Auffällig ist aber, dass eine nachhaltige Kurserholung ausbleibt. Die Aktie pendelt um die 100 Euro-Marke und reagiert ultra nervös auf News und Gerüchte rund um das Unternehmen.

Warum ist das so?

1. Nun, zunächst mal muss man nüchtern konstatieren, dass sich die Risiken erhöht haben. Wir die Tatsache ignoriert, dass die Singapurer Polizei bei Wirecard vorstellig geworden ist und Rechner und ähnliches beschlagnahmt hat, tut dies auf eigene Gefahr.

2. Die Financial Times nennt in ihrer aktuellen Artikelserie Namen! Manipulationsvorwürfe gehen konkret an die Adresse bestimmter Mitarbeiter. Auch Personen aus der erweiterten deutschen Führungsriege werden in späteren Artikeln namentlich genannt.

Das ist ein gewaltiger Unterschied zu den teils diffusen und weit in der Vergangenheit liegenden Vorwürfen, die von Zatarra Research 2016 erhoben worden sind. Das wiederum bedeutet, dass man sich bei dem renommierten britischen Blatt sehr sicher sein muss, dass die Anschuldigungen tatsächlich Substanz haben.

Wenn das Ganze wirklich erfunden wäre, würde die Zeitung bzw. der dahinter stehende Verlag auf Grund der drohenden Schadensersatzklagen seine Existenz riskieren.

3. Die Financial Times zitiert aus einem zwar vorläufigen, aber komplett unabhängigen externen Gutachten der renommierten Anwaltskanzlei Rajan & Tann. Zudem stellt das Blatt klar, dass es nicht nur ein Whistleblower war, der die Untersuchungen ins Laufen gebracht hat, sondern gleich mehrere.

Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nicht um einen privaten Streit zwischen zwei Mitarbeitern handelt, der quasi auf dem Rücken von Wirecard ausgetragen wird. Letzteres hatte das Unternehmen als Erklärung für die Vorkommnisse angeboten.

Ich gebe zu, dass auch ich anfangs diese Version für durchaus wahrscheinlich gehalten habe. Allerdings hatte ich mich auch schon im Video vom 6. Februar gewundert, warum dann eigentlich die betreffenden Mitarbeiter nicht entlassen worden sind, sondern nach wie vor für Wirecard arbeiten? Ebenfalls nicht plausibel ist die Tatsache, dass die Ermittlungen so lange andauern, wenn der Sachverhalt so eindeutig ist.

Die Nervosität der Aktie ist auch noch aus einem anderen Grund verständlich: Wenn die externe Untersuchung durch die Singapurer Anwaltskanzlei nicht mit einer vollkommenen Entlastung von Wirecard endet – und davon ist im Moment auszugehen – könnte es zu einer verhängnisvollen Kettenreaktion kommen.

Denn die Financial Times behauptet in ihren Artikeln, dass Wirecard bei den angeblichen künstlichen bzw. gefakten Umsätze eine ganz bestimmte Absicht hatte: sich die Lizenz für Hongkong zu erschleichen, die man benötigt hat, um einen großen Deal mit der Citigroup machen zu können.

In der Folge aber könnte es dann passieren, dass die Hongkonger Aufsichtsbehörde Wirecard die Lizenz entzieht, was wiederum dazu führen könnte, dass Wirecard den für das Unternehmen so wichtigen Deal mit der Citigroup verlieren würde.

Geht der Deal mit der Citigroup aber verloren, dann wären nicht nur diese Umsätze weg, sondern es würden womöglich auch weitere potenzielle zukünftige Deals nicht zustande kommen, weil das Image von Wirecard enormen Schaden nehmen würde.

Immer noch kein Schnäppchen

Das ist natürlich zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation. Aber: Nirgendwo ist der Faktor Vertrauen so wichtig wie in der Finanzbranche. Selbst wenn die absolute Summe der Umsätze, um die es in den Untersuchungen geht, gering ist, könnten die Folgen im Falle einer Nicht-Entlastung von Wirecard durchaus dramatisch sein.

Nicht vergessen sollte man auch, dass die Aktie bewertungstechnisch nach wie vor alles andere als ein Schnäppchen ist: Beim aktuellen Kurs von rund 100 Euro liegt das 2019er-KGV immer noch bei 25.

