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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 28.01.2022 | Zunehmend freundlich bei bis zu 7°C. | ||
+ Wohnungs-Bündnis beginnt mit der Arbeit + Hohe Dunkelziffer bei Corona-Infektionen + Senat veröffentlicht Zahl der Scooter-Unfälle + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, zwischen Luxussanierung und Mietendeckel, rücksichtsloser Renditegier und Vergesellschaftungslust ist die Stimmung zwischen Eigentümern und Mietern immer mehr eskaliert. Dass es auch harmonische Verhältnisse unter zufriedenen Bewohnern und verantwortungsvollen Vermietern gibt, ging dabei völlig unter. Ein Musterbeispiel dafür ist die „Gartenstadt Atlantic“ am Gesundbrunnen, erbaut vor 100 Jahren vom Verleger Karl Wolffsohn, 1938 von den Nazis enteignet. Vor mehr als zwanzig Jahren hatten Michael und Rita Wolffsohn das heruntergekommene Gebäudeensemble (49 Häuser, 500 Wohnungen, 25 Gewerbeeinheiten, 1 Kino) geerbt und mit Hilfe hoher Kredite saniert. Das Besondere: Mehr als anderthalb Jahrzehnte lang verzichteten die Wolffsohns auf jede Rendite, hielten die Mieten niedrig und achteten auf eine bunt gemischte Gemeinschaft – die Gartenstadt ist ein interkulturelles Integrationsprojekt, Gentrifizierung gehört hier nicht zum Wortschatz. Klar, dass ein Paket wie die „Atlantic“ heute Großinvestoren anlockt wie eine Riesenportion Frutti di Mare den Hai. „Mit viel Potenzial“ werden solche Leckerbissen im Zentrum der Stadt in Verkaufsunterlagen oft angepriesen, denn viel Potenzial bedeutet: Da lässt sich noch ordentlich was herausquetschen, entweder aus diesen Mietern oder aus neuen, wenn die alten vergrault sind – und ein paar Jahre später wird mit hohem Gewinn weiterverkauft. Aber nicht mit Michael Wolffsohn: Alle Anfragen ließ der Historiker ins Leere laufen. Als vor kurzem mal wieder ein Makler seine Verkaufsdienste anbot, per freundlichem Brief, schrieben ihm die Wolffsohns zurück: „Sehr geehrter Herr (anonymisiert), vielen Dank für Ihr Interesse. Die Gartenstadt Atlantic ist unverkäuflich. Warum sollte sie unserer Familie, abgesehen von starken Gefühlen sowie vom Historischen (vgl. meine ‚Deutschjüdischen Glückskinder‘), weniger wert sein als Anderen? ‚Es gibt Menschen mit Herzen aus Stein und Steine mit Menschenherzen‘, lautet der Text eines schönen israelischen Liedes. Das kennzeichnet unser Verhältnis zur Gartenstadt Atlantic sowie ihren herausragenden, hochengagierten Mitarbeitern. Das ‚Eigentum verpflichtet‘ uns nicht zuletzt unseren Mietern und damit ‚der‘ Gesellschaft gegenüber. Wir wissen, dass unsere Haltung eher ungewöhnlich ist, fühlen uns aber damit wohler. Mit freundlichen Grüßen Michael und Rita Wolffsohn Vorstand der Gartenstadt Atlantic AG“ Der Makler hat übrigens noch mal geantwortet – verständnisvoll und mit viel Empathie. | |||
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Hm, wie kamen wir da jetzt drauf … ach ja: Heute startet das „Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbare Mieten“, mit dem die Sozialdemokraten (und Teile der Grünen) den erfolgreichen Enteignungsvolksentscheid einbetonieren wollen. Fünf Jahre Mietenmoratorium und schnelleres Baurecht kündigte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel gestern an – zufrieden sind damit weder die Mietervertreter noch die Vermietervertreter. | |||
