| Guten Morgen, und Happy Birthday Mobilitätsgesetz! Vor genau zwei Jahren ist in Kraft getreten, was Rot-Rot-Grün in einem Freudentaumel und mit knallenden Sektkorken als „Meilenstein der Berliner Verkehrspolitik“ gefeiert hat. „Dieses Gesetz wird Berlin zum Guten verändern. Es wird Berlin sicherer, sauberer, leiser und klimafreundlicher machen, mit einem Wort lebenswerter“, hatte Verkehrssenatorin Regine Günther damals gesagt. Heute heißt es aus der Verkehrsverwaltung: „Mit seinen Plänen und Maßnahmen ist Berlin bereits jetzt Vorreiter in Deutschland.“ Klingt ja fantastisch! Und wie genau sieht das so in Zahlen aus? Kollege Caspar Schwietering hat eine Zwischenbilanz gezogen (mehr hier im Abo). Zur Radwende: Bis 2030 soll dem Gesetz zufolge ein vollständiges Radwegenetz entstehen, in dem unter anderem alle Hauptstraßen mit einem Radweg ausgestattet werden. Insgesamt müssten dafür jährlich rund 300 Kilometer Radwege gebaut werden, rechnet Denis Petri von Changing Cities vor. De facto gibt es stadtweit aktuell rund 1.120 Kilometer, davon acht geschützte Radwege (auf insgesamt fünf Kilometern Länge) und 20 Kilometer mit grüner Signalfarbe. Auf dreizehn Strecken und 26 Kilometern sind Pop-ups entstanden. 100 km Schnellverbindungen auf zehn Routen sind „in Vorbereitung“. Der Radverkehrsplan, das nach Angaben der Verkehrsverwaltung „entscheidende Dokument für die Radinfrastruktur“ soll (nicht wie eigentlich geplant jetzt), sondern voraussichtlich Ende 2020 fertig sein. Der bauliche Zustand des Radverkehrsnetzes wurde – anders als festgeschrieben – bisher nicht erhoben. Ebenso wenig ermittelt wurde bislang das Sicherheitsempfinden von RadfahrerInnen (das hat immerhin der Tagesspiegel gemeinsam mit FixMyBerlin übernommen). Was nicht funktioniert, zeigt ganz schön (deprimierend) das Beispiel Charlottenburg-Wilmersdorf. Von 2017 bis 2019 hat das Bezirksamt keinen einzigen Cent aus dem Fahrradsanierungsprogramm des Senats abgerufen. Nur auf insgesamt 3,6 Kilometern sind Radwege entstanden. Der Grund? „Zuständigkeitswirrwarr“ – das sagt zumindest Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne). Die Senatsverkehrsverwaltung sei für die vielen Hauptstraßen verantwortlich, der Bezirk für kleinere Straßen, in Tempo-30-Zonen dürfe man gemäß der Straßenverkehrsordnung allerdings keine Radwege bauen. Wünsche der BVV und des bezirklichen „FahrRats“ müssten zusätzlich berücksichtigt werden. Die Suche nach Ingenieuren sei schwierig. Seit Anfang 2018 wurden drei Ausschreibungen gestartet, um zwei „Radwegplanende“ anzustellen. Im ersten Verfahren hätten zwei geeignete Bewerber(inn)en das Bezirksamt gleich wieder verlassen. Der nächste Anlauf habe es ermöglicht, zumindest eine Stelle zu besetzen. In der diesjährigen dritten Ausschreibung wurde ein zweiter Radwegplaner ausgewählt. Wann er seinen Job antritt, ist unklar. Zur Öffi, Fuß- und Wirtschaftsverkehrswende: Insgesamt 28 Milliarden Euro sollen bis 2035 in mehr Wagen, mehr Strecken und dichtere Takte investiert werden. Das Straßenbahnnetz soll um 73 Kilometer erweitert werden und auf Nebenstrecken im Bus- ein Zehn-Minuten-Takt enstehen. Bis 2030 sollen in Berlin außerdem nur noch E-Busse fahren. Das Problem: Bis all die neuen Züge und Busse zur Verfügung stehen, wird es einige Zeit dauern. Außerdem sind viele Neubaustrecken in einem frühen Planungsstadium. Das Kapitel zum Fußgängerverkehr sollte diesen Sommer verabschiedet werden. Wegen Corona wird das nun wohl im Herbst geschehen. Zum Wirtschaftsverkehr hat der Senat bisher nur Eckpunkte veröffentlicht. | |