Zunächst kurz zum Unterschied zwischen Adyen und PayPal. Adyen betreibt eine digitale Plattform zur Abwicklung von Zahlungs-Transaktionen. Das hat PayPal auch, aber darüber hinaus ist PayPal eben für den Privatkunden auch eine Art Bankkonto-Ersatz bzw. Alternative. Privatkunden können über PayPal Zahlungen verschicken, Guthaben auf ihr PayPal-Konto buchen usw. PayPal wurde bereits 1998 gegründet, ist der absolute Pionier in dem Bereich, wurde dann später von Ebay ausgegliedert. Diese Millionen von Privatkunden, die PayPal hat, sind für das Unternehmen extrem wertvoll. PayPal ist deshalb der umfassendere Anbieter und mit einer Marktkapitalisierung von derzeit 108 Mrd. Euro um den Faktor 6 größer als Adyen mit 17,6 Mrd. Euro. Aber Adyen hat in Punkto Marktkapitalisierung seit dem Börsengang stark aufgeholt, eben weil die Aktie so stark gestiegen ist. Dass Adyen auf dem Feld von PayPal wildert zeigt am besten das Beispiel Ebay. Denn hier löst Adyen ab der zweiten Hälfte 2020 PayPal als Zahlungsabwickler ab. Das Beispiel ist in der Öffentlichkeit relativ breit getreten worden, weil natürlich gerade Ebay als ehemaliger Muttergesellschaft von PayPal besonders mit PayPal in Verbindung gebracht wird. Der eigentliche Hintergrund ist hier aber ein anderer. Denn Adyen hat eine besondere Lösung für Handelsplattformen, um die Zahlungen an die Marktplatzhändler durchzuführen. Dort gelten strengere regulatorische Anforderungen an die Zahlungsabwicklung (Stichwort KYC, „know your customer“). Deshalb hat Adyen auch die anderen großen Marktplätze Etsy und Airbnb als Kunden. Hinzu kommen Firmen wie Netflix und Spotify. Wirecard als direkter Konkurrent Der direkte Konkurrent von Adyen, was das Geschäftsmodell betrifft, ist aber eigentlich Wirecard. Das Geschäft der beiden ist fast identisch. Adyen hat den oben beschriebenen Vorteil, Wirecard hat als Alleinstellungsmerkmal noch das sogenannte „White label couponing“: Damit können die Kunden zusätzlich Gutscheinprogramme abwickeln und so die Kundenbindung erhöhen. In diesem Zusammenhang ist auch die neue Multi-Merchant Loyality-Lösung zu sehen, deren Einführung Wirecard am Dienstag bekanntgegeben hat. Dabei handelt es sich um eine Art Treueprogramm, die ein bestimmtes Einkaufsverhalten des Kunden belohnt. Solche Programme gibt es ja schon wie Sand am Meer, aber das von Wirecard soll verschiedene Branchen verknüpfen und global sein. Das gibt es bisher in der Form nicht und Wirecard geht von einem Umsatz in Höhe von 150 Millionen Euro aus, der sich damit innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate realisieren lässt. Das ist durchaus eine Hausnummer. Ansonsten ist das Geschäft von Adyen und Wirecard aber fast identisch, wobei Wirecard seinen geographischen Schwerpunkt zunehmend in Richtung Asien verlegt während Adyen neben Europa besonders in Richtung USA strebt, was natürlich auch damit zu tun hat, dass eben die oben genannten Marktplatzkunden überwiegend aus den USA kommen. So ähnlich sich aber Adyen und Wirecard im operativen Geschäft sind und auch was das abgewickelte Transaktionsvolumen betrifft, so unterschiedlich sind sie in ihren Strukturen. Thomas Borgwerth hatte das vor Jahresfrist ja bereits für Finanz-Szene.de herausgearbeitet. Wirecard betreibt einen immensen Aufwand, hatte Ende 2017 bereits 4.500 Mitarbeiter, bei Adyen waren es noch nicht einmal 700. Entsprechend lagen die gesamten Personal- und Sachkosten bei Wirecard mit 345 Mio. Euro fast beim Dreifachen der Kosten von Adyen (126 Mio. Euro). Auch eine weitere Feststellung von Borgwerth ist frappierend: Wirecard hat demnach in den zurückliegenden drei Jahren (ausgehend von 2017) mehr als 40mal soviel für Investitionen aufgewendet im Vergleich zu Adyen. Wirecard sagt, das hänge damit zusammen, dass laufend sechs bis sieben Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert