US-Supreme Court verhandelt über Zugang zur Abtreibungspille Washington (ALfA). Der Oberste Gerichtshof der USA hat am Dienstag über den Zugang zur Abtreibungspille verhandelt. In der mündlichen Verhandlung des Falls „Food und Drug Administration v. Alliance for Hippocratic Medicine“ befragten die Richter nacheinander die Vertreter beider Parteien. Das berichten zahlreiche Medien. Wie die katholische Wochenzeitung „Die Tagespost“ schreibt, „grillten“ die neun Höchstrichter während der fast zweistündigen Anhörung dabei beide Seiten. Wie die Zeitung weiter schreibt, wollen US-amerikanische Leitmedien dabei eine besondere Skepsis der Richter gegenüber der Argumentation der „Alliance for Hippocratic Medicine“ ausgemacht haben, die von Erin Hawley, einer Anwältin der Menschenrechtsorganisation „Alliance Defending Freedom“ (ADF) vertreten wurde. Laut der „Tagespost“ hätten die Höchstrichter allerdings auch gegenüber Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar deutlich Skepsis erkennen lassen, die für die Regierungsbehörde „Food und Drug Administration“ (FDA) „in den Ring“ gestiegen war. Der englischen Sprachen Mächtigen können sich ein eigenes Bild machen: Die mündliche Verhandlung kann auf dem Internetportal des US-Supreme Courts als Tonmitschnitt angehört sowie als Abschrift (115 Seiten DIN A4) eingesehen werden. Zum Hintergrund: Die Abtreibungspille „Mifeprex“, die den Wirkstoff „Mifepriston“ enthält und in Deutschland unter dem Handelsnamen „Mifegyne“ vertrieben wird, wurde in den USA im Jahr 2000 zugelassen. 2016 hatte die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA, die Zulassung des Präparats zur Durchführung vorgeburtlicher Kindstötungen von der siebten Schwangerschaftswoche auf die zehnte ausgeweitet und zugleich die Zahl der erforderlichen Arztbesuche von drei auf einen reduziert. Außerdem genehmigte die FDA die Verschreibung des Präparats durch „Nicht-Ärzte“ und hob die Pflicht zur Berichterstattung über „nicht-tödliche Zwischenfälle“ auf. 2021 erlaubte die FDA dann die Zustellung der Abtreibungspille auf dem Postweg. Anfang 2023 hob sie schließlich die verpflichtende persönliche Vorstellung der Schwangeren bei einem Arzt ganz auf. Laut Angaben der US-Regierung werden in den USA mittlerweile rund 60 Prozent aller vorgenommenen vorgeburtlichen Kindstötungen mittels „Mifeprex“ durchgeführt. Die „Alliance for Hippocratic Medicine“, ein Zusammenschluss mehrerer christlicher Ärzteorganisationen, wies die FDA 2019 in einer Petition daraufhin, dass ihre Mitglieder durch den Wegfall der Schutzvorschriften vermehrt gezwungen seien, Frauen nach der Einnahme des Präparats notfallmäßig zu versorgen. Als die FDA diese abschlägig beschied, beschritt die „Alliance for Hippocratic Medicine“ den Klageweg. Genau vor einem Jahr, am Karfreitag 2023, entschied zunächst ein Bundesrichter aus Texas, sowie später ein daraufhin von der Regierung Biden angerufenes Berufungsgericht, dass den Ärzteorganisationen durch den Wegfall der Schutzvorschriften ein Schaden entstanden sei, der sie berechtige, Klage zu führen. Denn seit 2016 würden deren Mitglieder vermehrt gezwungen, Frauen notfallmäßig zu versorgen, bei denen die Einnahme der Abtreibungspille zu schweren Komplikationen geführt habe. Dazu zählten nicht nur Bluttransfusionen und Intensivpflege, sondern „häufig“ auch chirurgische Eingriffe, um misslungene chemische Abtreibungen zu vollenden. Da die ungewollt Schwangeren, die bei den Ärzten nach dem Gebrauch der Pille vorstellig werden, ohne eine fachgerechte Ausschabung der Gebärmutter Gefahr liefen, an einer Infektion oder gar Sepsis zu versterben, stünden Abtreibungen ablehnende Ärzte in solchen Fällen vor einem Dilemma. Vollendeten sie die versuchte Abtreibung, verstießen sie gegen ihr Gewissen; verweigerten sie der Notfallpatientin die fachgerechte Behandlung, handelten sie ebenfalls gegen ihr Gewissen. Anders als der texanische Bundesrichter Matthew Kacsmaryk war das Berufungsgericht jedoch der Meinung, das von der Firma „Danco Laboratories“ hergestellte Präparat könne aufgrund von Verjährungsfristen, die Kacsmaryk nicht beachtet habe, nicht vom Markt genommen werden. Die Richter des Berufsgerichts ordneten daher an, die FDA müsse bei dessen Abgabe und Vertrieb zu den Auflagen zurückkehren, die sie selbst vor dem Jahr 2016 erlassen habe. Daraufhin rief die Regierung Biden den US-Supreme Court an. Der setzte die beiden Urteile bis zu einer endgültigen Entscheidung aus und verwies den Fall erneut an das zuständige Berufungsgericht des fünften Bezirks mit Sitz in New Orleans. Hatte das Gericht in seinem ersten Urteil vor allem zu prüfen, ob der texanische Bundesrichter die für eine Urteilsfindung notwendigen Fakten angemessen berücksichtigt habe, entschied es in neuer Besetzung und nach mündlicher Anhörung beider Parteien auch in der Sache. Im Ergebnis kamen die neuen Richter dabei zu demselben Urteil wie ihre Kollegen zuvor. Demnach hob die FDA in den Jahren 2016 und 2021 zu Unrecht mehrere wichtige, von ihr selbst zuvor erlassene Schutzmaßnahmen zur Abgabe und zum Gebrauch des Präparats auf und verstieß damit gleich mehrfach gegen den „Administrative Procedure Act“ (APA). Der APA regelt nicht nur, wie Verwaltungsbehörden der US-Regierung Vorschriften festlegen können, sondern schreibt zudem vor, dass die US-Bundesgerichte befugt sind, Maßnahmen der Behörden aufzuheben, wenn sie diese für „willkürlich“ oder „rechtswidrig“ erachten, oder Erkenntnisse für den Missbrauch von Ermessenspielräumen besitzen. Weil die Regierung Biden auch gegen dieses Urteil klagte, muss nun der US-Supreme Court entscheiden. Mit einem Urteil der Höchstrichter wird Ende Juni, Anfang Juli gerechnet. |