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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Mittwoch, 10.06.2020 | Zunächst sonnig bei 22°C, am Nachmittag zunehmend bewölkt und windig, am Abend kann es regnen. | ||
+ Besorgte Eltern wollen das E-Mail-Postfach der Bildungssenatorin fluten + Wohl doch kein Bußgeld für Maskenmuffel + Berliner Polizei veröffentlicht Corona-Schnulze – und der Dalai Lama sein Debüt-Album + |
von Anke Myrrhe |
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Guten Morgen, das Lotterleben ist vorbei, Jogginghose aus und raus. Auch ohne Fashion Week müssen Sie Ihre Kinder nun wieder einigermaßen adäquat gekleidet dauernd durch die Öffentlichkeit kutschieren, sogar zum Bus für die Klassenfahrt und zur Einschulungsfeier im August (Kaffeetrinken aber bitte weiterhin mit Abstand zur Oma). Wie viele Leute kommen dürfen, klärt der Senat gerade noch, die Eindämmungsverordnung wird erneut „gründlich überarbeitet“, hieß es gestern, wahrscheinlich irgendwann nächste Woche. Vielleicht zieht bis dahin ja auch noch jemand die „umfangreiche und ambitionierte Teststrategie“ für Lehrerinnen und Erzieher aus der Schublade, von der die Bildungssenatorin gestern sprach. „Es werden keine Wandertage zur Charité organisiert“, hatte uns der Regierende vor zwei Wochen gesagt. Ob das noch gilt? Am Ende einer fast einstündigen Pressekonferenz mit der Bildungssenatorin wussten wir gestern jedenfalls nicht viel mehr als: Alle kehren zum Regelbetrieb zurück, Kitas am 22. Juni („Sechs Wochen früher als geplant!“) und Schulen nach den Sommerferien (10. August). „Kinder haben ein Recht auf Bildung“, sagte Sandra Scheeres. Ein richtiger, wichtiger Satz, der allerdings vor drei Monaten genauso galt. Was hat sich seither verändert? Was haben wir gelernt? Zumindest eines: Die Abstandsregel von 1,5 Metern kann in Schulen nicht eingehalten werden. Also schaffen wir sie ab. Was vor drei Monaten noch mit einer recht plötzlichen Pandemie plausibel begründet werden konnte, liest sich heute eher als hilfloses Stochern nach Lösungen, die ein Recht auf Bildung mit der Infektionsgefahr abwägen. Außer Apellen (Lüften! Hände waschen! Nicht zu zweit auf die Toilette!) bleibt wenig übrig. Und die werden in Schulen bekanntlich schon dann ignoriert, wenn es um schnöde Dinge wie Hausaufgaben und Stillsitzen geht. Die Verantwortung wird einmal mehr auf die Kitas und Schulen übertragen. So konnten gestern auch auf zweifache Nachfrage weder Scheeres noch ihre Sprecherin die Frage beantworten, wie groß die Gruppen in den Kitas denn nun sein dürfen. Für die Regelbetreuung sei keine maximale Gruppengröße vorgesehen, sagte Scheeres, allerdings solle es in den Gruppen so wenig wie möglich Wechsel geben. Auf die Frage, ob ein offenes Konzept mit einer begrenzten Zahl dann auch möglich sei, hieß es: Detailfragen sollen die Kitas mit der Kita-Aufsicht klären. Das ließe sich eben nicht pauschal klären. Pauschale Lösungen (z.B. Hilfe) wünschten sich allerdings viele Eltern in den vergangenen Wochen, einige von ihnen demonstrierten gestern bunt plakatiert vorm Roten Rathaus. Scheeres betonte, dass sie die Sorgen gehört habe. Vielen reicht das allerdings nicht aus – zumal weiterhin unklar ist, wie der angekündigte Plan B bei einer zweiten Infektionswelle konkret aussehen soll. Deswegen wollen Eltern heute einen Stau verursachen – in Scheeres’ E-Mail-Postfach. „Die Senatsverwaltung verweigert die Abstimmung mit den Trägern und Eltern? Wir fluten das Senatspostfach mit der Darstellung der Elternperspektive.“ Der Brief mit den Forderungen zu mehr Dialog kursiert Beginn der Woche. „Am Mittwoch, den 10. Juni 2020, startet am Morgen die Lawine. Je mehr E-Mails Frau Scheeres bekommt, desto besser.“ Auszüge gibt es hier (ein bisschen Überraschung soll schließlich bleiben): „Die politischen Entscheidungen zu Familien und Kindern lesen sich als eine lange Kette der Verlagerung von Verantwortung, die bei den Eltern endet und sie damit allein lässt. Viele Kitas mühen sich derzeit unter Aufbietung all ihrer Kraft, möglichst vielen Kindern einen Ort zu bieten, der sie nicht als wandelnde Infektionsherde fürchtet, sondern ihre Rechte wahrt und ihre Entwicklung fördert. Unterstützung und Gehör finden sie darin auf politischer Führungsebene nicht. (...) Wir sind sicher, Sie wissen um die Relevanz der Förderung unserer Kinder für die Zukunft unserer Gesellschaft. Wir sind sicher, Sie geben Ihr Bestes. Und deshalb wollten wir sichergehen, dass Sie die Innenansicht der Familien kennen. Dass Sie uns nicht länger vergessen.“ | |||||
