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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 03.04.2020 | Bewölkt und windig bei max. 9°C. | ||
+ Senat einigt sich auf Bußgeldkatalog bei Verstößen gegen Kontaktsperre + Pensionierter Chefarzt soll die Corona-Klinik in den Messehallen leiten + Wer hat's erfunden? Rot-Rot-Grün streitet über Mindestlohn + |
von Anke Myrrhe |
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Guten Morgen, Was kostet die Welt, wie wir sie kannten? Das ist nun ziemlich genau zu beziffern: zwischen 10 Euro und 25.000. Auf den Corona-Maßnahmen klebt nun ein Preisschild, der Bußgeldkatalog ist beschlossen, nachdem Rot-Rot-Grün die ganze Woche... sagen wir mal angeregt diskutiert hatte (die Wortwahl schwankt je nachdem, wen man fragt, zwischen „ein heftiger Streit“ und „Wir sind uns einig“). Für die nächsten drei Wochenenden (inkl. Ostern) und die dazwischenliegenden Wochen gelten nicht nur weiterhin die Regeln der „Kontaktbeschränkung“, die Konsequenzen sind nun für jeden offen nachlesbar (z.B. hier im Detail): +++ Rausgehen ohne Grund: 10-100 Euro +++ Zu viel Nähe (unter 1,50 Meter): 50 bis 500 Euro +++ Teilnahme an einer Veranstaltung: 50 bis 500 Euro +++ Durchführen einer Veranstaltung oder Versammlung: 500-2500 Euro +++ Gruppenbildung (nicht Familie): 25 bis 250 Euro +++ Touristen beherbergen: 1000 bis 10.000 +++ Warteschlangen ohne Sicherheitsabstand: 100-2500 Euro +++ Öffnen von Geschäften, Restaurants, Fitnessstudios... 1000-10.000 Euro (bei Wiederholung bis zu 25 000 Euro) +++ ... Die Liste ist lang und das ist auch gut so. Denn was ist eine Verordnung wert, wenn nicht mehr als böse Blicke, weisende Worte, ermahnende Erinnerungen daraus folgen? Wer weiß, wie lange dieser Stillstand noch dauert, dauern muss? Wird die Disziplin nicht automatisch abnehmen mit steigenden Temperaturen auf der einen und Dauer der Maßnahmen auf der anderen Achse (übrigens: verlängert bis 19. April)? Und dennoch haben sich die Koalitionäre bemüht, den verständlichen Bedürfnissen der Großstädter gerecht zu werden. Die Parks bleiben geöffnet – wenn es voll wird, kann allerdings der Zugang beschränkt werden. Und Innensenator Geisel, von dem bislang sehr wenig zu hören war, sitzt mit Regiermeister Müller (beide SPD) gedanklich auf derselben Picknickdecke: Wenn ein Abstand von 1,5 Metern (Bank) bzw. fünf Metern (Wiese) eingehalten wird und keiner grillt (oder sonst was anbrennen lässt), ist das Rumlümmeln in der Sonne erlaubt – allerdings nur zur Erholung von Spaziergang oder Sport. Der Weg ist das Ziel, nicht der Park. Geisel stellte aber auch klar: „Man kann nicht alles bis ins letzte Detail regeln. Die Polizei arbeitet mit Augenmaß und ist nicht primär unterwegs, um zu bestrafen, sondern um aufzuklären und Gefahren abzuwenden. Und wenn zwei Personen kurz auf einer Bank sitzen und der Abstand eingehalten wird, ist das nicht das größte Problem.“ (Q: Mopo) Das größte Problem ist: Wenn wir jetzt nachlassen, war womöglich alles vergeblich, Wetter hin oder her. Auch bei allem vorsichtigen Optimismus bei der Zahl der Intensivbetten und flacheren Kurve: Niemand sieht derzeit einen Grund, die Maßnahmen zu lockern. Deswegen gilt weiterhin: Zuhause bleiben ist kostenlos. (Netflix und Spotify nicht inklusive). | |||||
