Liebe/r Leser/in, die Bilder aus Berlin von der Querdenker-Demo am Wochenende waren beeindruckend, aber auch schockierend: Prügeleien, Flaschenwürfe und Festnahmen vor der russischen Botschaft, ein Reichsbürger-Mob versucht, den Reichstag, den Hort unserer Demokratie, zu stürmen, Neonazis laufen zwischen Impfgegnern, daneben Trump-Anhänger, Putin-Fans, Skinheads neben friedensbewegten Rastafari und ein paar Damen, auf deren Schildern steht „Jesus lebt“. Und ein großer Teil, der schlicht Angst hat vor dem wirtschaftlichen Ruin durch die Corona-Politik der Regierung. Viele Menschen, viele Meinungen. Angesichts der verstörenden Bilder vom Reichstag bleibt kein gutes Gefühl. Dennoch war es richtig, dass die Gerichte die Demonstration gestattet haben. Aus drei Gründen: Erstens ist das Recht, seine noch so krude Meinung gemeinsam und frei zu äußern, ein hohes Gut. Das zu schützen ist Aufgabe des Staates (warum waren eigentlich nur drei Polizisten vor dem Reichstag?). Selbst wenn sich diese Meinung massiv gegen den Staat richtet. Zweitens kann nun niemand sagen, der Staat mache seine Bürger mundtot, bevormunde sie und höre sich ihren Protest nicht an. Ein Verbot hätte 38.000 Meinungs-Märtyrer geboren, die fortan behauptet hätten, man habe ihnen die Demonstration verboten weil man ihre Meinung nicht dulde. Drittens – und das ist meines Erachtens eine der wichtigsten Lehren aus diesem Wochenende – hat sich der Protest selbst entzaubert: Das war eben keine Demonstration ausschließlich friedlicher Bürger. Und wenn die Ereignisse den einen oder anderen „Querdenker“ aus Stuttgart, Braunschweig oder Berlin-Spandau wachgerüttelt haben, dann hat diese Demonstration einen ganz eigenen Zweck erfüllt. Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche! |