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Die Bäder sind wieder geöffnet, willkommene Abwechslung für gestresste Eltern, dachte sich Tagesspiegel-Leser Martin G. – und bekam: noch mehr Stress. Bevor er mit seinem dreijährigen Sohn ins Freibad aufbrach, fragte er lieber noch mal nach bei den Bäderbetrieben: Alle brauchen Online-Tickets, aber Kinder sind weiterhin gratis? Am 28. Mai erhielt er eine freundliche Antwort aus dem Kundenzentrum: „Pro erwachsener Aufsichtsperson (mind. 18 Jahre) können in den Sommerbädern in dieser Saison zwei Kinder bis fünf Jahre unentgeltlich mit ins Bad genommen werden. Für diese Kinder sind keine Eintrittskarten notwendig.“ Praxistest vorige Woche im Olympiabad: kein Problem. Gestern im Sommerbad Pankow: Ohne Ticket kommt das Kind nicht rein. Und die gibt es derzeit nur online, Einheitspreis: 3,80 Euro. Nachfrage bei Chefschwimmer Matthias Oloew (Sprecher BBB): Stimmt. Auch Kinder brauchten eigentlich schon seit der Öffnung am 25. Mai ein Ticket, weil man alle Namen brauche, um bei einer Coronavirus-Infektion Kontaktwege nachverfolgen zu können. Die Zeitfenster für kleine Kinder waren anfangs kostenlos – was nun allerdings geändert wurde. Es seien nämlich flotte 80 Prozent der Nulltarif-Schwimmer (samt Eltern) nicht aufgetaucht (im Schwimmbad, nicht aus dem Wasser), sagt Oloew. Weil die Tickets nicht neu vergeben werden können (es gibt schließlich keine Abendkasse), waren die Berliner Bäder noch viel leerer, als sie sein müssten. Zeigt einmal mehr: Was nichts kostet, ist offenbar nichts wert. Gilt leider auch in Krisenzeiten. | |||||
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Wenigstens dürfen wir uns jetzt auch wieder eigenverantwortlich und mit offenem Ausgang betrinken. Die Sperrstunde ist ab heute aufgehoben, wenn auch das nicht ganz freiwillig geschieht, sondern um einer Niederlage vor Gericht vorzugreifen. Dass Alkohol und Abstand sich nicht aushalten, hat man in den vergangenen Wochen an vielen Orten der Stadt beobachten können. Und wird der Wirt wirklich den lallenden Lutz nachts um drei freundlich darauf hinweisen, dass er bitte am Tisch sitzen bleiben muss und nicht am Tresen immer tiefer in Tinas Tasche wühlen soll? Es wird heiß. | |||||
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Im öffentlichen Nahverkehr bleibt die Maskerade zwar Pflicht, das Blankziehen allerdings weiterhin ohne Konsequenz. Auch nach zweistündiger Debatte konnte sich der Senat gestern nicht auf ein Bußgeld einigen. (Der restliche Bußgeldkatalog wurde zwar überarbeitet, blieb aber vorerst ein Geheimnis der Gesundheitsverwaltung.) In Bussen und Bahnen allerdings mehren sich die Anzeichen, dass es ganz ohne Zwang offenbar nicht geht, wie diese kleine Szene zeigt, die uns ein Leser geschickt hat: Abfahrt Bushaltestelle, vier bis fünf Menschen steigen ein, viele haben zwar Schals oder Mundschutz um-, aber nicht aufgesetzt. Busfahrer: „Bitte Masken aufsetzen, sonst keine Beförderung.“ Ein, zwei zurren Masken auf, aber nicht alle. Busfahrer, laut und eindringlich: „Ohne Maske KEINE Beförderung." Schuldbewusst zuppeln alle ihre Masken auf, eine zieht ihr T-Shirt über die Nase.“ Geht doch. Und fährt. Weniger harmlos ist das, was uns Leserin Elke A. berichtet. Ihre Freundin fahre jeden Tag von Charlottenburg nach Neukölln und zurück und es vergehe kein Tag, an dem sie nicht mindestens angepöbelt oder ihr gar mit körperlicher Gewalt gedroht werde. Viele Menschen hielten sich weder an die Maskenpflicht noch an die Abstandsregeln. „Und diese Menschen darauf aufmerksam zu machen, wird zunehmend gefährlich.“ Sie selbst erlebe diese Aggression vor allem im Einzelhandel, es vergehe „kein einziges Mal ohne Vorkommnisse“. Gerangel an der Kasse, Pöbeleien, neulich habe jemand zu ihr gesagt: „Alte Kuh, halt deine Fresse.“ Schöner Shoppen mit Corona. | |||||
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Apropos Krisenzeiten: Haben Sie starke Nerven? Dann könnten Sie a) bei der Polizei anheuern; b) einen Corona-Song aufnehmen; c) beides; d) auf diesen Link klicken. Nicht getraut? Gut. Nach den vielen vielen vielen gelangweilten Künstlern, denen offenbar nichts Besseres einfällt, als sich mit schaurigen Corona-Songs die Zeit zu vertreiben (Zusammenfassung hier), wollte nun auch die Polizei mittönen: Das Landespolizeiorchester Brandenburg und der Berliner LKA-Beamte Sebastian Stipp haben einen Song eingespielt, samt Video und ordentlich Schmalz, Titel: „Wir lassen keinen hier allein.“ Stipp war 2018 Kandidat bei „The Voice of Germany“, kennt sich also mit Pathos aus, Sätze wie: „Den Coronathon laufen wir gemeinsam schon / Mit Homeoffice und Telefon“, hat er laut Abspann selbst geschrieben, der Videodreh wurde vom Friedrichstadtpalast mit leeren Rängen unterstützt. „Was auch immer kommen mag Wir bleiben für euch immer wach Wir lassen niemand hier allein Corona kriegt uns niemals klein“ Das kommt dann dabei raus, wenn man den Kulturbetrieb komplett runterfährt. (Noch mehr musikalische Überraschungen gibt’s weiter unten im Encore.) | |||||
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