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Nach anfänglichem Chaos bewährt sich Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) derzeit als Krisenmanagerin. Nicht nur, dass es ihr gelungen ist, nach Cheforganisator Albrecht Broemme den zweiten Rentner für ihr Notkrankenhaus in der Messehalle 26 zu reaktivieren (offizieller Name: „Corona-Behandlungszentrum Jafféstraße): Wulf Pankow, 67 Jahre alt, war zuletzt Chefarzt der Pneumologie im Vivantes-Klinikum Neukölln (Ärztekammerpräsident Günther Jonitz nennt ihn: „ein hochverdientes Mitglied“). Es breitet sich auch vorsichtiger Optimismus aus, dass die Rechnung aufgehen könnte: „Die Infektionsgeschwindigkeit verläuft so, dass die medizinischen Einrichtungen Schritt halten können“, sagte Michael Müller (SPD) im Abgeordnetenhause. „Wir sind aber noch längst nicht über den Berg.“ Die Deutsche Bank hat 100.000 OP-Masken im Keller gefunden (einst für Sars angeschafft) und spendet sie ans Land. Und 600 Mediziner haben sich für den Einsatz gegen Corona gemeldet: Ärzte im Ruhestand, in Teilzeit, in Weiterbildung, aus dem Studium, aus geschlossenen Praxen. Was fehlt ist weiterhin: Pflegepersonal. | |||||
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Während Müller und Kalayci derzeit eher zur Beruhigung der Lage beitragen, hat Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) in dieser Woche gleich zweimal unnötig Verwirrung verursacht. Im neuen Videopodcast des Regierenden Bürgermeisters lobte Behrendt (im Geschichtenonkelsound mit Kleinstreifenschal, CP von gestern) am Mittwoch die neue Kooperation zwischen dem ihm unterstellten Landeslabor und Bayer, durch die täglich 1000 zusätzliche Coronavirus-Tests durchgeführt werden könnten. Ein Viertel höher als in der letzten Woche sei damit die Testkapazität. Kurz mal nachgerechnet, kann das stimmen? Nachfrage bei der Gesundheitsverwaltung: Auch am Mittwoch war Berlin bereits in der Lage 8150 Tests durchzuführen. Nachfrage bei Behrendts Sprechers: „Gerade jetzt gibt es Momente, in denen nicht jede Zahl aktuell parat ist, insbesondere in freier Rede.“ Da sagen wir doch: Lieber zu viel als zu wenig. Die zusätzlichen 1000 werden übrigens von 140 Bayer-Mitarbeitern ausgewertet. Von wem die Initiative zur Zusammenarbeit kam, ließ sich gestern nicht klären, aber dann doch so viel: Gerade wird noch aufgebaut, los geht es am Montag. Ob wir die 1000 dann nochmal draufrechen müssen, klären wir dann in Ruhe. Als etwas schräg stellte sich auch eine andere Ankündigung heraus, die Behrendt am Montag im Tagesspiegel gemacht hatte: Er wolle minderjährige Geflüchtete aus Moria herausholen – notfalls eben ohne den Bund. 72 Stunden später muss er im Abgeordnetenhaus eingestehen, was dem Juristen eigentlich hätte klar sein können: Ohne den Bund geht nichts. | |||||
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Mindestens peinlich war das, was sich gestern Nachmittag auf Twitter abgespielt hat, nachdem das Abgeordnetenhaus die Erhöhung des Vergabe-Mindestlohns auf 12,50 Euro beschlossen hatte, den bundesweit höchsten. Ein Grund zu feiern, wenn auch virtuell? Eher nicht. Die SPD-Fraktion um Raed Saleh gab eine alleinige Pressemitteilung heraus und twitterte: „Geschafft! Der faire Mindestlohn! Jetzt 12,50 Euro (Daumen-hoch-Bild). Danke an Linke und Grüne, dass sie unsere Idee unterstützten.“ Die Reaktionen kamen prompt und heftig: Arbeitssenatorin Elke Breitenbach: „Früher hätte r2g angesichts des Erfolges eine gemeinsame Pressemitteilung gemacht und gefeiert.....