Yacht - Woche - Der Rückblick
YACHT-Woche – Der Rückblick
Liebe Leserinnen und Leser,
haben Sie schon einmal vom ganzjährigen Segeln geträumt? Hier, in Norddeutschland, mit dem eigenen Boot? Für mich war der Gedanke, die Saison im Herbst nicht zu beenden und im Wasser zu bleiben, wirklich verlockend. Oft war ich für Recherchen bei Menschen an Bord, die genau das machen, und fand es immer urgemütlich.
Ein Exot ist man damit wirklich nicht. Von Jahr zu Jahr scheinen mehr Eigner dem Saisonende ein Schnippchen schlagen zu wollen, indem sie einen Winterliegeplatz buchen. Dutzende Yachten liegen aktuell allein in meinem Heimathafen Bremerhaven im Wasser.
Während im Herbst also die Ersten die Segel abschlugen, träumten wir davon, an den Wochenenden und vielleicht im Weihnachtsurlaub segeln zu gehen. Statt den Mast zu legen, schrieben wir To-do-Listen für Bootsprojekte, die wir in der beheizten Kajüte abarbeiten wollten. Soweit der Plan.
Schon am ersten Adventswochenende versprechen Wetterbericht und Gezeiten einen schönen Tagestörn mit Rückkehr vor der Dunkelheit. Wir wollen los. Das heißt aufstehen um sechs und auf dem Weg zum Boot schnell einen Blick über den Deich werfen, ob draußen wirklich der versprochene Wind wartet. Wir sehen – nichts. Dicker Nebel hat die Außenweser verschluckt. Wir sind gleich wieder umgedreht.
Schon einmal haben wir das Experiment „Winter im Wasser“ gewagt, vor zwei Jahren. Damals war die Segelbilanz dürftig. Bei elf Grad plus hatten wir die Leinen immerhin zum Silvester-Törn gelöst, und an einem milden Tag im Februar waren wir die einzigen Segler auf der Weser. Kurz zuvor steckte das Boot noch im Eis – es hatte so stark gefroren wie lange nicht mehr.
Als sich diesmal der erste Frost ankündigt, schlägt nur ein Nachbar die Segel ab. Die anderen, wir eingeschlossen, lassen sie dran. Wohin auch damit? Keller und Garage scheiden für die Tücher aus, im Wohnzimmer türmt sich genug Ausrüstung, und unter Deck wäre schlicht kein Platz mehr für alles andere. Außerdem wollen wir doch segeln … Nun aber wintern wir ein und freuen uns auf gemütliche Wochenenden an Bord. Den Refleks-Ofen anheizen, ein Buch schnappen, Tee trinken.
Nach dem ersten Freitagabend mit kalten Füßen auf eiskalten Polstern ist allerdings klar: Bei den Minusgraden draußen benötigt der Dieselofen Stunden, um das Boot auf Wohlfühl-Temperatur zu bringen. Erst auf höchster Stufe verteilt sich die Wärme unter Deck, die ich brauche, um hier werkeln und genießen zu können.
Wie oft sind wir nun also ausgelaufen? Bisher: einmal, für zwei kurze Stunden. Es war eine Testfahrt nach Arbeiten am Motor. Aber wir haben pflichtschuldig die Segel gesetzt und das Gefühl genossen, als sich das Boot sanft auf die Seite legte.
Zu glauben, dass ein Winter im Wasser gleichbedeutend mit Segeln und einer endlosen Saison ist, war – zumindest in den vergangenen Monaten – leider eine Illusion. Der innere Schweinehund (oder die Vernunft) protestierte beim Gedanken ans Auslaufen nach einem Blick ins Wetter meist vehement. Doch nicht nur meiner. Auch die anderen nutzen die kalte Zeit im Wasser überwiegend als Winterlager und scheinen gar nicht segeln zu wollen. Wohin auch? Die meisten Häfen sind geschlossen, viele Steganlagen abgebaut.
Immerhin: Man spart sich das Auf- und Abrödeln im Frühjahr und im Herbst. Dafür heißt Winter im Wasser: Festmacher, Planen und Fallen kontrollieren, wenn Sturmböen über den Hafen fegen. Winter im Wasser heißt, den Wetterbericht auch zwischen Oktober und Ostern im Blick zu haben. Winter im Wasser heißt, beim An-Bord-Gehen nicht zu vergessen, wie schnell sich das Deck bei Frost in eine Rutschbahn verwandeln kann.
Würde ich es wieder machen? Bestimmt! Als Seglerin bin ich schließlich ein unverbesserlicher Optimist. Außerdem hat vergangene Woche die Sonne gekitzelt. Sie will kommen, die Saison! Dann sind wir schon da.
Kristina Müller, YACHT-Redakteurin
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