schon bevor die Koalitionsverhandlungen überhaupt beginnen, scheint schon ziemlich klar: Diese Neuauflage einer schwarz-roten (einst groß genannten) Koalition wird wie schon zu Merkels Zeiten zwar von einem Christdemokraten geführt werden, aber das sachpolitische Programm ist ziemllich rot. Die Leitlinien, die beide Seiten bei den Sondierungen am Samstag festgelegt haben, kann man ganz knapp so zusammenfassen: Die von Merz und der Union zur unbedingten Notwendigkeit erklärte Migrationswende gibt es nun doch nur bedingt: Zurückweisungen an den Grenzen nämlich sollen „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ stattfinden. Vor allem aber gibt es offenbar so gut wie keine Einschränkungen für die sozialdemokratische Umverteilungspolitik. Die aber ist erstens desaströs für die Staatsfinanzen und außerdem ein Pullfaktor für Armutsmigranten. Nicht nur die Basis für diese Verhandlungsschwäche, sondern auch einen beispiellosen Verrat an den eigenen Wahlversprechen haben Merz und Söder aber schon vor den Sondierungen begangen. Ihre Einwilligung zur faktischen Aufhebung der Schuldenbremse für Rüstungsausgaben und zu einem gigantischen 500-Milliarden-Schuldenpaket, das euphemistisch "Sondervermögen" genannt wird, macht wohl zahlreiche Unionswähler und auch -politiker fassungslos. Merz hat sich offenkundig über den Tisch ziehen lassen, schreibt mein Kollege Ben Krischke. Zu der politischen Wirkung des Vertrauensverlusts der Wähler und den vermutlich inflationierenden Effekten kommt noch der verfassungsrechtlich höchst zweifelhafte Plan, die nötige Grundgesetzänderung vom alten, gerade abgewählten Bundestag beschließen zu lassen. Der Verfassungsjurist Volker Boehme-Neßler ist der Meinung: Verfassungsänderungen aus politischem Kalkül, um einen neu gewählten Bundestag auszumanövrieren, erlaubt das Grundgesetz nicht. Seit Donald Trump die USA wie ein Unternehmen führt, wachen wir aus einer Art von Dornröschenschlaf auf. Erst Putin und jetzt Trump haben Europa mit einem Doppelschlag auf dem falschen Fuß erwischt, weil Europa gar keinen richtigen Fuß mehr besitzt, schreibt Nils Tarnow. Die Pax Americana ist vorbei, schreibt Marc Saxer von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die zukünftige internationale Ordnung wird aus der Machtbalance der Großmächte entstehen. Doch damit endet nicht automatisch die amerikanische Dominanz. Daher sei es verfrüht, das Ende des transatlantischen Bündnisses auszurufen. Wenn Sie an diesem Sonntagabend nach einer ereignisreichen und durchaus besorgniserregenden Woche die Gedanken etwas sortieren und die Weltläufte aus erhabener Distanz betrachten möchten, empfiehlt Ihnen unser Autor Dominik Pietzcker in seiner Serie "gefährliche Lieblingslektüre" berühmt-berüchtigte Autoren, vor denen wohlmeinende Geistesgouvernanten gerne warnen. Diesmal stellt er Ernst Jünger vor. Was man von ihm lenrt: "das nicht enden wollende knabenhafte Erstaunen über die Wunder einer Welt, die er nicht auf das Menschliche und Gesellschaftliche beschränkt wissen wollte". Ihr Ferdinand Knauß, Redakteur |