Das ist das Gefährliche an der Situation. Denn wenn das Wachstum von Wirecard ins Stocken kommen sollte durch diesen Skandal – und das ist nach dem was nun alles vorgefallen ist sehr gut möglich – dann wäre auch ein KGV von 25 noch immer viel zu hoch.

Selbst wenn wir dann relativ großzügig ein KGV von 15 ansetzen, ergäbe sich ein Kursziel von nur 64 Euro - und selbst das wäre dann ja immer noch unter dem Vorbehalt, dass die Gewinnschätzungen der Analysten Bestand haben.

Kommt es zum dem Szenario, das ich gerade oben beschrieben habe, dass die Gewinne in 2019 nur stagnieren sollten und man setzt darauf ein KGV von 15 an, dann sind wir schon bei einem Kursziel von nur noch 47 Euro.

Wirecard AG (ISIN: DE0007472060)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 18/19e/20e
Kurs
747206 / WDI
12,3 Mrd. EUR
43 / 25 / 17
99,90 EUR


MEIN FAZIT:

Ein Kauf drängt sich momentan nicht auf!

 


 

3 Werte im Check:
Coca-Cola + Aumann + Lang & Schwarz


Lang & Schwarz

Eine böse Überraschung gab es heute für die Aktionäre des Handelsplattform-Betreibers. In allererster Linie wegen extrem hoher Steuerrückstellungen ist im vierten Quartal 2018 ein hoher Verlust von 4,1 Millionen Euro statt eines Gewinns von 2,6 Millionen Euro wie im Vorjahr angefallen. Zu den bereits 2017 gebildeten Steuerrückstellungen von rund 3,4 Millionen Euro kommen nun in 2018 weitere 9,15 Millionen Euro hinzu.

Gemäß der steuerlichen Neuregelung sind die Gewinne aus dem Derivategeschäft voll steuerpflichtig und die Gewinne aus Aktiengeschäften mit 5 Prozent steuerpflichtig. Im Gegenzug sind Verluste aus Aktiengeschäften steuerlich nicht abziehbar. Das Unternehmen ist hier fundamental anderer Ansicht und will im Extremfall den Klageweg beschreiten, um die Situation final abzuklären.

Viele Aktionäre waren hier im Vorfeld zuversichtlich, dass es zu einem genau umgekehrten Effekt kommen würde: dass nämlich die Steuerrückstellungen aufgelöst werden würden und ein hoher einmaliger Gewinn ausgewiesen werden könnte. Entsprechend enttäuscht reagierten die Anteilseigner. Die Aktie wurde um rund 10 Prozent auf 18,90 Euro abverkauft.

Lang + Schwarz AG (ISIN: DE0006459324)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 18/19e/20e
Kurs
645932 / LUS
59 Mio. EUR
negativ / 8 / 7
18,60 EUR


MEIN FAZIT: Rein auf Basis des operativen Gewinne hätte der Gewinne je Aktie bei über 2,00 Euro gelegen. Das KGV wäre damit im einstelligen Bereich. Auf Grund der steuerlichen Unsicherheiten müssen die Düsseldorfer aber jetzt möglicherweise das Geschäftsmodell umstellen. Daher rate ich zunächst zum Abwarten.


Aumann

Bei der Elektromobilitäts-Hoffnungsträger gab es nun eine weitere Abstufung eines Analysten: Die Commerzbank hat das Kursziel von 44 auf 38 Euro gesenkt und die Einstufung von "Buy" auf "Hold" - und das alles bereits im Vorfeld der Quartalszahlen.

Die Ergebnisse des Maschinenbauers für 2018 und ein möglicherweise konservativer Ausblick könnten zu einer überfälligen Korrektur der Konsensschätzungen führen, schrieb Analyst Stephan Klepp am Donnerstag.

Zuletzt kam der gesamte Autozuliefersektor erneut massiv unter Druck nachdem Leoni eine verheerende Gewinnwarnung veröffentlicht hat. Eigentlich gilt Aumann als Gewinner der Entwicklung weg vom Verbrennungsmotor.

Doch zumindest in Europa kommen Elektroautos nur langsam in Fahrt und Aumann erzielt immer noch mehr als die Hälfte seiner Umsätze mit Teilen für Autos mit Verbrennungsmotoren.

