Liebe Frau Do, fast ein Jahr nach der Tötung von George Floyd ist am Abend das Urteil gefallen. Die Geschworenen sprachen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin in allen Anklagepunkten schuldig. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet, doch klar ist: Damit droht Chauvin eine lange Haftstrafe. Vor einer Woche hatte ich Ihnen geschrieben, dass die Kanzlerkandidatur von Armin Laschet zwar nicht besiegelt sei: „Aber wenn die CSU das drehen will, müsste der Schwanz mit dem Hund wedeln – das gibt es in der Politik eher selten.“ Ich gebe zu, dass ich zwischenzeitlich an meiner eigenen Prognose gezweifelt habe, weil der Machtkampf mit Markus Söder nicht enden wollte. Jetzt ist klar: Die Union schickt Armin Laschet ins Rennen. Der Rheinländer hat gewonnen, aber alle politischen Risiken liegen bei ihm und nicht bei seinem fränkischen Widersacher. Wie Kerstin Münstermann in ihrem Leitartikel schreibt, steht ihm die eigentliche Bewährungsprobe erst noch bevor. Maximilian Plück porträtiert den NRW-Ministerpräsidenten, der Angela Merkel beerben soll. In unserer heutigen Folge des „Aufwacher“-Podcasts erläutert er außerdem, was die Entscheidung für die Landespolitik bedeutet. Die Grünen haben ihre K-Frage etwas geschmeidiger geklärt. Warum es Annalena Baerbock wurde und nicht Robert Habeck, blieb aber ziemlich offen. In einem der ersten Interviews sagte sie, auch „Emanzipation“ sei ein Thema gewesen. Ein geradezu altmodisches Wort – es spielte also eine Rolle, dass sie eine Frau ist. Und es wäre verrückt, wenn nicht: Dass eine 40-jährige Frau gegen zwei über 60-jährige Männer – Armin Laschet und Olaf Scholz – antritt, ist ein doppeltes Alleinstellungsmerkmal. Ich habe mich in meiner Analyse trotzdem nicht mit der Frau, sondern mit dem Mann beschäftigt, also mit Robert Habeck, so etwas wie ein Prinz Philip der Grünen. Er stellt seine Ambitionen zurück, um sie zu unterstützen: Das könnte so selbstverständlich sein, aber es ist doch ein neuer Stil. Und auch er emanzipiert sich dabei: von den männlichen Rollenbildern der Politik und Machtkämpfen à la CDU/CSU. Innere Widersprüche gehören zur Politik, nicht nur bei K-Fragen. Sammy Amara und seine Punkrock-Band Broilers widmen sich in einem neuen Song daher einer prominenten AfD-Politikerin: „Alice Weidel ist voll von Widersprüchen. Das Land, in dem sie lebt. Die Frau, mit der sie lebt. Schlägt ihre Partnerin abends mit der Hand auf den Tisch und fragt: Sag mal, tickst du noch sauber?“, sagt der Sänger in einem Interview, das Philipp Holstein geführt hat. Das Lied heißt „Alice und Sarah“ und erscheint übermorgen auf dem neuen Album der Düsseldorfer Band. Sag mal, tickst du noch sauber: Das hätte vielleicht jemand den Arzt aus Hamminkeln fragen sollen, der 200 Menschen gegen Geld geimpft haben soll. Henning Rasche hat die Details des Falls recherchiert und aufgeschrieben. Auch ihm können Sie heute im „Aufwacher“ zuhören. Sammy Amara sagt in dem Interview, er habe das neue Album schnell rausbringen wollen, „weil die Zeit dunkel ist“ und die Menschen Aufmunterung brauchen. Damit hat er recht, keine Frage. Wenn Punkrock nicht Ihr Ding ist, Sie aber einen Balkon haben (beides trifft auch auf mich zu), hilft ein Artikel von Marion Meyer, der für jede Himmelsrichtung erläutert, welche Blumen Freude stiften. Viel Spaß dabei, bis morgen! Herzlich
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