Liebe/r Leser/in, Deutschlands Büro-Elite hat seit gut zwei Wochen mit der Social-Media-App Clubhouse ein neues Spielzeug. Clubhouse erlaubt es, im virtuellen Raum Gespräche und Konferenzen abzuhalten. Jeder kann mitsprechen, niemand – und das ist neu – kann sich anonym bewegen, denn jeder Teilnehmer ist identifizierbar, und mitgeschnitten werden die Tonaufnahmen von der Plattform übrigens auch. Die Menschen, die einer Arbeit nachgehen, die sichtbar ist, wie an der Supermarktkasse oder hinterm Lenkrad eines Busses, werden wenig Zeit haben, bei Clubhouse mitzureden. Die App findet ihre Zielgruppe da, wo ohnehin – sei es auf Facebook, Twitter, Instagram oder parallel zur Amazon-Bestellung – permanent geklickt, gelabert und gesendet wird: im Homeoffice. Reden ist Silber, Arbeiten ist Gold: Aber wer arbeitet bei all dem Gesende eigentlich noch? Nachdem mein Freund Lars mir sagte, dass er auf Clubhouse den Kanal „I lost my wife to Clubhouse“ gehört habe und ich innerhalb von drei Tagen 114 Einladungen erhielt, beschloss ich, Clubhouse in meinen generellen Social-Media-Boykott einzuschließen und nicht auszuprobieren. Ich bin Home-office-bedingt eh den ganzen Tag in Telefonkonferenzen, was sehr anstrengend ist, weil das Aufeinander-Einreden oder Anschweigen oder das Über-den-Bildschirm-Anstarren halt nicht den persönlichen Kontakt mit Echt-Sound, Echt-Mimik und Echt-Gestik ersetzen kann. Welch peinliche Auswüchse die Demokratisierung des Mikrofons haben kann, erlebten wir vergangene Woche im Falle von Bodo Ramelow, dem Ministerpräsidenten Thüringens – nebenbei bemerkt das Bundesland mit den höchsten Corona-Inzidenzen. Der Politiker, hörbar euphorisiert von seiner jungen Zuhörerschaft, plauderte wild drauflos und erzählte, dass er sich die stundenlange Videokonferenz mit der Kanzlerin mit dem Handyspiel „Candy Crush“ vertrieben habe, machte anzügliche Witze gegenüber Teilnehmerinnen und wurde später ausfällig gegenüber Journalisten. Meine Kolleginnen Phillipka von Kleist und Corinna Baier haben zugehört – lesen Sie ihren 48-Stunden-Clubhouse-Report und Helmut Markwort über Ramelow. Die vermeintliche Nähe der Social-Media-Welt – ich ziehe die wahrhaftige zwischenmenschliche Begegnung vor. Doch vor dem Hintergrund anhaltender Kontaktbeschränkungen ist Nähe zurzeit häufig nur eine ungestillte Sehnsucht. In einer Zeit, in der sich viele Männer bei der Begrüßung umarmen und Bussi-Bussi links und rechts auch außerhalb Münchens als Hallo-Ritual salonfähig geworden ist, berühren wir uns Corona-bedingt nun viel weniger als früher. Welche Kräfte das Berühren aber freisetzt und wie wichtig der Kontakt ist, davon erzählt unsere Titelgeschichte. Berührt haben mich in dieser Woche besonders die Bilder aus Russland. Bei den Protesten für die Freilassung des Kremlkritikers Alexej Nawalny sind Bürgerrechtlern zufolge mehr als 2500 Menschen festgenommen worden – Berichte ab Seite 22. Zar Putin zeigt sein kaltes Gesicht. Ich mag Russland, und trotzdem bin ich Gegner seiner Politik, die intern auf einem autoritären Regime, Bereicherung und Korruption basiert und sich international über völkerrechtliche Normen hinwegsetzt. Auch deshalb finde ich es im Übrigen ungeheuerlich, dass Mecklenburg-Vorpommern mit einer landeseigenen Stiftung und 200.000 Euro Steuergeld die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 weiterbauen und fördern will – um drohende Sanktionen ins Leere laufen zu lassen. Diese „Umweltstiftung“ ist in Wirklichkeit ein trojanisches Pferd von Gazprom. Sie wird beinahe komplett von Nord Stream 2 finanziert, und ihr Hauptzweck liegt u. a. in der Fertigstellung und Inbetriebnahme der Pipeline. Die Pipeline-Gesellschaft schlägt auch den Geschäftsführer vor und entsendet zwei Mitglieder in den Beirat – ein Skandal, dass sich die SPD-Ministerpräsidentin als Putins Helferin missbrauchen lässt, zumal das ganze Erdgas-Projekt in Zeiten eines Green New Deal klimapolitisch ein Rohrkrepierer ist. |
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