würden. Jede neue Technologie sei im Grunde nur eine Brücke zur nächsten neuen Technologie. Ob sich der enorme Forschungsaufwand lohnt ist schwer zu sagen, zumal ja auch Adyen damit wirbt, dass man sich gegenüber der Konkurrenz durch eine ausgefeiltere Technologie differenzieren möchte. Also beiden erheben zumindest indirekt den Anspruch Technologieführer sein. Gelingt die Differenzierung von der Konkurrenz? Eigentlich gibt es aber gar nicht so viel, um sich zu differenzieren, zumindest wenn es nach Borgwerth geht. Der sagt nämlich: "Die klassischen Zahlungsabwicklungsarten wie das Acquiring sind hochgradig standardisierte Dienstleistungen. Die Wertschöpfungskette (Gateway – Risk Management – Akzeptanz – Zahlungsverarbeitung) bietet kaum noch Möglichkeiten der Differenzierung." Und weiter: "Sogar die künstliche Intelligenz hat eigenen Angaben zufolge sowohl bei Adyen als auch bei Wirecard längst Einzug ins Risk Management gehalten. Das Acquiring ist ein hochvolumiges, sehr preissensitives Standardgeschäft – so wie das in reifen Branchen üblich ist." Und schließlich gibt es ja auch noch die Margenthematik. Auf Basis des gesamten Transaktionsvolumens kommt Wirecard auf einen Wert von knapp 0,4%, bei Adyen sind es dagegen nur 0,12%. Ich hatte hierzu ja mal in meinem Special meine eigene Theorie aufgestellt, nämlich dass Wirecard viele Geschäfte mit Drittanbietern macht: Die kommen dann zustande, wenn Wirecard für bestimmte Online-Geschäfte nicht direkt die Zahlungsverarbeitung übernehmen will bzw. kann. Das können z.B. Online-Glücksspiele oder -Pornographie sein. Damit diese Firmen überhaupt Zahlungsverarbeitungs-Partner wie Wirecard bekommen, müssen sie entsprechend höhere Gebühren abdrücken. Diese Geschäfte mit Drittanbietern waren auch immer wieder der Angriffspunkt für Leerverkäufer. Und, um auf Adyen zurückzukommen, bei den Niederländern gibt es diese Angriffspunkt eben nicht so. Das Unternehmen wird sehr effizient geführt, ist auf Grund der Strukturen viel überschaubarer und hat einen klar skizzierten Wachstumsplan. Die andere Frage ist natürlich, ob das die aktuelle Bewertung rechtfertigt. Der Kurs ist zuletzt ja deutlich zurückgekommen. Auf diesem Niveau liegt das 2021er-KGV noch bei 44. Dem zugrunde liegt eine Umsatzannahme von 917 Millionen Euro und ein Nettogewinn von 406 Millionen Euro. Wir reden hier also von einer gigantischen Nettomarge. Bei Wirecard dagegen sollen es bis dahin 4,3 Milliarden Euro Umsatz sein, also mehr als viermal so viel, bei einem Nettogewinn von 935 Millionen Euro. Das 2021er-KGV läge dann nur noch bei unter 20. Margenannahmen zu optimistisch? In diesen Prognosen spiegelt sich also im Prinzip das wieder, was ich zum Geschäftsmodell geschrieben habe: Adyen wird in der Lage sein auf Grund des schlanken Geschäftsmodells extrem profitabel zu werden, aber eben bei deutlich geringeren Umsätzen. Für diese in 2021 erwartete Profitabilität müssen wir als Anleger einen hohen Bewertungsaufschlag bezahlen. Bei Wirecard dagegen ist diese Skalierbarkeit nicht so hoch, dafür ist die Bewertung aber deutlich attraktiver. Auffällig war zudem, dass Adyen bei den Halbjahreszahlen zwar starke Ergebnisse gemeldet hat, die mittelfristige Prognose für die Profitabilität aber noch nicht nach oben genommen hat. Ich habe insgesamt Zweifel, ob für Adyen bis 2021 wirklich eine Nettomarge von 44 Prozent drin sein wird. Meine Einschätzung für Adyen: Nach dem jüngsten Kursrücksetzer: Halten. Wirecard halte ich dagegen fürs kaufenswert. Adyen NV (ISIN: NL0012969182) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 18/19e/20e | Kurs | A2JNF4 / 1N8 / ADYEN | 17,7 Mrd. EUR | 144 / 92 / 66 | 595,20 EUR |
