| Guten Morgen, angeschnallt? Bitte noch den Tisch hochklappen und den Sitz in eine aufrechte Position bringen (erinnern Sie sich noch?), dann geht’s los: Während fast alle Flugzeuge der Welt am Boden bleiben, hebt Berlin komplett ab. „Der BER ist fertig.“ Einer, der schon fast als Klassiker in die Witzebücher eingegangen wäre. Doch gestern, kurz vor 18 Uhr, sagte ihn kein schenkelklopfender Kabarettist im Livestream auf seiner Facebook-Seite – Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat sich festgelegt. „Die BER-Baustelle-Witze werden langweilig. Alle können sich jetzt daran gewöhnen, vom BER statt von einer ewigen Baustelle, von einem zukünftigen Flughafen zu sprechen.“ Anlass für die Ausgelassenheit war der Landkreis Dahme-Spreewald, der die Freigabe für das Terminal 1 gab – und damit gewissermaßen die Starterlaubnis für den BER erteilte. Und Lütke Daldrup kommentierte: „Nach menschlichem Ermessen steht der Eröffnung des BER nun nichts mehr im Wege.“ Nun ist ausgerechnet in den vergangenen acht Wochen vieles passiert, das wir uns zu Beginn des Jahres nach menschlichem Ermessen nicht hätten vorstellen können, aber das passt ja wiederum ganz gut zusammen: Eine normale Eröffnung würde diesem Flughafen nicht gerecht. Und der Vorteil ist: Wenn das Coronavirus bis dahin nicht völlig überraschend wieder den Abflug macht, könnte es für ELD auch die etwas unangenehme Partyfrage lösen: Wie feiert man das Ende eines solchen Baudesasters? Richtig: Da machen sich die Verantwortlichen am besten ganz allein und heimlich zu Hause einen Henkel halbtrocken auf. Zumal die eigentliche Nachricht des Tages lautet: „Der BER ist fertig“ – finanziell. In den nächsten drei Jahren benötigt die Flughafengesellschaft viel mehr Geld als bisher bekannt, nämlich mindestens 1,5 Milliarden Euro. Anderenfalls müsste sie Insolvenz anmelden. „Die FBB ist ein Zuschussbetrieb und ein akuter Sanierungsfall“, lautet das Fazit einer Expertenstudie, die mein Kollege Thorsten Metzner exklusiv ausgewertet hat. Wirtschaftlich sei die Flughafengesellschaft ein gescheitertes Unternehmen, das sich nicht mehr selbst helfen kann. Auch deswegen würde ELD Tegel gern für zwei Monate schließen und etwa sieben Millionen Euro monatlich sparen. Darüber beraten die Eigner der Flughafengesellschaft und der Aufsichtsrat heute. Es kommentiert Kurzflughafensprecher Daniel Abbou: „Glauben Sie mir, kein Politiker, kein Flughafendirektor und kein Mensch, der nicht medikamentenabhängig ist, gibt Ihnen feste Garantien für diesen Flughafen.“ Checkpoint-Kollegin Ann-Kathrin Hipp hat am Abend eine kleine Twitter-Umfrage gestartet: „Wie würdet ihr die #BER-Geschichte in einem Satz zusammenfassen?“ Kleine Auswahl der Antworten: „Der BER kommt...“ „Engelbert kam, sah und machte fertig“ (Martin Pallgen, Sprecher des Innensenators) „Ende gut... alles gut?!“ (Julian Mieth, stv. Senatssprecher, Grüne) „Als er endlich fertig war, gab‘s keinen Flugverkehr mehr“ (Jochen Biedermann, Stadtrat Neukölln, Grüne) „Giftspritze! Weil das meine erste Erinnerung ist an das Projekt. Das sagte Eberhard Diepgen im Plenum zu mir als ich (zugegeben penetrant) was wiederholt nachfragte zum #BER . Ging ja von Beginn an was schief. Übrigens: Eröffnung ohne Eröffnungsfeier!? Passt!“ (Renate Künast, MdB, Grüne) „Die Idee war gut, doch die Welt noch nicht bereit.“ „Irgendwas mit Langstreckenfluch“ „Es ist kompliziert“ „Viel Lärm um nichts“ „Einen Versuch war es wert“ „Erst unnötig lange nicht fertig, jetzt fertig aber unnötig“ „Auferstanden aus Ruinen“ „Ente tot Abendbrot“ Ich gebe zu: Der letzte hat sich vermutlich verflogen. Ansonsten halte ich es mit meinem Lieblings-Loriot-Charakter Hermann: „Ich lasse mir von einem fertigen Flughafen doch nicht vorschreiben, worüber ich Witze zu machen habe.“ | |