der durchschnittliche Westler meint wahrscheinlich, er sei besonders gut informiert über die Welt. Tatsächlich geht er dem eigenen Wunschdenken und irgendwelchen Klischees aber genauso auf den Leim wie jeder andere Mensch auf diesem Globus auch. Besonders eindrücklich zeigt sich das immer wieder, wenn es um Länder geht, die unsereiner primär vom Hörensagen kennt; aus den Gazetten oder weil irgendwelche deutsche Politiker irgendwas über dieses oder jenes Land behaupten. Erstes Beispiel: Niger. Ende Juli haben Militärs die Macht in dem westafrikanischen Land übernommen. In der deutschen Presse war in dem Zusammenhang vielfach zu lesen, dass der Niger mit seinem demokratisch gewählten Präsidenten bisher ein Stabilitätsanker in der Region gewesen sei; ein wichtiger strategischer Partner. Eine, die sich mit dem Land wirklich auskennt, ist die Konfliktforscherin Lisa Tschörner. In diesem lesenswerten Interview räumt sie unter anderem mit dem Wunschdenken auf, der Niger sei zuletzt eine Art westafrikanische Vorzeigedemokratie gewesen. Zweites Beispiel: Indien. Das Land mit den 1,4 Milliarden Einwohnern sucht derzeit seinen Weg in die Zukunft – irgendwo im Spannungsfeld zwischen spiritueller Tradition, interreligiösen Konflikten und seinem militärischen Status als Nuklearmacht. Einer, der sich mit dem Land wirklich auskennt, ist der Journalist und Autor Oliver Schulz. Sein jüngstes Buch heißt „Neue Weltmacht Indien“. Für den Cicero Podcast Politik habe ich mit Schulz gesprochen. Er sagt unter anderem: Unser Indien-Bild sei von einer naiven Romantik geprägt, die mit der Realität nichts zu tun habe. Willkommen in der wirklichen Welt! Fremdbilder sind das eine, Selbstbilder das andere. Bei der CDU hat man derzeit den Eindruck, dass die Partei ziemlich ratlos ist, was die eigene Rolle in einer Politiklandschaft betrifft, die dominiert ist von einem linksgrünen Diskurs und in der die AfD in Umfragen gerade ein ziemliches Hoch erlebt. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Christdemokraten in öffentlichen Debatten vom linksgrünen Milieu am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Den Trick dahinter scheint sie (noch) nicht verstanden zu haben, schreibt Cicero-Autor Bernd Stegemann. Er meint: Höchste Zeit, dass die CDU den Grünen selbstbewusst Paroli bietet. Selbstbewusst, aber auch unangenehm gefühlig zeigt sich Robert Habeck in einem kürzlich erschienen Interview mit der Zeit. Mein Kollege Ferdinand Knauß hat das Interview gelesen – und kam aus dem Kopfschütteln kaum noch heraus. Habecks supersensible Seite ist das eine, das andere ist, dass er sich der Realität konsequent verweigert und tatsächlich glaubt, die Menschen würden die Wirtschaftspolitik der Grünen total dufte finden. Das ging selbst Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo zu weit. Knauß über einen Wirtschaftsminister, der sich einfach seine eigene Realität bastelt. Derweil tanken andere Selbstbewusstsein, indem sie sich kategorisch gegen die heutige Linke stellen. Als wäre alles, was von links kommt, per se schlecht. Wer so denkt und handelt, ist allerdings auf dem besten Wege, zum „Contrarian“ zu werden, meint unser Autor Nico Hoppe. Denn wer auf stumpfe Reiz-Reaktions-Muster anspringt, indem er hysterische Kulturkämpfe führt, lässt jene Souveränität vermissen, die den Konservativen vom Reaktionär unterscheidet. Für seine These hat Hoppe ein überraschendes Beispiel gewählt: Die Aufregung um den Film „Barbie“. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Bleiben Sie optimistisch – und lassen Sie sich bloß keinen Unsinn über fremde Länder erzählen. Ihr Ben Krischke, Leitung Digitales |