Aumann AG (ISIN: DE000A2DAM03)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 18/19e/20e
Kurs
A2DAM0 / AAG
422 Mio. EUR
21 / 17 / 14
27,70 EUR


MEIN FAZIT: Zuerst die Zahlen abwarten und dann in einen eventuellen weiteren Kursrückgang erste Positionen aufbauen.


Coca-Cola

Den höchsten Tagesverlust seit vielen Jahren mussten Coca-Cola-Aktionäre am Donnerstag hinnehmen. Die Aktie verlor über sieben Prozent.

Der US-Getränke-Riese rechnet 2019 mit einem Gewinn je Aktie von nur 2,06 bis 2,10 US-Dollar je Aktie. Analysten hatten im Schnitt mit 2,23 US-Dollar je Aktie gerechnet. Die Differenz klingt nicht dramatisch, aber für Coca-Cola waren derartige Prognoseverfehlungen bisher eher ungewöhnlich.

Begründet wird der schwache Ausblick mit steigenden Fracht- und Rohstoffkosten. Die im Gegenzug angehobenen Preise veranlassten einige Kunden die Brause im Regal stehen zu lassen. Die Preismacht scheint nachzulassen.

Die Anleger reagierten auch deshalb so empfindlich, weil viele mit einer deutlichen Anhebung der Dividende gerechnet hatten. Dazu dürfte es jetzt wohl nicht mehr kommen.

Coca-Cola hat nach wie vor ein starkes Geschäftsmodell und u.a. durch sein weltweites Vertriebsnetz Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Aber die Probleme sind tiefer greifend als nur steigende Kosten.

In Zeiten von speziell in den USA zunehmender Fettsucht werden Limonaden mehr und mehr als gesundheitsschädlich wahrgenommen. Auf Cola trifft dies in besonderem Maße zu: Denn die Brause wird aus besonders ungesundem Zucker hergestellt:

Entweder aus Saccharose oder besonders Fruktose-reichem Mais-Sirup (HFCS). HFCS ist billig, künstlich hergestellt, leicht verfügbar - und schädlich!

Fruktose kommt zwar auch in vielen natürlichen unverarbeiteten Lebensmitteln wie Obst vor, aber in Cola halt in besonders hohen Mengen. Der menschliche Körper ist nicht dafür gemacht, diese zu verarbeiten.

Im Gegensatz zu Glukose (die andere Nachteile hat), wird Fruktose von der Leber in Fett und Glykogen umgewandelt. Überschüssiges Fett bleibt dort zurück und kann NAFLD auslösen, eine nichtalkoholische Fettlebererkrankung.

Es wird geschätzt, dass bis zu 25 Prozent der US-Bevölkerung an NAFLD leiden. Nachdem der Kampf gegen Tabakkonsum ja bereits in vollem Gange ist, könnte in den kommenden Jahren Zucker und insbesondere Fruktose noch mehr in die Schusslinie geraten. Das wäre ein echtes Problem für Coca-Cola. Zwar gibt es inzwischen einige Zuckerersatzstoffe am Markt, aber die haben ihrerseits wieder Nachteile. Aspartam beispielsweise wird mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht und soll Glukose-Intoleranz begünstigen.

Sogar die digitale Disruption könnte sich negativ auf Coca-Cola auswirken auch wenn das Unternehmen auf den ersten Blick nicht betroffen scheint. Dadurch, dass speziell die 18- bis 24-jährigen immer öfter auch Lebensmittel online ordern, nehmen Impulskäufe am Ladenregal ab. Online bestellen viele wesentlich überlegter und ordern dabei auch häufiger gesündere Getränke.

Coca-Cola Co. (ISIN: US1912161007)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 18/19e/20e
Kurs
850663 / KO
193 Mrd. USD
23 / 22 / 21
45,37 USD


MEIN FAZIT: Coca-Cola-Aktionäre müssen sich nicht unmittelbar Sorgen machen. Sie sollten sich allerdings darüber im Klaren sein, dass das Unternehmen und damit auch die Aktie nicht so unangreifbar sind wie es scheint. Noch ist die Aktie aus meiner Sicht eine knappe Halteposition, aber die weitere Entwicklung muss genau beobachtet werden.

Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es können daher keine Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.


 

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Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen &
ein schönes Wochenende wünscht Dir

Dein
Armin Brack
Chefredakteur Geldanlage-Report

>> Die nächste Ausgabe erscheint am 23. Februar

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