die Partei Die Linke befindet sich in einer Legitimitäts- und damit auch in einer handfesten Existenzkrise. Im Osten des Landes verliert sie die Arbeiterschicht teilweise an die AfD und auch im Rest der Republik, wo sie es qua Parteigeschichte schon immer schwerer hatte, traut ihr kaum noch jemand zu, politisches Sprachrohr der einfachen Leute zu sein. Das Problem ist hausgemacht: zu viel Zeitgeist, zu wenig Klassenkampf, zu viel Akademisierung, zu wenig Proletariat, vom internen Streit über die russische Invasion in der Ukraine noch ganz zu schweigen. Dass sich ob dieser Gemengelage manch Mitglied ernsthafte Gedanken macht, ob sich der Schmarrn – wie man bei mir in Bayern sagt – noch lohnt, kann da kaum überraschen. Ein prominentes Mitglied hat nun die Reißleine gezogen und seinen Parteiaustritt verkündet: Fabio De Masi. Mit dem Finanzexperten, der sich mindestens durch sein Engagement im Cum-Ex- und Wirecard-Skandal reichlich Lorbeeren verdient hat, ist einer der profiliertesten Fachpolitiker aus der strauchelnden bis am Boden liegenden Partei ausgetreten. Für meinen Kollegen Rainer Balcerowiak ist dieser Rückzug gleichwohl die logische Konsequenz einer zunehmenden Entfremdung von einer Partei, die für De Masi eigentlich die originäre Stimme der sozial Benachteiligten sein sollte. Einem Anspruch, dem Die Linke aber schon lange nicht mehr gerecht wird. Die Details zu De Masis Austritt lesen Sie hier. Derweil hält EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Rede zur Lage der Europäischen Union, die am Thema vorbeigeht, findet Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier. In ihrer einstündigen „State of the Union“-Ansprache am heutigen Vormittag ist sie zwar auf viele wichtige Punkte eingegangen, klammerte aber überragende Themen wie Inflation und europaweite Uneinigkeit und Unzufriedenheit praktisch komplett aus. Dafür kündigt sie einen Gesetzesvorschlag gegen hohe Energiepreise an und will den Zugriff der Europäer auf High-Tech-Rohstoffe sichern. Wer sich mit High-Tech auskennt, ist China. Ein Land, das derzeit – auch mit Blick auf Taiwan – ganz genau beobachten dürfte, wie sich der Westen in Zeiten sich überlagernder Krisen so schlägt. Doch nun provozieren ausgerechnet führende amerikanische China-Strategen das Reich der Mitte – und trommeln im Prinzip für einen Wirtschaftskrieg. Vielleicht ist das eine Panikreaktion, vielleicht ehrlicher Ausdruck einer längst etablierten Überzeugung. Klar ist: Dieses Spielen mit dem Feuer muss dringend eingedämmt werden, warnt Cicero-Autor Ole Döring. Susanne Schröter beschreibt den Zustand des Westens in ihrem neuen Buch „Global gescheitert?“ übrigens als eine giftige Mischung aus Selbsthass und Anmaßung. Während im Inneren identitätspolitische Aktivisten mit ihrer moralischen Rigorosität eine Bedrohung für die Demokratien darstellen, agiert der Westen in der Außenpolitik oftmals mit einer gefährlichen Hybris. Die Kernfrage lautet: Wie kann sich der Westen bloß aus diesem Dilemma befreien? Thomas Jäger hat Schröters Buch für uns gelesen, und schreibt unter anderem: „Die Lösung des Dilemmas setzt im Innern an.“ Ein Satz, der so auch in einem Text über die Europäische Union stehen könnte – oder eben in einem über die Zukunft der Linkspartei. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Redakteur |