schon in den Zwanzigerjahren wurde Kafka viel gelesen, auch von Kollegen wie Musil, Hesse, Benjamin oder Tucholsky. Weltruhm aber erlangte sein Werk erst nach 1945, zunächst in Amerika und Frankreich, ehe es schließlich auch im deutschsprachigen Raum wiederentdeckt wurde. Klaus Wagenbach, der sich gern als „älteste aller Kafka-Witwen“ bezeichnete, gab hierzu 1958 mit seinem Band „Franz Kafka. Biographie seiner Jugend“ den Anstoß.
Wie bizarr Wagenbachs Recherchen seinerzeit hinter dem Eisernen Vorhang waren, als er nach Prag reiste, erzählte unlängst Reiner Stach im Gespräch. Kafka wurde im damaligen Osteuropa nur unter der Hand gelesen, selbst in der Tschechoslowakei verdächtigte man ihn, in Werken wie „Das Schloss“ vor allem den Kommunismus zu kritisieren. Deshalb hatte Wagenbach bei der Antragstellung für den Archivbesuch in Prag nicht etwa angegeben, sich für Kafka zu interessieren, sondern für Egon Erwin Kisch, dessen Materialien ebenfalls in Prag lagerten und der den Kommunisten völlig unverdächtig war. So saß Wagenbach also im Archiv, blätterte lautstark in den Kisch-Dokumenten, um sobald er sich unbeobachtet wähnte, einen heimlichen Blick auf den ebenfalls beim Buchstaben K einsortierten Kafka zu werfen.
Sandra Kegel
Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton.
Selbst die Geburtsstadt Prag kümmerte sich bis zum Fall der Mauer nicht um Kafka; das wichtigste Kafka-Zentrum lag damals in Kierling bei Wien, Kafkas Sterbeort, wo die Kafka-Gesellschaft jedes Jahr die großen Symposien mit Wissenschaftlern aus aller Welt abhielt. Nach 1989 änderte sich das freilich. Heute kommt man in Prag um Kafka nicht mehr herum. Kafka gilt inzwischen als der meistgelesene Autor deutscher Sprache. Die Rezeption reicht bis weit in den Alltag hinein, von ehemaligen Werbesprüchen wie „Ich trinke Jägermeister, weil ich Kafkas Schloss nicht geknackt habe“ bis zur aktuellen Kafka-Welle auf der Jugend-Plattform Tiktok , auf der der Dichter in Liebesdingen ebenso zu Rate gezogen wird wie Rezepte für Kafka-Torten geteilt werden.
Trotz intensiver Lektüren aber war der Mensch Kafka lange Zeit nahezu unbekannt geblieben. Man glaubte sogar, ein Autor, dessen Werk sich so zentral um Ängste, Unwissen und Verdrängung dreht, müsse selbst ein freudloser, der Welt abgewandter Zeitgenosse gewesen sein. Vor allem die dreibändige Biographie des Kafka-Forschers Reiner Stach räumte dieses Missverständnis aus der Welt. Heute wissen wir um Kafkas Charme und seinen Humor, wir wissen, dass er sportlich war und sich für Technik begeisterte.
Aus dieser Idee heraus, dass Kafka alles andere als ein in sein (einsames) Schreiben versunkener Mensch war, beginnt das Feuilleton zum 100. Todestag Kafkas am 3. Juni eine neue Serie: „Kafkas Orte“. Darin wird er als passionierter Reisender beleuchtet. Es sind Ferien-, Dienst- und Erholungsreisen, nicht selten verbunden mit Liebesgeschichten auf Zeit. Es sind zudem Reisen, die sein Werk entscheidend befördern. Kafka wäre ohne diese Reisetätigkeit, so der Grundgedanke, ein anderer Autor gewesen. Er wünsche sich, dass in der biographischen Annäherung auch die literarische aufscheine, sagt mein Kollege Tilman Spreckelsen, der sich die Serie ausgedacht hat.
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