| „Immer jünger werden, je älter man wird, das ist die rechte Lebenskunst.“ Solch kunstvolle Sprüche hätte man wohl einem Arbeiterführer nicht zugetraut. Doch Ernst Thälmann, als KPD-Chef der Weimarer Republik später von der DDR-Führung zum offiziellen Helden mit dem Spitznamen „Teddy“ erkoren, dem die Thälmannpioniere nachzueifern hatten, hatte durchaus eine poetische Seite. Allerdings als Chef des paramilitärischen Rotfrontkämpferbundes und als stalinhöriger Säuberer der KPD auch eine brutale, die Linksromantiker gerne vergessen wollen. Nun tobt schon seit Jahren ein Streit darum, mit welchen Sprüchen man Thälmann heute zum Andenken bedenken soll. Schließlich steht er noch immer als Koloss von Prenzlauer Berg am Kopf des Wohnparks, der seinen Namen trägt – und trägt zuweilen unfreiwillig Graffiti-Inschriften wie „Fuck“ auf. Der Bezirk Pankow sucht schon lange einen passenderen Kommentar für den 1944 von den Nazis im KZ Buchenwald ermordeten Thälmann, hat sich dabei aber in viele Zerwürfnisse verfangen. In der Bezirksverordnetenversammlung tobte am Mittwochabend erneut der Streit, ob es denn vorrangig einer „historisch-kritischen“ Kommentierung des Denkmals bedürfe oder eher einer „künstlerischen“. Der Kulturkampf um die Deutungshoheit ging gestern unentschieden aus. Grüne und SPD votierten mit 19 Stimmen dafür, dass die Bezirksverordneten über das neue Denkmal mitabstimmen dürfen; Linke, CDU und AfD stimmten dagegen mit ebenfalls 19 Stimmen. „Ich befürchte, hier soll für die alteingesessenen Bewohner des Thälmann-Parks ein positiver Mythos von Thälmann erzählt werden“, schimpfte die Grüne-Verordnete Christiane Heydenreich nach der Abstimmung am Checkpoint-Telefon. „Wenn hier alten SED-Genossen noch Genugtuung verschafft werden soll, geht mir der Hut hoch.“ Und da ist sie offenbar nicht die Einzige. Für den historischen Part gab es eine vierköpfige Kommission, die sich seit einem Jahr über Thälmanns Kopf den Kopf zerbrochen hat, nun aber nach Checkpoint-Informationen auseinandergeflogen ist. Jens Schöne, stellvertretender Leiter bei Berlins Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, möchte jedenfalls die letzte Kommentierung nicht mittragen: dass es neben dem offiziellen Heldenkult um Thälmann in der DDR auch eine „volkstümliche Verehrung des KPD-Vorsitzenden“ gegeben habe, „die eine gewisse Widerständigkeit gegen die erstarrte DDR-Wirklichkeit auszudrücken versuchte“. Schöne sagt dazu am Checkpoint-Telefon: „Das halte ich als Historiker für Unsinn und als Zeitzeuge für Quatsch.“ Da weitere Änderungen wegen angeblicher Zeitnot nicht mehr erwünscht gewesen seien, trat Schöne aus der Kommission zurück. Als Aufarbeitungs-Beauftragter sei sein Amt schließlich den Opfern der DDR verpflichtet. Es kommentiert noch einmal Ernst Thälmann: „Was der Mensch im Innersten sein Leben lang empfindet, wahrnimmt, fühlt, denkt, begehrt - das erlebt ihm keiner nach.“ | |