Daniel Pipes

Zwanzig Jahre nach dem 9/11

von Daniel Pipes
Albawaba
11. September 2021

http://de.danielpipes.org/20639/zwanzig-jahre-nach-dem-9-11

Englischer Originaltext: Twenty Years After 9/11
Übersetzung: H. Eiteneier

Interview von Hayder Al-Shakarchi mit Daniel Pipes. Die Abschrift wurde stark bearbeitet.

DC Insider: Was waren die Ziele der Täter beim 9/11?

Daniel Pipes: Es wird weithin angenommen, dass Islamisten die Niederlage der Russen in Afghanistan als Schlüssel für den folgenden Kollaps der Sowjetunion betrachteten und sie beschlossen: "Okay, einer ist weg, fehlt noch einer. ... Lasst uns die USA zu Fall bringen." Offensichtlich brachte der 9/11 das nicht ansatzweise zustande.

DC Insider: Was war die Schlüssellektion des 9/11?

Pipes: Dass man tausende Menschen töten, gewaltigen weltweiten wirtschaftlichen Schaden anrichten, großes politisches Chaos schaffen kann – und trotzdem seine Ziele nicht erreicht. Bei allem Chaos, brachte das aus der islamistischen – bzw. jihadistischen – Sicht fast nichts. Tatsächlich könnte man argumentieren, dass es kontraproduktiv, indem es weltweite Aufmerksamkeit auf die islamistische Aggression lenkte.

Die islamistische Bewegung lernte irgendwie, dass Gewalt nicht effektiv ist. Weit besser ist es, sich innerhalb des Systems durch die Institutionen zu arbeiten – Bildung, Recht, Politik, Medien usw. Nehmen Sie z.B. das Southern Poverty Law Center – eine große Organisation, die sich einst auf die Bürgerrechte der Schwarzen konzentrierte, heute aber zu einem Verbündeten der Islamisten geworden ist.

Zwanzig Jahre danach hängt im Busbahnhof von Manhattan immer noch einsam und verlassen ein "United We Stand".

Wenn es im weiteren Sinne um Stärke geht, dann werden das Militär, die Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden der USA die Islamisten besiegen. Also bieten Ideen – nicht Gewalt – den Islamisten einen Weg ihre Sache voranzubringen. Es gibt zwar immer noch gelegentliche Gewalt, aber die ist weniger wichtig und weniger effektiv als die Infiltration der Institutionen; ich nenne das gesetzestreuen Islamismus.

DC Insider: Der 9/11 führte zu vielen Arten von Meinungsverschiedenheiten darüber, wer für die Anschläge verantwortlich war, was zu den Anschlägen führte usw. War das der Anfang des großen Zerwürfnisses zwischen der Linken und der Rechten, das wir heute sehen?

Pipes: Kurzfristig brachte der 9/11 die Amerikaner zusammen. "United We Stand" war der Slogan und kurze Zeit auch die Realität. Aber dann traten tiefgehende Meinungsverschiedenheiten wegen der Ursachen und Folgen des Anschlags an die erste Stelle. Konservative argumentierten, dass die Anschläge von Extremisten durchgeführt wurden, die die Amerikaner aus ideologischen Gründen hassen, während Liberale argumentierten, Fehler der US-Außenpolitik würden das Land teilweise oder sogar komplett für das Geschehene verantwortlich machen.

Diese Debatte war auf manche Weise der Beginn der heute bestehenden riesigen Unterschiede in den Auffassungen zwischen Links und Rechts in den USA, die heute bei so vielen Themen, in denen die beiden Seiten so heftig streiten, dass sie keine gemeinsame Basis finden können: Abtreibung, Schusswaffen, Transsexuelle usw. Ich sage nicht, dass der 9/11 diese Spaltung verursachte, aber er trug definitiv zu diesem Problem bei.

DC Insider: Der 9/11 inspirierte zahllose Verschwörungstheorien. Finden Sie als Verfasser zweier Bücher über Verschwörungstheorien irgendwelche davon plausibel?

Pipes: Eigentlich gibt es nur eine bedeutende Verschwörungstheorie: dass die US-Regierung hinter den Anschlägen des 9/11 steckt, als eine Möglichkeit die Bekämpfung des Islam und den Angriff auf Afghanistan zu rechtfertigen. Manche europäischen Meinungsumfragen stellten fest, dass ein Drittel der Bevölkerung das glaubte, so wie viele Muslime auch. Plausibel? Nein, 9/11 als Insider-Job ist Unsinn, aber bedeutsamer Unsinn, der einen politischen Einfluss gehabt hatte.

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