“ „.... heute lebt die Profilneurose (Hand-vor-Stirn-Emoji)“. Sabine Bangert (MdA, Grüne): „Liegt vielleicht an der Krise“ Regina Kittler (MdA, Linke): Sollen wir jetzt die Schweizer Kräuterbonbonfrage wirklich in der Schwitzhütte stellen? Katina Schubert (Linken-Chefin): „Wenn das nur eure Idee war, könnt ihr das ja jetzt auf Bundesebene auch machen. Ich finde, sowas müssen wir uns nicht geben, ganz ernsthaft.“ Ülker Radziwill (SPD): "Am Ende gutes Teamwork & Erfolg für #r2g,#Landesmindestlohn ist als erstes Bundesland nun auf 12,50 erhöht, mit dem Vergabegesetz soeben synchronisiert, gut so. Ja, gerne auch auf Bundesebene, an der SPD scheitert es nicht, eher an den Schwarzen.“ Georg P. Kössler (MdA, Grüne) versuchte noch zu schlichten: „Ich habe Hoffnung, dass wir das in Zukunft wieder machen. Beim Anblick der Opposition gibt es keine Alternative zu #R2G!“ Die Sache ist deswegen besonders brisant, weil der Streit um die Urheberschft zwischen Linken und der SPD schon seit mehr als einem Jahr brodelt – seit sich der Regierende himself im November 2018 im Tagesspiegel für die Erhöhung auf 12,63 ausgesprochen hatte. Mein Kollege Ulrich Zawatka-Gerlach hat allerdings damals schon genauer hingeschaut und herausgefunden: Die Linken haben recht. Bereits im Mai hatte das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (Linke) mitgeteilt, dass rechnerisch ein Stundenlohn von 12,63 Euro erforderlich sei, „um bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden über 45 Jahre versicherungspflichtige Beschäftigung hinweg“ anschließend eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung im Alter zu erhalten. Ende 2017 waren das 814 Euro für Ruheständler, die außerhalb von Pflegeeinrichtungen leben. Müller war erst skeptisch – und machte sich das Mindestlohnprojekt dann zu eigen. Und Linken-Landeschefin Katina Schubert befand schon damals: „Das haben uns die Sozialdemokraten geklaut.“ | |||||
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Weiterhin ungeklärt ist die Frage, ob die MedizinstudenInnen in zwei Wochen nun ihr Staatsexamen schreiben oder nicht. Weil es den SPD-Staatssekretären Steffen Krach (Wissenschaft) und Martin Matz (Gesundheit) bislang nicht gelungen ist, diese Frage zu beantworten, hat die Fachschaftsinitiative Medizin Berlin gestern in einem Offenen Brief gefordert, den Studierenden ein „Hammerexamen“ kurz nach dem Praktischen Jahr zu ersparen. Mit einer Wahllösung (wie in Sachsen beschlossen), könnten die Studierenden ihr Examen schreiben, „in Einzelfällen, in denen die Studierenden sich aufgrund der COVID-19 Pandemie jedoch nicht in der Lage sähen, den Termin wahrzunehmen, wäre somit aber dennoch der Beginn des vorzeitigen Praktischen Jahres möglich und eine Studienzeitverlängerung ausgeschlossen.“ So oder so wollen sie vor allem eins: Klarheit. „Aufgrund der Tatsache, dass es zunächst eine nationale Entscheidung (...) geben sollte, das Bundesgesundheitsministerium diese nun jedoch den Ländern überlässt, befinden sich die Studierenden mitten in der Lernphase schon seit mehreren Wochen in Ungewissheit, ob ihre Prüfung tatsächlich stattfinden wird. Wir bitten Sie daher dringendst darum, möglichst zügig zu entscheiden.“ Es kommentiert Christian Lindner (sinngemäß): Es ist besser falsch zu entscheiden, als gar nicht. | |||||
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