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Verwundert blickt auch Ex-Senatsbaudirektorin Regula Lüscher von Zürich ausauf das Berliner Geschehen – in einem Interview mit „swiss-architects.com“ sagt sie über ihre Nachfolgerin Petra Kahlfeldt: + „Mich hat überrascht, dass mir eine Person nachfolgt, die sogar noch älter ist als ich. Jemand Jüngeres hätte neue Verbindungen mitgebracht. Das wäre eine große Chance gewesen.“ + „Überrascht bin auch insofern, als ich mit einer verwaltungserfahrenen Persönlichkeit gerechnet hätte. Bevor ich nach Berlin kam, habe ich Erfahrung im Zürcher Amt für Städtebau gesammelt. Doch dann musste ich preußische Verwaltung lernen. Das war sehr schwierig. Von daher weiß ich nicht, ob eine Professur eine ausreichende Vorbereitung ist.“ + „Mich verwundert, dass sich die Kritik so sehr gegen Petra Kahlfeldt richtet, aber kaum gegen Giffey und die SPD.“ + „Ich sehe die Qualität der Beteiligungsprozesse gefährdet. Ob dieses Know-how bei meiner Nachfolgerin vorhanden ist, weiß ich nicht. Ich bin mir da unsicher. Was die Politik angeht, glaube ich, dass die SPD die Erwartungen der Bevölkerung ziemlich unterschätzt.“ Das Interview, in dem Regula Lüscher u.a. erzählt, mit welcher Geheimdiplomatie sie damals in Berlin Senatsbaudirektorin wurde, finden Sie hier. | |||
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Heute in der Checkpoint-Mappe „Wiedervorlage“: Bis spätestens drei Monate nach der Konstituierung des Bundestags müssen die Abgeordneten ihre Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften offenlegen (§ 45 Absatz 5 AbgG) – und diese Frist ist jetzt abgelaufen. Na, da schauen wir doch mal nach … und finden … nichts. Einfach gar nichts. Wie kann das sein? Sind die plötzlich alle verarmt? Wird die große Wirtschaftskrise, die unsere Kollegen Timo Brücken, Alfons Freese und Thorsten Mumme gerade erst für die Zeit nach der Pandemie prognostizierten (hier ihr Bericht), im Parlament etwa schon mal getestet? Na, da fragen wir doch gleich mal nach – hier die Antwort der Bundestagsverwaltung: „Der Veröffentlichung von Angaben von Mitgliedern des Bundestages gemäß den Verhaltensregeln gehen Bearbeitungsschritte der Bundestagsverwaltung voraus. Auch weil derzeit die Ausführungsbestimmungen zu den im AbgG z.T. neu gefassten Verhaltensregeln noch nicht vorliegen, ist ein Zeitpunkt der Veröffentlichung von Angaben derzeit noch nicht absehbar.“ Tja, so sieht’s aus: Irgendwo gehen Schritte voraus, hinein in den Nebel von Ausführungsbestimmungen, und die Angaben verlaufen sich undurchsichtig verhaltend irgendwo im Unabsehbaren. Oder, mit anderen Worten: Der Bundestag schreibt sich seine eigenen Gesetze, aber ernst nimmt er sie nicht. | |||
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Eine Inzidenz von 1829 meldete heute Nacht das RKI für Berlin (Tempelhof-Schöneberg: 3192) – aber eigentlich sind diese Zahlen wertlos. Laut Gesundheitssenatorin Ulrike Gote ist es nicht mehr möglich, alle Fälle zu melden und in die Datenbank einzupflegen. Für realistisch hält sie es, dass die Meldungen aus den Schulen, wo regelmäßig getestet wird, die Infektionslage besser abbilden – da wären wir dann bei mehr als 4000. Ohnehin sagt der Inzidenzvergleich nicht mehr viel aus – wegen der Impfungen und des oft leichteren Krankheitsverlaufs der Variante Omikron ist die Situation jedenfalls eine komplett andere als vor zwei Jahren. Sie erinnern sich? Als der Senat verbot, sich auf Parkbänke zu setzen, lag die Inzidenz in Berlin bei 40. Dazu auch eine Mitteilung des überforderten Bezirksamts Lichtenberg: „Alle unbearbeiteten Corona-Fälle, die bis zum 31. Dezember 2021 beim Gesundheitsamt Lichtenberg eingegangen sind, werden mit sofortiger Wirkung zurückgestellt und die Fallmeldungen für diesen Zeitraum auf null gesetzt.“ So geht’s natürlich auch (nicht). Und dann auch noch das: Der Senat hat keinen Überblick darüber, wie viele Patienten tatsächlich wegen einer Corona-Infektion in einem Krankenhaus liegen – oder wegen etwas ganz anderem dort sind und nur symptomlos positiv getestet wurden. Dabei ist die Krankenhaus-Inzidenz der Berliner Corona-Ampel entscheidend für die politischen Maßnahmen. In Berlin ist also derzeit nicht nur das Wetter trübe. Julius Betschka und Ingo Bach sind der Sache nachgegangen, ihren Bericht finden Sie hier. | |||
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