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Stimme
des Westens

Moritz Döbler

03. Oktober 2020

Liebe Frau Do,

"Die Deutschen sind das glücklichste Volk der Welt!" So fasste Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper am Tag des Mauerfalls 1989 seine Gefühle zusammen. Wenn Historiker heute auf die Wiedervereinigung im Jahr 1990 blicken, fällt oft das Wort Wunder. Dass nach vier Jahrzehnten Kaltem Krieg dieser historisch einmalige Schritt friedlich gelang, ist auch 30 Jahre danach Anlass für große Dankbarkeit. Heute am Feiertag fragen wir uns: Was ist vom Zauber von damals geblieben? Wie erinnern sich die Menschen an die Ereignisse? Was läuft heute gut, was muss besser werden?

Martin Kessler beschreibt in seinem Essay, dass zwar die große Mehrheit der Menschen in Ost und West dankbar für die Einheit ist, dafür aber neue Spaltungen sichtbarer werden. Um das Ansehen der Demokratie ist es im Osten deutlich schlechter bestellt als im Westen – und die Schere geht weiter auseinander, wie der Autor mit aktuellen Zahlen belegt. Dies ist auch eines der Themen, denen sich Serap Güler, NRW-Staatssekretärin für Integration, in ihrem Gastbeitrag widmet. Viele Ostdeutsche vermissten Anerkennung und Wertschätzung für ihre Lebensleistung. Dieses Gefühl teilten sie mit vielen Migranten. "Was jetzt wichtig ist, ist ein gemeinsames Narrativ, das uns als Nation eint", argumentiert Güler.

Über ein gemeinsames Narrativ verfügen Katja und Jens Friedmann schon seit 15 Jahren – so lange sind sie ein Paar. Er stammt aus Schweinfurt, sie aus Neubrandenburg. Heute leben sie in Wuppertal. Spuren hinterlassen haben die Prägungen in West und Ost bei den Friedmanns aber schon. „Jens kann leichter auf Menschen zugehen, ich bin vorsichtiger, hinterfrage mehr“, sagt die 43-Jährige. Ein wenig passt das zum Klischee vom selbstbewussten Westler und bescheidenen Ostler. „Wir ergänzen uns gut", erzählen die Friedmanns meinem Kollegen Jörg Isringhaus.

Eher bescheiden war 1990 die Wirtschaftsleistung des Ostens, die damals lediglich bei 37 Prozent im Vergleich zum Westen lag. Im vergangenen Jahr lag der Wert bereits bei 73 Prozent. Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Wiedervereinigung zeichnet Reinhard Kowalesky nach. Und Jan Drebes hat ein sehr persönliches Interview mit der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, geführt. „Die Freude über die Deutsche Einheit trage ich bis heute in mir. Auch wenn damals Unsicherheiten weit verbreitet waren“, sagt die SPD-Politikerin und erzählt von ihrem Vater, der kurz nach der Wende seine Arbeit verlor. Heute sieht sie Deutschland als vereintes Land. "Ich finde, dass 30 Jahre nach dem Mauerfall auch mal der Zeitpunkt gekommen ist, um mit Stolz auf die gemeinsame Aufbauarbeit der letzten drei Jahrzehnte zurückzublicken", sagt Schwesig.

Ob Donald Trump wirklich so stolz auf seine bisherige Amtszeit ist, wie er tut, weiß er wohl nur selbst. Gestern wurde bekannt, dass sich der US-Präsident und seine Frau mit dem Coronavirus angesteckt haben. Am späten Abend wurde bekannt, dass Trump in ein Militärkrankenhaus geflogen wird – als Vorsichtsmaßnahme, wie es hieß. Die Unsicherheit im Land ist groß. Ich empfehle Ihnen den Kommentar von Martin Kessler. Häme verbietet sich, dafür ist die Lage zu ernst, schreibt er.

Das sollte erstmal genug Lesestoff für das Wochenende sein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Start in den Tag, bleiben Sie gesund!

Herzlich

Moritz Döbler

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