Die Häufung von teilweise schweren Fällen der Leberentzündung Hepatitis (Gelbsucht) bei Kindern in mehreren Ländern Europas und dem US-Bundesstaat Alabama treibt Sorgenfalten auf die Stirn von Fachmedizinern. „Es ist ein Rätsel“, sagt Stefan Zeuzem, Direktor der Medizinischen Klinik I an der Universität Frankfurt am Main, dem FOCUS-Newsletter. „Ich habe die letzten 30 Jahre jeden größeren Leberkongress besucht. So eine Häufung war noch nie ein Thema.“ Die Gesamtzahl der seit Anfang April registrierten Fälle in Großbritannien, Irland, Dänemark, den Niederlanden, Spanien und den USA liegt im niedrigen dreistelligen Bereich. Aus Deutschland liegen keine Meldungen vor. Einige Kinder erkrankten so schwer, dass eine Leberübertragung notwendig wurde.
Beim Auslöser handelte sich nach bisherigen Analysen nicht um ein Hepatitisvirus. Es sind aber mehrere Erreger bekannt, die zu einer derartigen Entzündung führen können, darunter das Epstein-Barr-Virus und Subtypen der auch als Schnupfenauslöser bekannten Adenoviren. „Natürlich könnte es sich auch um ein bislang unbekanntes Hepatitisvirus handeln. Das wäre eine Sensation“, sagt Zeuzem.
Der Frankfurter Internist kann wie viele andere Experten auch eine Beteiligung von Sars-CoV-2 und eine Komplikation im Verlauf einer Covid-19-Erkrankung nicht gänzlich ausschließen. Die Meldungen seien jedenfalls „absolut beunruhigend“. Eine Theorie stellt einen weiteren Zusammenhang mit der Pandemie her: Nach Aufhebung verschiedener Pflichten zur Isolation und zum Maskentragen könnte die Anfälligkeit für Erreger aller Arten erhöht sein.
Kurt-Martin Mayer, Wissen & Gesundheit |