PayPal: Der uneinholbare Pionier!? Und PayPal? Die haben inzwischen eine der best bekannten Marken in den USA und international mit ungefähr 267 Millionen aktiven Usern, 9,9 Milliarden Bezahltransaktionen und 578 Milliarden US-Dollar, die in 2018 insgesamt abgewickelt wurden. Alle drei Kennzahlen verbuchten Zuwächse zwischen 17 und 27 Prozent in 2018. Dabei hat PayPal verschiedene Einnahmequellen. Zum einen natürlich die Gebühren bei Bezahltransaktionen, die bei kommerziellen Umsätzen die Händler begleichen, abhängig vom Volumen. Zusätzlich verdient PayPal kräftig mit Währungsgebühren und schließlich mit so genannten Mehrwertdienstleistungen im Rahmen verschiedener Partnerschaften. Dabei hat sich insgesamt in den letzten Jahren eine Art Aufwärtsspirale entwickelt, den man auch als Netzwerkeffekte bezeichnen könnte. Mit der steigenden Zahl an Privatkunden zog PayPal auch eine immer größere Zahl an Händlern an, die quasi dem Wunsch der Privatkunden nach dieser Bezahlmöglichkeit nachgekommen sind. Und die Händler sind ja die, welche die Gebühren zahlen. Es gibt in diesem Zusammenhang aber noch einen weiteren Aspekt, der für PayPal spricht: In Untersuchungen wurde festgestellt, dass beim Online-Kauf die Wahrscheinlichkeit eines Kaufabbruchs durch den Kunden bei PayPal wesentlich geringer ist als z.B. beim Bezahlen mit der Kreditkarte. Fast 90 Prozent der Käufe werden bei PayPal konvertiert. Das heißt, wenn der Kunde an der virtuellen Kasse angekommen ist, schließt er in fast von neun von zehn Fällen dann auch tatsächlich den Kauf ab. Bei anderen Checkout-Mechanismen ist dieser Wert geringer. Auch daher forcieren viele Kaufleute trotz der Gebühren das Bezahlen mit PayPal. Schließlich kommt noch ein dritter Punkt hinzu. Ist PayPal erst einmal implementiert, dann ist der Aufwand für die Händler bei einem Umstieg relativ groß bzw. wollen diese auch nicht zu viele verschiedene Möglichkeiten anbieten, um den Kunden nicht zu verwirren. Das sind die grundlegenden Mechanismen, die dafür sorgen, dass PayPal immer weiter wächst. Clevere Zukäufe Darüber hinaus versteht es PayPal auch durch Übernahmen das eigene Leistungsangebot geschickt auszuweiten. Zu nennen wären hier insbesondere die Käufe von Venmo und Xoom. Venmo ist vor allem bei Millennials sehr beliebt, als Tool mit dem zum Beispiel die Rechnung im Restaurant auf verschiedene Personen aufgesplittet werden kann. Die Ausbreitung von Venmo bringt im Gegenzug auch wieder neue Kunden zu PayPal. Xoom ist ein Online-Geldtransfer-Tool und greift dabei die Offline-Riesen Western Union und Moneygram an. Das Wachstumspotenzial ist hier noch enorm und auch in diesem Fall gibt es ein entsprechendes Cross-Selling-Potenzial, also Kunden, die bisher nur bei Xoom waren, werden künftig auch PayPal-Kunden. Schließlich wächst der Online Payment-Pionier auch durch große Kooperationen immer weiter. Zwei besonders wichtige sind Uber und MercadoLibre. Mit Uber entwickelt man gemeinsam eine digitale Geldbörse, die dann wieder neue User für PayPal bringen sollte und bald wohl auch eine achtstellige Anzahl an Transaktionen jährlich. MercadoLibre dagegen ist die dominierende Online-Handelsplattform in Lateinamerika, eine Mischung aus Amazon und Ebay mit fast 300 Millionen registrierten Nutzern. Die Bezahl-Plattform Mercado Pago verarbeitet 6,5 Milliarden Transaktionen pro Jahr, sowohl online als auch offline. Hier ist PayPal im März direkt eingestiegen mit einer Summe von 750 Millionen US-Dollar. Mein Fazit: Mit einem 2019er-KGV von derzeit rund 30 und einem von Analysten erwarteten Gewinnwachstum von 18 Prozent p.a. über die kommenden fünf Jahre scheint die Aktie nach dem Rücksetzer durchaus wieder attraktiv bewertet und ist kaufenswert. PayPal Holdings Inc. (ISIN: US70450Y1038) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 18/19e/20e | Kurs | A14R7U / PYPL | 119 Mrd. USD | 42 / 30 / 29 | 101,46 USD |
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