| Ganz im Verborgenen läuft in Berlin gerade ein Wirtschaftskrimi. Im Mittelpunkt des Plots steht die Messe, und einer der Hauptdarsteller ist ihr früherer Geschäftsführer Christian Göke. Aber weil Checkpoint-Spürhund Beverly sich mal wieder durch ganz viele Papiere gewühlt hat und dabei das Drehbuch mit dem Titel „Streng vertraulich“ in einem Stapel ausgedruckter Mails entdeckte, können wir Ihnen hier und heute exklusiv eine Preview präsentieren. Christian Göke war lange der bestbezahlte Chef eines landeseigenen Betriebes von Berlin: 2020, in seinem letzten Jahr bei der Messe, kassierte er inklusive Boni 748.000 Euro. Nach zwanzig Jahren im Unternehmen wechselte er zu Werner Gegenbauer, als Generalbevollmächtigter der Familienholding „Vesica“, benannt nach den Töchtern des Prinzipals. Hier kümmert er sich seitdem um das Beteiligungsmanagement. Was zum Plan gehört: Göke steigt auch mit persönlichen Investments ein. Und so bezeichnet sich der Ex-Chef der Messe auchim Geschäftsnetzwerk „LinkedIn“ als Investor. Ende Januar 2022 tauchte Göke überraschend wieder bei der Messe auf – und zwar in einem Schreiben seines Nachfolgers Martin Ecknig, gekennzeichnet als „Streng vertraulich“. Das Thema: „weitere aktuelle Entwicklungen zur IFA“. Die Empfänger werden ausdrücklich auf ihre Verschwiegenheitspflicht und die Rechtsfolgen bei einem Verstoß hingewiesen. Die Internationale Funkausstellung ist eine Berliner Institution, Premiere vor fast 100 Jahren, eine der ältesten und berühmtesten Messen der Welt, immer ausgerichtet am selben Ort. Doch im kommenden Jahr endet der Vertrag der landeseigenen GmbH mit dem Veranstalter der IFA, der „gfu Consumer & Home Electronics GmbH“ aus Frankfurt am Main. Just in diesem heiklen Verhandlungsmoment bekommt es das landeseigene Unternehmen plötzlich über Bande mit dem Mann zu tun, der so gut Bescheid weiß über die Geschäfte und Kalkulationen der Messe wie kaum jemand sonst: Christian Göke. Und auf einmal könnte ein düsteres Szenario Wirklichkeit werden: Verliert Berlin die IFA? Denn was Messechef Ecknig und sein CFO Dirk Hoffmann dem Aufsichtsrat mitteilen mussten, ist für Berlin eine Bombe: Der bisherige IFA-Veranstalter, die gfu, will mit zwei weiteren Firmen ein Joint Venture für die Verhandlungen gründen. Da ist zum einen die „Clarion Events“ aus London, die mehrheitlich dem Finanzriesen Blackrock gehört; und da ist zum anderen die „Aquila“, eine Beteiligungsgesellschaft aus Berlin, deren Gesellschafter Werner Gegenbauer und seine Töchter sind – die identische Eigentümerstruktur wie bei der Familienholding, als deren Generalbevollmächtigter der Messe-Insider und Investor Christin Göke fungiert. Wie aggressiv die neuen IFA-Verhandlungspartner mit der Messe umgehen, zeigt sich auch daran, dass mehreren Mitarbeitern des landeseigenen Unternehmens Anstellungsverträge bei der neuen Joint-Venture-Gesellschaft angeboten wurden – noch vor Abschluss einer Vertraulichkeitserklärung und ohne Vorabstimmung. Bei den Verhandlungen über einen neuen Vertrag steht die mögliche Abwanderung der IFA als Drohung im Raum, und die neuen Messechefs nehmen das ernst – „aufgrund der Bedeutung der Angelegenheit für die zukünftige Entwicklung des Geschäfts“. Auf einer kurzfristig einberufenen, außerordentlichen Aufsichtsratssitzung wurde das weitere Vorgehen beraten. Vor diesem dramatischen Szenario erschließt sich auch eine politische Personalie: Das Abgeordnetenhaus wurde gerade darüber informiert, dass Wirtschaftssenator Stephan Schwarz jetzt doch Mitglied des Messe-Aufsichtsrats wird. In der Begründung heißt es: „Die Messe Berlin GmbH ist für den Wirtschaftsstandort Berlin von außerordentlicher Bedeutung.“ Damit sie „ihre zentrale Rolle behalten kann“ und um ihre Wettbewerbsfähigkeit „langfristig zu sichern“, bestehe „ein dringendes öffentliches Interesse“ an der Zugehörigkeit eines Senatsmitgliedes. Offenbar wurde auch hier der Ernst der Lage erkannt. Koalitions- und senatsintern wird der Seitenwechsel von Göke als Affront betrachtet; die Funkausstellung will man zwar unbedingt halten, aber gesagt wird auch: „Erpressen lassen wir uns nicht.“ Die Messe teilte dem Checkpoint gestern Abend auf Anfrage mit: „Gespräche und Vertragsverhandlungen mit unseren Kunden und Partnern sind vertraulich und werden von uns nicht kommentiert.“ | |